Autismus?

4 Antworten

Persönlich kenne ich nur zwei Autisten - mich selbst nicht mitgezählt - und zwar meine Mutter und einen Kumpel von mir. Aber ich könnte dir nie und nimmer sagen, welche Erfahrungen ich mit Autisten im Allgemeinen gemacht habe, denn das Spektrum ist sehr breit und Autisten sehr individuell. Wir alle haben unterschiedliche Probleme, Hürden, Vorlieben, Interessen, Hobbys, Erfahrungen, etc. Nur weil ich selbst (ärztlich diagnostizierte) Autistin bin, suche ich mir nicht absichtlich andere Autisten heraus, um mich mit ihnen anzufreunden und Erfahrungen mit ihnen zu sammeln.

Meine Mutter bekam ihre Diagnose erst mit 50 (Also vor fast 10 Jahren). Sie reagiert sehr empfindlich auf Gerüche - Insbesondere Zigarettengestank und Parfümgeruch. So stark, dass ihr sogar davon schlecht werden kann. Außerdem hat sie einen Blick fürs Detail und sie kann sich nicht auf mehrere Gespräche gleichzeitig konzentrieren bzw. die Hintergrundgeräusche nicht ausblenden. Bei Augenkontakt kommt es darauf an, ob ihr eine Person sympathisch ist. Ist sie es, kann sie ihr in die Augen schauen. Das liegt wohl aber auch daran, dass sie ihre Diagnose eben erst ziemlich spät bekam. Sie musste sich auch schon Jahre vor ihrer eigenen Diagnose mit der Thematik befassen, eben aufgrund von mir. Das Gerücht, dass Autisten grundsätzlich keine Ironie und keinen Sarkasmus verstehen, ist im Übrigen falsch. Meine Mutter benutzt Ironie und Sarkasmus regelmäßig und versteht es - nicht immer, aber meistens - auch. Sie ist definitiv sozial sehr schnell ausgelaugt und braucht viel Zeit für sich.

Bei meinem Kumpel ist es so, dass er Obst zum Beispiel gar nicht essen kann. Ich bin alle Obstsorten mit ihm durchgegangen - Keine Chance, meinte er. Ich denke mal, dass es an den verschiedenen Texturen etc. liegt. Er versteht Ironie und Sarkasmus tatsächlich nicht so gut, deshalb müsste ich es eigentlich weniger anwenden, aber ich sag ihm dann einfach hinterher, dass das Ironie/Sarkasmus/ein Scherz war. Auch verwendet er selbst nie Ironie etc. Zumindest habe ich es noch nie mitbekommen. Er braucht ebenfalls viel Zeit für sich. Augenkontakt halten scheint bei ihm genau so wenig zu funktionieren wie bei mir. Ich würde sagen, dass er auch sehr direkt ist - Genau so wie meine Mutter. Die sagen beide direkt das, was sie denken. (Bei meiner Mutter ist das wirklich so, dass sie manchmal etwas zu laut denkt ... Da ist ihr Mund schneller als ihr Gehirn.) Auch in seiner Schulzeit hatte er wenig Interesse an seinen Mitschülern gehabt.

Ich selbst (diagnostiziert mit fast 10 - Also vor gut 13 Jahren) bin beispielsweise ziemlich geräuschempfindlich. Früher war ich besonders pingelig, was mein Essen anging. Ich war auch ein bisschen sprachverzögert und konnte das S früher nie aussprechen, weshalb ich für eine gewisse Zeit lang zu einer Logopädin ging. (Da ich Lisa heiße, habe ich mich damals immer "Lila" genannt. Zugegeben: Ich weiß nicht, inwiefern mein Problem beim S-Aussprechen mit Autismus zusammenhing.) Ich hatte Schwierigkeiten damit, mir meinen Pulli anzuziehen bzw. gelang mir das erst viel später als anderen Kindern. Fahrradfahren, Schwimmen und generell Sport war für mich schon immer schwer. Meine Grobmotorik schien besonders als Kind nicht allzu gut zu sein. Ich neigte besonders in jungen Jahren dazu, immer sehr direkt und stur zu sein. Wenn ich jemanden nicht mochte, gab ich ihm zum Beispiel nicht die Hand. Berührungen ließ (bzw. lasse) ich ausschließlich bei Menschen zu, die ich mochte/mag. Davon abgesehen neige ich definitiv zu Over-Sharing und Info-Dumping. Ich fühlte mich besonders zu meiner Schulzeit jeden Tag wie eine Außerirdische. Also wirklich - Kein Witz. Meine Klassenkameraden konnte ich nie verstehen, spontane Planänderungen waren (und sind) die Hölle für mich und ich musste bzw. muss (aber früher war es schlimmer) alles durchplanen. Überraschungen gehen bei mir gar nicht und besonders als Kind/Jugendliche hatte ich regelmäßige Overloads und Meltdowns, die meine Mutter zu spüren bekam. Ich neigte z.B dazu, Dinge vom Tisch zu werfen und meinen Emotionen mit Heulen, Kreischen und Treten freien Lauf zu lassen. Für Unwissende (oder ignorante Personen) mag sich dies wie die Beschreibung eines Trotzanfalls lesen, wenn der 4-jährige Maximilian sein Tütchen Gummibärchen nicht bekommt, aber mir war es eben oftmals aufgrund einer Reizüberflutung. Oftmals, weil ja: Auch autistische Kinder können einen Trotzanfall haben. Als Elternteil ist es wichtig, zwischen diesem und einer Reizüberflutung unterscheiden zu können.

Heutzutage halte ich mich von Orten, die meine Reize überfluten, fern. Obwohl ich gestehen muss: Selbst wenn ich eine Reizüberflutung hätte, würde ich alles daran setzen, diese zu überspielen. Zumindest, solange sie nicht zu extrem ist. Mit 23 Jahren kann man es sich eben nicht erlauben, einen Meltdown in aller Öffentlichkeit zu bekommen. Da würde man nur dumm angestarrt werden, weil man uns Autisten natürlich nicht ansieht, dass wir Autisten sind. Es nicht so, dass ich keine Meltdowns mehr habe - Sie finden aber nur Zuhause statt und beinhalten nicht die Zerstörung von Gegenständen. Ich neige dann eher dazu, mir selbst ins Gesicht zu schlagen, an meinen Haaren zu ziehen, mich zu kratzen, hin und her zu wippen etc.

Leider weiß ich nicht, ob ich damit deine Frage beantworten konnte, aber ich hoffe es zumindest.

Falls du tatsächlich wissen möchtest, ob du Autist/Autistin bist, wäre es am sinnvollsten, dich von einem auf Autismus spezialisierten Psychiater oder Psychologen diagnostizieren zu lassen. Tiktok ist definitiv keine verlässliche Quelle für solche Themen. Ich denke, du solltest dein Verhalten mal ganz genau hinterfragen, in deiner Vergangenheit herumwühlen, Leute, die dich schon sehr lange kennen, fragen, was ihnen schon immer seltsam an dir vorkam und dich noch weiter mit Autismus beschäftigen. Dass du Grimassen nachahmst und keine Berührungen magst, kann für Autismus sprechen (besonders Letzteres), muss es aber nicht. Zu Autismus gehört doch schon einiges mehr.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Ich bin diagnostizierte Autistin (Keine Selbstdiagnose)👽

Also ich lebe mit einer Autistin zusammen und kann dir sagen, dass es wirklich ein Wahnsinns Spektrum ist. Daher heißt es ja auch nicht mehr Autismus und wird auch nicht mehr unterteilt, sondern nennt sich nun Autismus Spektrum Störung. Kennst du einen Autisten, kennst du einen Autisten. So individuell wie wir Menschen nun mal sind zeigt sich auch bei diesem Störungsbild.

Es gibt online einige Tests die du machen kannst um mal so grob einordnen zu können ob da wirklich eine ASS vorliegt. Aber ich würde dir raten einen Fachmann aufzusuchen und dich ordentlich diagnostizieren zu lassen. Je nachdem wie alt du bist kommen da verschiedene Anlaufstellen in Frage. Aber in einem Autismus Zentrum bist du immer gut beraten.

Oder sprich mit deinem Hausarzt darüber. Er kann dir sicher Adressen an die Hand geben.

Ich wünsche dir alles Gute auf deinem Weg. Lass dich bitte nicht verunsichern von Menschen die deine Befürchtung in Frage stellen. Wenn du das Gefühl hast und es wirklich wissen möchtest, hol dir professionellen Rat. Aber höre auf deine Intuition!

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

DeathTheKidy 
Fragesteller
 08.04.2022, 04:00

Vielen dank. Sehr nette und hilfreiche Antwort! 💖

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Autismus ist ein großes Spektrum, das nicht linear verläuft.

Grimassen nachmachen, ist etwas, das keinen Bezug zu Autismus haben muss.

Berührungen nicht mögen, kann ein Punkt für Autismus sein.
Allerdings kommen da noch vielmehr Symptome zusammen, um überhaupt einen Verdacht diesbezüglich zu hegen. Wie:

  • Schwierigkeiten mit Blickkontakt
  • Empfindlich bei gewissen Sinneseindrücken - riechen, schmecken, hören, sehen, fühlen
  • Probleme im sozialen Bereich
  • manche Schwierigkeiten, Redewendungen zu verstehen und oder Ironie zu erkennen
  • wahlweise besseres Namensgedächtnis bzw Gesichtsgedächtnis
  • oft eher rational logisches Denken
Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – ASS-Diagnose mit 50 / über 20 Jahren im Thema

Es scheint heutzutage ein Trend zu sein, sich einzubilden, dass man Autist sei.

Asperger

https://www.southpark.de/folgen/2b4m4s/south-park-arschburger-staffel-15-ep-8


DeathTheKidy 
Fragesteller
 08.04.2022, 00:30

Ach komm. Ich bin die letzte die irgendwelchen Trends nachgeht. Aber wenn es von meiner Lehrerin, und meinen Eltern vermutet wurde, denke ich nunmal, dass da eventuell was dran sein kann

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DeathTheKidy 
Fragesteller
 08.04.2022, 00:34

Vorallem diggi, habe ich nicht nach deiner Meinung zum Thema gefragt. Ich wollte wissen, was ihr für Erfahrungen mit Autisten gemacht habt. Echt erstaunlich wie oft hier Leute ihren unerwünschten Senf dazugeben wollen, und einfach nur fies sind. Ich rate dir dich zu löschen, weil du anscheinend nicht kapierst wie diese Webseite funktioniert. Hab’s echt satt mit euch

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kiniro  08.04.2022, 11:12

Es scheint auch ein Trend zu sein, einem Menschen etwas zu unterstellen.

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