Cicero und der Tod der Catilinarier

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Catilina und die Catilinarier

Die Catilinarier sind die Anhänger und Unterstützer des römischen Politikers Lucius Sergius Catilina. Dessen Plan einer Machteroberung durch einen Staatsstreich wird als Catilinarische Verschwörung bezeichnet.

Lucius Sergius Catilina gehörte zur Nobilität, der politischen Führungsschicht (er war sogar Patrizier, stammte also aus einer Familie alten Adels, auch wenn deren Mitglieder schon seit einiger Zeit keine politischen Spitzenstellungen erreicht hatten).

Catilina unternahm mehrere Versuche, das Amt des Konsuls zu erreichen. Zuerst wurde seine Kandidatur wegen eines gegen ihn bevorstehenden Repetundenprozesses (Gerichtsverfahren wegen zurückzuzahlender Gelder) nicht zugelassen und war wegen des laufenden Prozesses nicht möglich; 64 v. Chr. unterlag er bei der Wahl für das Amt eines Konsuls im Jahr 63 v. Chr. deutlich gegen Marcus Tullius Cicero und knapp gegen Gaius Antonius; 63 v. Chr. unterlag er bei der Wahl für das Amt eines Konsuls im Jahr 62 v. Chr. deutlich.

Catilinas Vorschläge eines Schuldenerlasses (»neue Tafeln«; tabulae novae) im Vorfeld der Wahl 63 v. Chr. , mit dem er sich Unzufriedenen in der Bevölkerung annäherte (vgl. Marcus Tullius Cicero, Orationes in Catilinam 2, 17 – 24; Sallust, De coniuratione Catilinae 36 – 39) und mit dem er schwindenden Rückhalt vielleicht ausgleichen wollte, wurden von Cicero als sozialrevolutionäre Umtriebe hingestellt, polemisch als auf eine allgemeine Schuldentilgung hinauslaufend gedeutet. Tatsächlich forderte Catilina eine Reduktion der Zinsen und Rückzahlungserleichterungen in einer Liquiditätskrise. Nachdem Catilinas Versuche, Konsul zu werden gescheitert waren, unternahm er einen gewaltsamen Umsturzversuch.

Cicero war als Konsul ein scharfer Gegner Catilias und hat durch Reden Catilina unter Druck gesetzt, Rom zu verlassen. Cicero hat durch gesammelte Informationen die Verschwörung aufgedeckt.

Catilina verließ Rom und begab sich zu Gaius Manlius, der in Etrurien ein Heer aufstellte und gegen den der Senat den Notstand (senatus consultum ultimum) ausgerufen hatte. Catilina wurde (ebenso wie Manlius) zum Staatsfeind (hostis) erklärt. Anfang des Jahres 62 v. Chr. erlitt er mit seinen Truppen in der Schlacht bei Pistoria eine entscheidende Niederlage und fiel im Kampf.

Tod der Catilinariuer

In der Stadt Rom nahmen führende Catilinarier Kontakt mit Gesandten der Allobroger, eines keltischen Stammes auf, und liefen dabei in eine Falle. Briefe von führende Teilnehmerr der Verschwörung wurden am 3. Dezember 63 v. Chr. sichergestellt und sie kurz danach (bzw. bald danach ergriffen) verhaftet, dem Senat vorgeführt und Senatoren vorläufig zur Inhaftierung übergeben.

Im Zusammenhang mit Ciceros Exil geht es um diese 5 verhafteten Catilinarier:

  • Publius Cornelius Lentulus Sura, Angehöriger der Nobilität, 71 v. Chr., Konsul, 70 v. Chr. aus dem Senat ausgeschlossen, 63 v. Chr. Praetor und damit wieder Senatsmitglied
  • Gaius Cornelius Cethegus, Angehöriger der Nobilität, Senatsmitglied
  • Publius Gabinius Capito, römischer Ritter (eques)
  • Lucius Statilius, römischer Ritter (eques)
  • Marcus Caeparius

Bei der Beratung am 5. Dezember 63 v. Chr. im Senat über die Bestrafung dieser festgenommenen Catilinarier hat Cicero als Konsul Bericht erstattet. Er neigte wohl dazu, eine Todesstrafe zu beschließen, hielt sich aber mit einer eindeutigen Festlegung erst einmal zurück.

Die (in der Abfolge einer Rangordnung) um ihrer Meinung befragten Senatoren befürworteten zunächst eine Todesstrafe. Dann hat sich Gaius Iulius Caesar als designierter Praetor gegen eine Todesstrafe ausgesprochen. Er schlug lebenslange Haft in verschiedenen Landstädten (municipia) Italiens, Einziehung des Vermögens (Konfiskation) und ein Verbot der Wiederaufnahme des Verfahrens vor Senat oder Volksversammlung vor. Caesars Argumentation erzielte Eindruck. Der designierte Konsul Decimus Iunius Silanus, der sich zuerst für die äußerste Strafe ausgesprochen hatte, wobei an Hinrichtung zu denken war, erklärte anscheinend in einer Umdeutung, nur eine Gefängnisstrafe gemeint zu haben. Nur der ehemalige Konsul Quintus Lutatius Catulus hielt scharf an einem Standpunkt gegen Caesar fest. Erst Marcus Porcius Cato, designierter Volkstribun, brachte mit einer energischen Rede eine Mehrheit der Senatoren wieder dafür, eine Todesstrafe zu befürworten.

Albrecht  23.08.2014, 08:59

Caesar war offenbar die Beachtung des Provokationsrechts (Recht zur Anrufung des Volkes - provocatio ad populum - bei Bedrohung mit dem Tod) wichtig. Gaius Sempronius Gracchus hatte als Volkstribun 123 v. Chr. zur provocatio ein Gesetz (Lex Sempronia) beantragt, das vom Volk beschlossen worden war. Caesar trat für ein populares Prinzip ein (Optimaten werden die Anhänger einer auf den Senat gestützten Politik mit Vorherrschaft der Nobilität, der Führungsschicht aus vornehmen Familien, genannt, die entgegengesetzte Richtung, die dem Volk etwas mehr Gewicht geben möchte, wird Popularen genannt). Er wollte verhindern, einen Präzedenzfall für ein Außerachtlassen des Provokationsrechts zu schaffen.

Cicero hat als Konsul noch am 5. Dezember 63 v. Chr. die Hinrichtung angeordnet, die im Tullianum, einem unterirdischem Raum des römischen Staatsgefängnisses (carcer) stattfand.

Cicero hat zwar bewußt für die Tötung die politische Rückendeckung durch den Senat gesucht, doch behielt er die rechtliche Verantwortung.

Ihre Tötung verstieß verfahrensrechtlich strenggenommen gegen geltendes Recht, das eine Hinrichtung römischer Bürger ohne Gerichtsurteil verbot. Cicero hat das Provokationsrecht übergangen.

Notstand und eine durch den Senat ausgesprochen Bevollmächtigung der Magistraten mit den Konsuln an der Spitze, Schaden vom Staat abzuwehren (senatus consultum ultimum), boten keine rechtlich einwandfreie Grundlage für Cicero, weil die betreffenden Verschwörer nicht vor ihrer Festnahme zu Staatsfeinden erklärt worden waren und sie auch nicht bewaffnet und im offenen Aufstand ergriffen worden waren. Der Senat war aber kein Gericht. Das Vorgehen war rechtlich anfechtbar.

Die Volkstribunen Lucius Calpurnius Bestia und Quintus Caecilius Metellus Nepos hielten, als sie ihr Amt am 10. Dezember 63 v. Chr. angetreten hatten, Cicero vor, gesetzwidrig gehandelt zu haben. Diese Angriffe konnte Cicero mit einer für ihn eintretenden Senatsmeherheit abwehren.

Die Verursachung von Ciceros Exil

In veränderten politischen Umständen und Machtverhältnissen wurde die Möglichkeit, Cicero wegen der Hinrichtung Gesetzwidrigkeit vorzuwerfen, zu einer ernsthaften Bedrohung.

Gaius Iulius Caesar war 60 v. Chr. mit Gnaeus Pompeius und Marcus Licinius Crassus ein Bündnis eingegangen. Caesar wurde 59 v. Chr. Konsul. Die drei mächtigen Männer erreichten eine politische Vorherrschaft. Ihre Gegner waren die Optimaten (Anhänger einer auf den Senat gestützten Politik mit Vorherrschaft der Nobilität; die entgegengesetzte Richtung, die dem Volk etwas mehr Gewicht geben möchte, wird Popularen genannt).

Publius Clodius Pulcher, seit einiger Zeit ein persönlicher Feind Ciceros, beantragte als Volkstribun 58 v. Chr. ein Gesetz (Lex Clodia de capite civis romani), wonach der Ächtung verfiel, wer einen römischen Bürger ohne Gerichtsurteil töten lasse.

Publius Clodius Pulcher stand zur Zeit der catilinarischen Verschwörung auf Seiten Ciceros. Er war ein Patrizier und sein ursprünglicher Familienname (nomen gentile) bis 59 v. Chr. Claudius. Ende des Jahres 62 v. Chr. drang er als Frau verkleidet in ein Fest der Bona Dea (»gute Göttin«) ein, das vornehme Frauen feierten und bei dem die Teilnahme von Männern verboten war. Aufgrund dieses Vorfalls (»Bona Dea –Skandal«). gab es im Jahr 61 v. Chr. einen Prozeß gegen Publius Clodius Pulcher wegen Religionsfrevels. Publius Clodius Pulcher behauptete, sich an dem betreffenden Tag in Interamna aufgehalten zu haben (140 km von Rom entfernt). Cicero machte eine Zeugenaussage, Clodius sei an dem betreffenden Tag in Ciceros Haus in Rom zur Begrüßung erschienen. Cicero widersprach also seinem Alibi, was Clodius übelnahm.

Gaius Iulius Caesar, Gnaius Pompeius und Marcus Licinius Crassus hatten Versuche unternommen, Cicero auf ihre Seite zu ziehen. Angeboten, Mitglied in einer Landverteilungskommission zu werden oder eine Stelle als Gesandter (Legat) zu übernehmen, verweigerte Cicero sich aber.

Caesar ermöglichte als Pontifex Maximus Publius Clodius Pulcher 59 v. Chr., durch eine Adoption zum Plebejer zu werden (Publius Clodius Pulcher wurde Adoptivsohn eines Plebejers).

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Albrecht  23.08.2014, 09:02

Cicero unternahm in Reden Seitenhiebe Reden gegen die Politik der drei mächtigen Männer. Er lehnte offenkundig eine Zusammenarbeit ab und stand damit ihren Interessen entgegen. Sie ließen seinem Feind Clodius freie Bahn. Caesar äußerte, er halte die Verurteilung eines römischen Bürgers ohne Gerichtsurteil für nicht gut. Pompeius, auf den Cicero als befreundet Hoffnung gesetzt hatte, hielt ein anfängliches Hilfeversprechen nicht ein und wollte Cicero nicht empfangen. Die Konsuln Lucius Calpurnius Piso Caesoninus und Aulus Gabinius unternahmen nichts, um Cicero vor dem Exil zu bewahren.

Cicero reiste in der Nacht vor der Abstimmung über das Gesetz aus Rom ab. Die Mehrheit seiner Freunde hatte ihm dazu geraten, in der Meinung, dies werde nur eine sehr kurze Zeit nötig sein. Taktisch erwies sich Ciceros Verhalten als fehlerhaft, da er schon vor einem möglichen Prozeß die Rolle eines Angeklagten übernahm und ihm dies als Schuldbekenntnis ausgelegt werden konnte.

In Büchern gibt es Informationen zu Cicero, Catilina und den Catilinariern z. B.:

Jürgen von Ungern-Sternberg, Catilina. In: Der neue Pauly (DNP) : Enzyklopädie der Antike ; Altertum. Herausgegeben von Hubert Cancik und Helmuth Schneider. Band, 2: Ark – Ci, Stuttgart ; Weimar : Metzler, 1997, Spalte 1029 – 1031

Jürgen von Ungern-Sternberg, Das Verfahren gegen die Catilinarier oder: Der vermiedene Prozeß. In: Große Prozesse der römischen Antike. Herausgegeben von Ulrich Manthe und Jürgen von Ungern-Sternberg. München : Beck, 1997, S. 85 – 99 und S. 204 – 206 (Literatur und Anmerkungen)

Ulrich Heider, Lucius Sergius Catilina – ein Verbrecher aus verlorener Ehre? In: Von Romulus zu Augustus : große Gestalten der römischen Republik. Herausgegeben von Karl-Joachim Hölkeskamp und Elke Stein-Hölkeskamp. 2. Auflage, unveränderter Neudruck. München : Beck, 2010, S. 268 – 278

Klaus Bringmann, Cicero. Darmstadt : Wissenschaftliche Buchgesellschaft (Gestalten der Antike), 2010, S. 90 – 127

Manfred Fuhrmann, Cicero und die römische Republik. 5., durchgesehene und bibliographisch erweiterte Auflage. Mannheim : Artemis & Winkler, 2011, S. 98 – 133

Matthias Gelzer, Cicero : ein biographischer Versuch. 2. erweiterte Auflage. Mit einer forschungsgeschichtlichen Einleitung und einer Ergänzungsbibliographie von Werner Riess. Stuttgart : Steiner, 2014, S. 67 – 151

Christian Habicht, Cicero der Politiker. München : Beck, 1990, S. 43 - 67

Francisco Pina Polo, Rom, das bin ich : Marcus Tullius Cicero ; ein Leben. Aus dem Spanischen übersetzt von Sabine Panzramm. 2. Auflage. Stuttgart : Klett-Cotta, 2011, S. 99 – 151

Emanuele Narducci, Cicero : eine Einführung. Aus dem Italienischem übersetzt von Achim Wurm. Stuttgart : Reclam, 2012 (Reclams Universal-Bibliothek ; Nr. 18818 : Reclam-Sachbuch), S. 102 - 138

Wolfgang Schuller, Cicero oder der letzte Kampf um die Republik : eine Biografie. München : Beck, 2013, S. 52 – 96

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http://de.wikipedia.org/wiki/Catilinarische_Verschw%C3%B6rung

Dann solltest du auch den Wiki-Artikel "Reden gegen Catilina" googeln.

Von da an waren Caesar und Cicero "ziemlich beste Todfeinde".

Albrecht  23.08.2014, 09:08

Die Aussage zum Verhältnis von Caesar und Cicero ist nicht richtig.

Cicero behandelt Caesar in der veröffentlichten 4. Catilinarischen Rede respektvoll.

Eine scharfe Gegnerschaft zwischen ihnen ist mit diesem Zeitpunkt auf jeden Fall zu früh datiert.

An einer Memoiren-Schrift, in der Caesar und Crassus als Hintermänner Catilinas dargestellt werden, hat Cicero erst 59 v. Chr. zu schreiben begonnen und sie nicht zu Lebzeiten veröffentlicht. Die weitgehenden Vorwürfe (anders als eine Unterstützung bei der verfassungsgemäßen Bewerbung Catilinas um das Amt des Konsuls) sind sachlich wenig überzeugend und wohl aus einer Abneigung späterer politischer Entwicklung zu erklären.

Cicero hat bei Caesar ein Darlehen aufgenommen. Er hat für Freunde/gute Bekannte um Posten gebeten, als Caesar Statthalter in Gallien war. Sein Bruder Quintus war mehrere Jahre dort ein Unterfeldherr Caesars.

Todfeindschaft ist lange Zeit eine Übertreibung und das Verhältnis war wesentlich facettenreicher, auch wenn Cicero gegenüber dem Dreibund und Caesars hartes Durchsetzen seiner Politik als Konsul auch gegen eine Mehrheit im Senat in seiner Grundstimmung abgeneigt war, Caesars Schritt zum Bürgerkrieg und seine Alleinherrschaft ablehnte.

Eine mit dem 5. Dezember 63 v. Chr. beginnende starke Gegenschaft kann zutreffender zwischen Caesar und Cato festgestellt werden.

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