Darf man einfach so einen Obdachlosen aufnehmen?

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"Der Obdachlose könnte dann auch mal putzen und saugen und so..."

  • Das will ich sehen
  • Innerhalb weniger Tage hast Du 10-20 Obdachlose in der Wohnung
  • Deine Alk-Vorräte sind weg
  • Es sieht aus und riecht wie unter der Brücke

Aber selbstverständlich kannst Du es versuchen, erlaubt ist es....

Eine Möglichkeit wäre anzubieten, der Obdachlose muss sein Leben draußen weiterleben aber man bietet für die wirklich kalten Nächte (wenigstens über Nacht) eine Unterkunft. Wenn man morgens zur Arbeit muss, muß er die Wohnung auch verlassen. Dazu ist ein vorheriges "miteinander Zeit verbringen" und den Menschen kennen lernen (Warum ist er in dieser Situation, welche Interessen, wie er mit dem Leben auf der Straße umgeht ect) in meinen Augen unumgänglich. Ob die Chemie stimmt oder inwiefern der Obdachlose "mitarbeitet" kriegt man denke ich in 1-2 Wochen mit. In dem man seine Zeit dem Obdachlosen verbringt... Dazu muss dir egal sein was andere denken denn Du begleitest Deinen neuen Kumpanen durch "seine" Welt d.h. vom Stadtpark über Parkdeck bis hin zur berühmten "unter der Brücke! Und mit "mitarbeiten" meine ich, das er meine Hilfe mit dem gleichen Respekt zollt wie ich es ihm gebe. Das man für die "beschlossene" Nacht oder Nächte für den Zeitraum des Aufenthalts den Haushalt Hand in Hand erledigt und somit auch profitiert. sollte schonmal Grundstein des gegenseitigen Respekts sein. Wenn ein Obdachloser die Menschlichkeit erkennt und dies zu schätzen weiß, gibt er es auch zurück, und das ganz von alleine, selbst wenn er kaum was für sich hat gibt er Dir etwas davon ab oder bietet es Dir an. Selbst erlebt... jeden Tag für ca 6 Wochen zu einem Obdachlosen...mit in den Park...mit unter die Brücke, inklusive Essen unter der Brücke mit kleinem Feuer zubereiten.

Ein altes aber noch funktionstüchtiges 4-Mann Zelt direkt am Feuer war auch meine Unterkunft über den Wochenenden. Da war ich nämlich 15 und bin noch zur Schule gegangen, von daher konnte ich meinen Kumpel Chris nur Nachmittags bis Abends Gesellschaft leisten...Manchmal hat er mich von der Schule abgeholt. Chris war eigentlich aus Frankfurt, ein dünner aber sehr muskulöser braungebrannter und tätowierter Mann im alter von 46, der mit seinem Kopftuch schon den ein oder andere Blick auf sich zog. Er war in diese Kleinstadt mitten in der Röhn im gemütlichen Unterfranken gestrandet, nachdem er auf dem Weg zurück von Hamburg beim Schwarzfahren erwischt wurde. Und somit seine Fahrt zuende war. und irgendwie machte Chris aus einer geplanten Woche Aufenthalt ganze 12 Wochen. Ich lernte ihn kennen mitten auf dem Marktplatz, wir sind ins Gespräch gekommen, er fragte mich nach einer Zigarette, ich gab ihm eine, fragte ihn ob er auf Durchreise sei. Seine Optik ließ keinen Zweifel daran zu. Und dann fing Chris zu erzählen an... Er sei beim Schwarzfahren erwischt worden, musste aussteigen. Er hatte einen Gerichtstermin in Hamburg, kommt aber ursprünglich aus Frankfurt am Main.

Ein damaliger Aufenthalt und ein paar "Delikte" in Hamburg sei der Grund für diesen Termin bei Gericht in Hamburg gewesen.

Auf die Frage welche "Delikte" er damit meinte hab ich nie eine Antwort bekommen.

Wir unterhielten uns ca eine Stunde, in dem er übrigens den Grund für sein Leben auf der Straße für sich "begründet"

Chris erzählt mir er war 31, verheiratet, 2 Kinder hatte fünf Jahre zuvor ein gemeinsames Haus mit seiner Frau gekauft. Er war Hauptverdiener, sie erledigte einen Teilzeit Job, kümmert sich um die Kinder. Keine Schulden...Die beiden kannten sich vom Gymnasium, gleiche Klasse, es hat gefunkt und die beiden wurden ein Paar. Da war Chris 17 und seine Frau (ich habe den Namen nicht mehr in Erinnerung) auch 17. Sie war nur ein paar Monaten älter.

Es war eine Woche nach seinem 31 Geburtstag, da bekam er auf der Arbeit die Information, das etwas schlimmes passiert ist und er solle ins Krankenhaus kommen. Weil Chris sich durch die Ernsthaftigkeit dieses Anrufers das schlimmste ausmalte, entglitt ihm sein Leben schon vor seinen Augen auf dem Weg ins Krankenhaus.

Der Unfalltod... festgestellt bei seiner Frau und bei seinen beiden Kindern. Ein Mädchen (7) und ein Junge (5) ein LKW Fahrer nahm ihr die Vorfahrt, tötete die drei sofort. Ich habe Bilder gesehen von Chris's Frau und seinen Kindern. Gemeinsame Bilder...eine süße Familie... Oder mal Bilder von den Kids in Aktion beim spielen im Garten, Bilder von Weihnachten, bei denen ich in leuchtende und glückliche Kinderaugen gesehen habe, weil sie sich über ihre Geschenke zu Weihnachten freuen und das stolz für die Kamera festhalten ließen. Chris verlor sofort den Boden unter den Füßen, er hat von heute auf morgen nicht mehr arbeiten können war in psychatrischer Behandlung, hat nach einem halben Jahr Therapie aber die Freiheit vermisst. Im gemeinsamen Haus konnte er nicht mehr leben, verkaufte das Haus, lebte in Miete und fing an seine Gedanken an seine Frau und seine Kinder die eigentlich ihr ganzes Leben noch vor sich gehabt hätten, mit Alkohol und Drogen zu betäuben...lebte ein "Schlotterleben" so wie er es nannte. Kein schlechtes Leben denn der Hausverkauf brachte ein paar 100 tausend.

Und das sogenannte "Schlotterleben" beschrieb mir Chris wie folgt. Er hat nicht mehr aufs Geld gesehen, hat gekauft auf was er wollte. Partys geschmissen....Alk und Gras sein ständiger Begleiter was natürlich richtig Asche kostet...bis nichts mehr da war, aus der Mietwohnung ist er geflogen nachdem er ein dreiviertel Jahr keine Miete mehr bezahlt hat...Es lässt sich über sein Verhalten streiten, auch ich sagte ihm klar meine Meinung darüber, das ich an seiner Stelle schon viel öfter den Versuch gestartet hätte wieder zurück in die Gesellschaft zu gelangen. Aber Chris entschied sich für das Leben auf der Straße. Er liebte es frei zu sein. Das gab es ihm... Freiheit... Auf die Frage, ob er nicht ein schlechtes Gewissen hat oder sich überhaupt schlecht fühlt wenn er sich von morgens bis Abends zum betteln in die Fußgängerzone stellt oder setzt und am direkt anliegenden Marktplatz die Leute sogar direkt um Geldspenden bittet, antwortete er wie folgt:'

Weißt Du, ich weiß, das viele meine Situation nicht verstehen und es nicht nachvollziehen können, für welch ein Leben ich mich entschieden habe. Als das damals mit meiner Familie passiert ist habe ich den Glauben an Gott verloren. Aber er liebt die Freiheit. Möchte örtlich nicht gebunden sein.. Den glauben an gute Menschen hat er nicht verloren, denn er weiß das es sie gibt, bis sie ihm genommen wurden. Das auch mal schlechte Orte mit wenig Spendenausbeute zu seinem Leben gehörten war für Chris kein Drama...dann reist er weiter kommt dann zwar hungrig aber noch fit genug in die nächste Stadt. Und dann hast Du halt gute oder sehr gute Tage, mit dessen Spendeneinnahmen er auch schon eine Woche auskam.. Chris kaufte bescheiden ein dachte beim bezahlen immer an die nächsten Tage und rechnete.

Übrigens, falls dem ein oder andere die Frage auf der Zunge lag oder liegt: Was haben meine Eltern dazu gesagt? Ich war 15, ein guter Kumpel von mir ein Jahr älter, der hat sich für ca 3 Wochen mit angeschlossen und war dann immer fürs Feuer machen zuständig.

Meine Eltern und ich hatten immer ein recht offenen und auch einen sehr Transparenten Umgang miteinander und somit war Chris auch beim gemeinsamen Abendbrot mal Thema, was sich natürlich häufte. Meine Eltern stellten fragen und waren natürlich interessiert, mit welchen Leuten ich meine Freizeit verbringe. Sie hörten sich an was ich über Cris wusste, erzählte die Geschichte von ihm, was seiner Familie passiert ist und das er wirklich nett ist.

Bis zu dem Tag an dem mein Vater mir den Vorschlag machte, Chris doch mal einzuladen.

Auf einen Sonntag, bei dem mein Vater wie so oft Sonntags selbst aktiv in der Küche war und meine Mutter tatkräftig beim zubereiten und Braten von z b. Hähnchen, mit selbstgemachten Semmelknödel Rotkohl und Rahmsoße, einem Festtage-Putenbraten oder auch anderen aufwändig zubereiteten Gerichten unterstützte.

Von diesem Sonntag an waren mein Vater und Chris gute Freunde mein Vater Verstand sich auf Anhieb mit ihm. Meine Mutter war Anfangs skeptischer. Aber da mein Vater Chris jetzt öfter einlud, erkannte meine Mutter auch schnell das Chris ein gutes Herz hat und sich sein Schicksal nicht ausgesucht hat. Auch wenn die Meinung über die gelebte Lebenseinstellung auseinander ging blieb mein Vater immer freundlich und bot für ein paar Nächte Unterschlupf an. und Chris nahm dankend an und fügte sich für diese Zeiten in unser Familienleben ein. Dazu gehörte auch Regeln einhalten und mit Respekt und Hilfsbereitschaft für anfallendes im Haushalt von alleine seine Hilfe anzubieten. Das war seine Art Dankbarkeit.

Was ich damals (ich bin mittlerweile 43) mit Chris erlebte war bis heute nicht aus meinem Kopf zu kriegen, da Chris mit seinem Erscheinungsbild und seiner Güte im Herzen einen so bleibenden Eindruck hinterlassen hat, das ich manche Sätze die er sprach heute noch im Ohr habe.

Der Kontakt brach ab, weil er eines Tages einfach verschwunden war...wir erfuhren nur er wurde von der Polizei aufgegriffen, wurde in Frankfurt per Haftbefehl gesucht. Auch über die Gründe der Verhaftung haben wir keine Informationen.

Die Menschlichkeit hat Chris nie verloren, aber vielleicht trieb ihn die Verzweiflung zu Straftaten, die ich absolut nicht gut heiße und in keinster Weise gerechtfertigt sehe.

Um zu Deiner Frage zurück zu kommen,die jetzt schon mittlerweile 2½ Jahre zurück liegt.

Einen Obdachlosen aufzunehmen kann funktionieren. Mein erlebtes ist ein Einzelfall.

Was mich aber eben zu der Meinung treibt das soetwas funktionieren "kann".

Jeder Mensch ist verschieden, aber wenn Du bereit bist, Zeit zu investieren, um den Menschen kennenzulernen und zu verstehen. Dann wirst Du schnell Deine Pro und contra Liste ausgefüllt haben und beschützt vielleicht für ein paar kalte Minus-Nächte den Menschen vor dem Kältetot.

Ich danke allen die bis zum Ende gelesen haben, Die Frage ließ mich einfach an meine Erfahrung in der damaligen Zeit zurück erinnern, und ich erzähle sie weil es für mich eine schöne Erinnerung ist.

Lerne den Menschen kennen und Du erkennst ob er Deine Hilfe dankend annimmt.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Kommt darauf an ob du den Obdachlosen schon etwas kennst, seine Lebensgeschichte, warum er in diese Situation geraten ist, ob er ohne Alkohol und Drogen klar kommt und ob du ihm vertraust. Generell spricht nichts dagegen zu helfen. Denke aber auch daran das er Läuse und sonstige Parasiten eventuell ein schleppt.

Das wäre mir nur leider viel zu riskant. Wie gehst du sicher, dass er nichts klaut, während du auf Arbeit bist oder aus anderen Gründen das Haus verlässt? Du nimmst da einen komplett fremden Menschen auf, von dem du keine Ahnung hast, mit welchen Wertvorstellungen er aufgewachsen ist oder wie gewalttätig die Person ist, wenn sie wegen einer Situation getriggert wird, die du vorher nicht wissen konntest. Du weißt nicht, was diese Person in der Vergangenheit durchgemacht hat, von der sie gezeichnet sein könnte. Grundsätzlich ist es ein schöner Gedanke, der aber auf jeden Fall gut durchdacht gehört.

Ja, nur wenn du keine Erfahrung mit Obdachlosigkeit hast bzw. die Betreuung kann ich nur davon abraten blind loszuziehen und unter Umständen gibt das Probleme mit Sozialhilfe etc..

Du nimmst nicht nur einen Obdachlosen auf sondern die Probleme auch, Drogen, Alkohol und Prostitution etc., aber auch die Freunde von den Obdachlosen. Viele wollen auch obdachlos sein. Es mag anstoßerregend klingen, aber es ist so.

Und um auf die Probleme zurück zu kommen. In Obdachlosenunterkünften gibt es allerlei Probleme, viele wollen da nicht schlafen, weil sich Gangs unter den Obdachlosen bilden, die, die anderen in solchen Unterkünften mobartig überfallen. Also überlege dir wen du aufnimmst und worauf du dich einlässt, wenn du keine Erfahrung hast, lass die Finger davon.

Wenn du was gutes Tun willst versuche lieber einen Asylbewerber aufzunehmen der einen Betreuer hat...