Chemie Vergleich von Aminoessigsäure und Essigsäure?

2 Antworten

Essigsäure ist eine schwache Säure, die in Wasser gemäß

CH₃–COOH + H₂O ⟶ CH₃–CO₂⁻ + H₃O⁺

reagieren kann. Sie tut das nur zu einem sehr kleinen Teil (bei Konzentrationen zwi­schen 1 und 0.1 mol/l zu ca. 1%, entsprechend einem pH≈2.5), d.h. die meisten Mole­­kü­le haben eine intakte COOH-Gruppe. Aber dabei entstehen dann doch merk­lich viele H₃O⁺-Ionen, die den Strom sehr gut leiten. Daher ist Essigsäurelösung elek­trisch leitend.

Die genaueren Verhältnisse siehst Du hier. Hier hast Du auf der x-Achse die Konzen­tra­­tion logarithmisch aufgetragen (c=10⁻ˣ), die schwarze Kurve gibt der den pH-Wert bei der jeweiligen Konzentration (die weiße ist die Ableitung davon), und die Hinter­grund­farben zeigen an, wieviel Essigsäure (rot) oder Acetat (blau) anteilig in der Lö­sung zu fin­den ist. Du siehst, daß bei handelsüblichen Konzentrationen (>0.001 mol/l) zwar die Mehrheit der Essigsäuremoleküle nicht dissoziieren (rot), aber ein paar tun es eben doch, und dabei entstehen Ionen, und die leiten.

Bild zum Beitrag

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Die zweite Graphik zeigt dasselbe in anderer Form, nämlich als doppelt logarith­mi­schen Plot der Konzentration; sowohl die Konzentration auf der x-Achs als auch die Kon­zen­tra­tionen auf der y-Achse (c=10⁻ʸ) sind logarithmisch aufgetragen. Für die Leitfähigkeit ist de Säure (rot) bedeutugslos, aber es ist immer eine merkliche Menge Acetat in der Lö­sung, und zu jedem Acetat kommt noch ein H₃O⁺, also wird die Lö­sung leiten.

Man könnte glauben, daß das bei der Aminoessigsäure (Glycin, H₂N–CH₂–COOH) ähn­lich wäre, aber das trifft nicht zu. Denn im Glycin ist die COOH-Gruppe zum ganz über­wiegenden Teil deprotononisiert, weil sich in der Lösung eine Base herumtreibt, die viel stärker ist als das Wasser und die H⁺ begierig an sich reißt: Das ist die NH₂-Grup­pe im Glycinmolekül (die sieht ja so ähnlich aus wie Ammoniak). Es liegt also eine Art intra­mole­ku­larer Neutralisation von, und fast alle COOH-Gruppen haben ihr H⁺ an die be­nach­bar­te NH₂-Gruppe abgegeben. Das echte Glycinmolekül sieht also gar nicht wie H₂N–CH₂–COOH aus, sondern wie H₃N⁺–CH₂–CO₂⁻. Diese Form nennt man auch „Zwitterion“, weil sie eine positive und eine negative Ladung trägt.

Dieses Zwitterion leitet aber keinen Strom (weil es keine Nettoladung hat) und es ist un­willig, ein H⁺ herzugeben (vom Stickstoff; NH₄⁺ ist ja auch eine sehr matte Säure), oder eines aufzunehmen (an der Carboxyat-Gruppe; Acetat ist ja auch nur eine matte Ba­se). Da­her bilden sich nur wenige Ionen, und die Leitfähigkeit ist sehr underwhelming.

Dazu gibt es wieder meine beiden Plots, aber diesmal mit einem Plottwist: Rot ent­spricht der protonierten Form (die leitet), violett dem Zwitterion (das leitet nicht) und blau dem Anion (das leitet wieder). Der Plot ist allerdings langweilig, weil das Zwitter­ion bei jeder Konzentration total dominiert:

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Am zweiten Plot sieht man, daß sich bei geringen Konzentrationen nur ca. ein Zehn­tau­send­stel (10⁻⁴) der Glycinmoleküle zu leitfähigen Ionen umsetzen; bei sehr gerin­gen Kon­zen­trationen unterhalb von 10⁻⁴=0.0001 mol/l dissoziiert ein größerer Anteil des Gly­cins zur Basenform, aber immer noch weniger als 1%, und so verdünnte Lö­sun­­gen leiten sowieso schlecht, weil sie so wenig von allem enthalten.

Daraus folgt also, daß wäßrige Glycinlösungen nur ganz schwach sauren pH haben und den Strom nur schlecht leiten; zwar ein bißchen besser als Wasser, aber viel schlechter als gleich konzentrierte Essigsäure.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Chemiestudium mit Diss über Quanten­chemie und Thermodynamik
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eine Sekunde Googeln liefert sofort die Antwort:

https://www.google.com/search?q=glycin+pks+werte&rlz=1C1GCEA_enDE924DE924&oq=glycin+pks&aqs=chrome.1.69i57j0j0i22i30.5988j1j15&sourceid=chrome&ie=UTF-8

Glycin ist eine ca. 100-mal stärkere Säure als Essigsäure (pKS = 4.76).

m.f.G.

anwesende

Annalena495 
Fragesteller
 24.06.2021, 14:58

Hilft mir leider nicht :(

Könntest dus versuchen zu erklären 🙃

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indiachinacook  24.06.2021, 23:41
@Annalena495

Aus dem verlinkten Dokument:

Glycin ist eine ca. 100-mal stärkere Säure als Essigsäure (pKₛ = 4.76). Wie erklären Sie sich das?
Das stark elektronegative Stickstoff-Atom des Glycins zieht auch aus der O-H Bin­dung der Carboxylgruppe Elektronanteile an sich. Die O-H Bindung wird da­durch stärker polar als die der Essigsäure, d. h. das Wasserstoff-Kation der Carboxyl- Gruppe im Glycin wird leich­ter abgespalten. Glycin ist somit eine stärkere Säure als Essigsäure.

Das finde ich ziemlich faul formuliert. Ja, die COOH-Gruppe im Glycin ist mehr als hundert­mal sauer das die COOH-Gruppe der Essigsäure. Das hilft aber nix, wenn man keine COOH-Gruppe hat — und im neutralen Glycin hat man eben keine (son­­­dern nur Carboxylat).

Wer die zwei Absätze liest, würde zum Schluß kommen, eine wäßrige Glycin­lösung sei saurer als eine gleich konzentrierte Essgsäure. Das wäre aber absolut falsch. Wenn man die Säurestärke der COOH-Gruppe im Glycin genießen möchte dann muß man das Hydro­chlorid nehmen, nicht neutrales Glycin.

Anderswo im Dokument steht das auch besser und richtiger drin. Aber eine simple Glycin-Lösung in Wasser wird nirgend­wo klar diskutiert (ich glaube, der Frage­steller braucht genau das), sondern sie schreiben nur über Lösungen bei bestimm­tem pH (also im Puffer), und dann leiten ja die Puffer­ionen selbst. Deshalb verstehe ich auch diesen Satz nicht so recht:

In stark alkalischer oder stark saurer Lösung liegt Glycin als Anion bzw. als Kation vor. Dann kann Strom geleitet werden.

No na net. Jede stark alkalische oder stark saure Lösung leitet gut (dafür sorgen die OH⁻ oder H₃O⁺ selbst, plus ihre Gegenionen), aber da braucht man doch gar kein Glycin dazu­zukippen.

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