Angst vor der sizilianischen Verteidigung?
Hallo,
ich spiele auf Chess.com Schach und bin so um die 1000 gerated. Als Weiß spiele ich 1...e4 und manchmal treffe ich auf die sizilianische Verteidigung. Irgendwie kriege ich dann immer Angst, da diese mit umfassender Theorie verbunden ist, die ich nicht kenne und noch nicht lernen will, da die Leute normalerweise nichts drauf haben, die sie spielen.
Irgendwie gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder die Leute wissen genau was sie machen und kennen alle Theoriezüge oder die Leute denken sich sowas wie "Magnus Carlsen spielt auch manchmal die sizilianische Verteidigung, deswegen mache ich das jetzt auch!" und wissen dann nach dem 4. Zug nicht mehr weiter.
Trotzdem habe ich im Endeffekt immer Angst, wenn ich auf die sizilianische Verteidigung treffe. Normalerweise spiele ich als Antwort 2...d4.
Gibt es irgendeinen Weg, die sizilianische Verteidigung einfach zu entschärfen, damit das Spiel nicht in sehr komplexen Situationen endet, in denen ich schlechter dastehe, da ich die Theoriezüge nicht kenne? Gibt es einen einfachen Konter, den man spielen kann, bei dem ich nicht viele Variationen wissen muss? Was empfehlt ihr?
6 Antworten
Moin,
oh, das kommt mir bekannt vor...
Ich bin eigentlich auch ein 1. e4-Spieler. Aber mit der sizilianischen Verteidigung hatte (und habe) ich auch immer so meine Schwierigkeiten... Lustigerweise kann ich weder gegen noch selbst Sizilianisch spielen. In der Regel stehe ich irgendwann sowohl mit Weiß als auch mit Schwarz schlechter.
Deshalb bin ich dazu übergegangen, mit einer anderen Vorgehensweise in Turnierpartien die sizilianische Verteidigung möglichst zu umgehen.
Ich beginne dann mit 1. d4. Auf 1. ... d5 oder 1. ... Sf6 antworte ich mit 2. Sc3 (Richter-Weressow-Eröffnung) und bald folgt 3. Lg5...
Das geht relativ häufig in andere halboffene Eröffnungen über (Französisch oder Pirc), gegen die ich viel lieber spiele als gegen Sizilianisch.
Und selbst wenn das nicht passiert, habe ich gute Erfahrungen mit der Zugfolge 1. d4 d5 2. Sc3 Sf6 3. Lg5 Lf5 4. f3!? gemacht, zum Beispiel 4. ... h6 5. Lh4 Sbd7 6. Sxd5!? Sxd5 7. e4 Se3 8. Dd3 Sxf1 9. exf5 Sxh2 10. Txh2 und Schwarz steckt in gewissen Schwierigkeiten.
Übergänge zu anderen halboffenen Spielanfängen passieren häufig durch
1. d4 Sf6 2. Sc3 g6 3. e4 d6 (Pirc) 4. Lg5 Lg7 5. e5!? mit tückischen Stellungen nach 5. ... dxe5 6. dxe5 Dxd1† 7. Txd1 Sg4 8. Sd5 Lxe5 9. f4 Ld6 10. Lxe7
oder
5. ... Sfd7 6. exd6 cxd6 7. Dd2 und baldigem h2-h4-h5 usw.
Am häufigsten geschah bisher etwas wie
1. d4 Sf6 2. Sc3 d5 3. Lg5 e6 4. e4 (Französisch). Die meisten meiner Gegner (im Schnitt DWZ zwischen 1800 bis 2000) sind von der Zugfolge verwirrt oder mit der Eröffnung insofern nicht so vertraut (weil sie sonst nicht Französisch auf 1. e4 spielen), dass viele hier auf e4 schlagen (Rubinstein-Variante): 4. ... dxe4 5. Sxe4 Le7 6. Lxf6 Lxf6 7. Sf3 usw.
Auf das klassische 4. ... Le7 spiele ich gerne 5. Lxf6 (Anderssen-Richter-Angriff), aber auch 5. e5 Sfd7 6. h4 (Aljechin-Chatard-Angriff).
Ich (DWZ 2135) habe damit jedenfalls gute Erfahrungen gemacht. Und viel Theorie gibt's zu Richter-Weressow auch nicht. Die wirklich kritischen Abspiele (die es sehr wohl gibt), kennen die allermeisten Gegner nicht. Und wenn doch, mit Weiß kann man sich bekanntlich ein bisschen was in der Eröffnung erlauben, ohne gleich den vollen Punkt zu riskieren...
Solltest du partout bei 1. e4 bleiben wollen (weil du zum Beispiel über den Umweg mit 1. d4 schwerlich in offene Eröffnungen kommen kannst), dann könntest du dir mal das sizilianische Flügelgambit etwas genauer anschauen. Da kannst du (in der Regel auf die Annahme) flexibel zwischen tollen Varianten wählen, wie
1. e4 c5 2. b4?! cxb4 3. a3!? d5 4. exd5 Dxd5 5. Sf3 e5 6. Lb2 Sc6 7. c4 (Zarjanyi-Gambit)
oder
1. e4 c5 2. Sf3 und erst nach 2. ... d6 (2. ... e6 oder sogar 2. ... Sc6) 3. b4 cxb4 4. d4 usw.
Wenig theorielastig, aber deutlich gediegener ist 1. e4 c5 2. c3 (Alapin-Variante)...
LG von der Waterkant
Ich kenne viele Abspiele und kann viel Theorie. Die meisten „Entchen” schlage ich auch im Sizilianer (sowohl mit Weiß als auch mit Schwarz). Aber in Turnierpartien sehe ich (auch gegen schwächere Gegner) meist nicht gut aus, wenn Sizilianisch aufs Brett kommt. Weder mit Weiß noch mit Schwarz hole ich da wirklich zufriedenstellende Ergebnisse. Irgendwie liegen mir die Stellungstypen offenbar nicht.
Insofern ja, ich habe eine DWZ von 2100+ und kann kein Sizilianisch (in Turnierpartien gegen gleichwertige oder etwas schwächere Gegner).
Ich habe mit meinen 1476 ne tunierleistung von 1951 gehabt und dadurch 118 plus gemacht
Ich persönlich habe festgestellt, dass gegen Sizilianisch das Wing-Gambit oder Portsmouth-Gambit oder ein Hybrid aus diesen beiden Gambits und der Mengarini-Variante sehr wirksam gegen Sizilianisch ist. Direkt auf die Mengarini-Variante zu setzen, lohnt sich dieser Tage nicht mehr, da inzwischen zu viele Sizilianisch-Spieler die Widerlegung kennen, wonach Weiß etwas schlechter steht. Die Ideen der Mengarini-Variante kann man aber bei den anderen beiden Gambits weiterhin im Hinterkopf behalten.
Hier ein Beispiel für eine Zugfolge.
1.e4 c5 2.a3 Nc6 3.b4 cxb4 4.axb4 Nxb4 5.c3 Nc6 6.d4 e6 7.e5 Qb6 8.Bd3
Beachte insbesondere die Bauernstruktur mit dem Läufer auf d3. Der Springer g1 würde zeitnah auf f3 gebracht werden. (Beim Portsmouth-Gambit würde man ihn schon beim 2. Zug dorthin setzen ... andere Zugreihenfolge) Trotz eines Bauern weniger kann hier eigentlich kaum noch etwas schief gehen. Stockfish zeigt +0,5 an. Laut Lichess-Database gewann Weiß 60 Prozent der Partien, wo diese Stellung erreicht wurde.
Für Ideen, wie es an dieser Stelle weitergehen könnte, searche auf You-Tube am Besten nach „Mengarini-Gambit“. Die anderen beiden Gambits kannst du dir auf YouTube natürlich auch genauer anschauen. In den YT-Videos werden viele Tricks und Fallen gezeigt. In der Spielpraxis tappte zumindest gegen mich noch niemand in die gezeigten Fallen. Nichtsdestotrotz lässt sich die Partie für Weiß sehr leicht weiterspielen, wenn obiger Aufbau erst einmal erreicht ist.
Grundsätzlich könntest du gegen die Sizilianische Verteidigung sogar Italienisch spielen und auf deinem Rating-Niveau immer noch gewinnen. Kürzlich hatte dies ein 2000+ gewerteter Gegner bei einem Speedrun von GM Daniel Naroditsky getan. GM D. Naroditsky hatte es nicht leicht, wenngleich er letztlich doch noch gewonnen hatte.
Ich spiele gerne e4 c5 und dann einfach Sf3 oder c3. Wenn du ein bisschen Theorie kannst reicht das. Und das sage ich mir knapp 1800 auf chess.com rapid
Mit geht es mit 2100 ELO nicht wirklich anders. ;-)
Als Tipp: Spiele den geschlossenen Sizilianer! Da fliegt man nicht sofort hoch und kann sich erstmal ruhig aufbauen.
Oder kein 1. e4 spielen. Aber Komprommisse muss man immer eingehen.
Spiel Alapin-Variante 1.e4 c5 2. c3, dann kannst du das Zentrum gut besetzen.
Du hast 2100 und kannst kein Sizilianisch?