Warum kann oder will Markus Gabriel sein eigentliches Anliegen nicht ebenso klar beschreiben, wie hier ein Literaturkritiker es schafft?
Wenn es Gabriel darum geht, uns klar zu machen, dass Philosophie ein deutlich weiteres Themenfeld adressieren kann als Wissenschaft, warum redet er dann ständig darüber, dass die Welt "das Sinnfeld aller Sinnfelder" sei und deswegen weder existiert noch existieren könne.
Muss man da nicht auf die Idee kommen, sein Buch "Warum es die Welt nicht gibt" sei nichts weiter als bewusst geplanter Werbegag und Beweis für seine Fähigkeit, sich extrem erfolgreich zu vermarkten. Hat er sich vielleicht Till Eulenspiegel zum Vorbild genommen?
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Why the World Does Not Exist by Markus Gabriel – reviewGabriel’s main target is the arrogance of science. He wants to attack the suggestion that only by means of scientific method will we someday be able to comprehend the whole of reality. Instead, he argues, “we only ever know sections of the infinite. An overview of the whole is impossible”. The hubristic Hawking-Dawkins scientific intellectual complex is in the German professor’s crosshairs. Hawking gets rapped over the knuckles for that witless passage in A Brief History of Time in which he claims that scientists have replaced philosophers as torchbearers in the quest for knowledge. Gabriel charges him with reducing everything in a potentially infinite number of object domains to one, namely physics. “Had he known anything about philosophy and its history,” writes Gabriel of Hawking, “he would have noticed that for a considerable time philosophers have argued that precisely the questions he himself raises cannot be answered by finding out more about the universe.”
As for Dawkins, his graceless and deluded attack on religion in The God Delusion prompts Gabriel to write a fine chapter on the meaning of religion. “There is no such thing as secular society,” he writes, “but only secular subsystems overestimating their intellectual influence on the rest of humanity because they believe they have finally found the right kind of picture: the scientific world picture.”
Quelle: https://www.theguardian.com/books/2015/oct/30/why-world-does-not-exist-markus-gabriel-review - Hier in Deutsch übersetzt per DeepL.com/Translator :
Warum die Welt nicht existiertGabriels Hauptziel ist die Arroganz der Wissenschaft. Er will die Behauptung angreifen, dass wir nur mit Hilfe der wissenschaftlichen Methode eines Tages in der Lage sein werden, die gesamte Realität zu erfassen. Stattdessen, so argumentiert er, "kennen wir immer nur Ausschnitte aus dem Unendlichen. Ein Überblick über das Ganze ist unmöglich". Der anmaßende wissenschaftliche Intellektuellenkomplex Hawking-Dawkins steht im Fadenkreuz des deutschen Professors. Hawking wird für die witzlose Passage in Eine kurze Geschichte der Zeit, in der er behauptet, dass Wissenschaftler die Philosophen als Fackelträger im Streben nach Wissen abgelöst haben, auf die Finger geklopft. Gabriel wirft ihm vor, er reduziere alles in einer potenziell unendlichen Anzahl von Gegenstandsbereichen auf einen, nämlich die Physik. "Hätte er etwas von der Philosophie und ihrer Geschichte gewusst", schreibt Gabriel über Hawking, "hätte er bemerkt, dass Philosophen seit geraumer Zeit argumentieren, dass genau die Fragen, die er selbst aufwirft, nicht beantwortet werden können, wenn man mehr über das Universum herausfindet."
Was Dawkins betrifft, so veranlasst sein gnadenloser und verblendeter Angriff auf die Religion in The God Delusion Gabriel dazu, ein schönes Kapitel über die Bedeutung der Religion zu schreiben. "Es gibt keine säkulare Gesellschaft", schreibt er, "sondern nur säkulare Subsysteme, die ihren intellektuellen Einfluss auf den Rest der Menschheit überschätzen, weil sie glauben, endlich das richtige Bild gefunden zu haben: das wissenschaftliche Weltbild."
1 Antwort
Markus Gabriel kann man trotz berechtigter Kritik zugutehalten, dass er den Szientismus, der besonders unter vielen Physikern favorisiert wird, kritisch hinterfragt. Ein rein physikalisches Weltbild reicht nämlich nicht aus, um alle Phänomene zufriedenstellend zu erklären. Denn der menschliche Geist lässt sich nicht vollständig durch physikalische Theorien erfassen; es bleibt ein Residuum, das rein geistiger Natur ist und nicht durch physikalische Messungen vollständig beschrieben werden kann. Wissenschaft lebt vom kritischen Diskurs. Daher ist es wichtig, dass Wissenschaftler immer wieder neu anerkennen, dass ihre Wahrheitsansprüche nur hypothetisch sind und jederzeit durch neue Erkenntnisse revidiert werden können. Aus diesem Grund erscheint mir der philosophische Beitrag von Markus Gabriel zu einer selbstkritischen Wissenschaftstheorie von fundamentaler Bedeutung. Es gibt nicht "die" Wissenschaft, und die Vorstellung, sie sei die einzig legitime Meinung, wird uns oft fälschlicherweise von den Medien suggeriert. Die Wissenschaften differenzieren sich nach verschiedenen Wissensgebieten und spezifischen Methoden und zeichnen sich gerade durch ihren kritischen Diskurs und Pluralismus aus. Viele Menschen aber können als quasi „wissenschaftsgläubig“ betrachtet werden, weil sie irrtümlich meinen, dass alles, was die Wissenschaft lehrt, absolut wahr sei. Der Beitrag der Philosophie als emanzipatorische Wissenschaft ist ein notwendiges Korrektiv gegenüber übermäßiger Wissenschaftsgläubigkeit, und daher sind auch die philosophischen Interventionen von Markus Gabriel gegenüber einem Szientismus lobend anzuerkennen.
Dass Philosophie ein deutlich weiteres Themenfeld adressieren kann als Wissenschaft, wird weder durch mich noch durch andere Vertreter der Naturwissenschaft bestritten.
Naturwissenschaft wird immer dort enden, wo nichts mehr bewiesen oder wenigstens durch sorgfältige Beobachtung der Natur plausibel gemacht werden kann.
Da philosophisches Denken aber ausschließlich Überzeugungen liefern kann, macht es keinen Sinn, wenn Philosophie nicht dort auf Naturwissenschaft aufbaut, wo jene wirklich Ergebnisse liefert (z.B. auf Erkenntnissen der Quantenphysik, die zeigen, dass es eine ständig Wirkung generierende, uns aber dennoch völlig unbekannte Wirklichkeit tatsächlich gibt), die Welt also keineswegs nur aus Sinn bestehen kann: Realitäten, von denen es ebenso viele gibt, wie denkende Lebewesen sind das, was Gabriels Sinnfelder ausmacht:
Jede der durch ein denkendes Wesen erdachte Realität ist seine persönliche Meinung davon, was wirklich sei (sprich: seine persönliche Vermutung oder Überzeugung, wie das wirklich Wirkende denn eigentlich beschaffen sein könnte).
So gesehen sind Gabriels Sinnfelder einfach nur Meinung, die sich bildet, wo bewusstes oder unbewusstes Denken am Werk ist. Quantenphysik zeigt uns, dass die Welt tatsächlich aus noch weit mehr besteht. Philosophie, die das ignoriert, scheint mir nichts wert zu sein.