Sollte Gebärdensprache ein Schulfach in allen Schularten und Klassen sein?
Ich bin Rahel und 15 Jahre alt.Ich bin Schülersprecherin einer Grund- und Werkrealschule und würde Gebärdensprache als Wahlfach an meiner Schule gut finden. Aber ich weiß nicht, ob meine Schule Zeit dafür hat. Außerdem weiß ich nicht, ob wir einen Lehrer haben der Gebärdensprache unterrichten kann. Wir haben an meiner Schule und in Deutschland Lehrermangel. Wir haben viele verschiedene Nationen und Religionen. Ich weiß nicht, was die Rektorin zu der Idee mit der Gebärdensprache als Wahlfach meint. Aber fragen nach ihrer Meinung kann ich ja mal.
Und ich denke, damit man das nicht vergisst, wenn man es in der Grundschule gelernt hat, müssten auch andere Schulen(Realschule, Gymnasium, Montessori- Schule, Berufsschule,...) Gebärdensprache anbieten.
Gebärdensprache als Schulfach fördert die Inklusion, stärkt die nonverbale Kommunikation, bereichert die Kultur, unterstützt Mehrsprachigkeit und kann im Berufsleben neue Möglichkeiten schaffen. Wenn Gebärdensprache mehr gefördert wird, können wir echte Barrieren abbauen und die Kommunikation für alle verbessern.
Schreibt mir gerne eure Meinung zu dem Thema.
4 Antworten
Ich finde es gut, dass Dir ein brach liegender Bereich aufgefallen ist und Du Dich hier engagieren möchtest. Ich würde das aber nicht im Schulkanon sehen, also als Fach, dass jede Schule anbieten sollte oder darf, sondern als AG. Es ist dann spezifisch für Dein Umfeld, aber ggf. auch Beispiel und Vorbild für andere.
Gebärdensprache kenne ich sowohl von Veranstaltungen oder Gottesdiensten, aber ich kenne ca. drei Gebärden und meine "Aussprache" ist vermutlich schrecklich. Interessiert sehe ich auch immer mal wieder zu den Gebärdendolmetschern hinüber, um erkennen zu versuchen, welchen Teil sie gerade übersetzen. Ein Bisschen kann mensch immer mitlesen, aber wirklich verstehen kann ich es nicht.
Hinzu kommt, dass ich gehört habe, dass es nicht genau eine Gebärdensprache gibt, noch nicht einmal in Deutschland. Das hat auch mit der unheilvollen, deutschen Geschichte zu tun und so wurde Anfang des 20. Jh. die Gebärdensprache als "Affensprache" diffamiert. (Was alles unseliges herauskommt, wenn Menschen meinen, sich über andere erheben zu müssen …)
Informiere Dich doch in einem ersten Schritt, welche Gehörloseneinrichtungen es in Deiner Region gibt. Andere Menschen in ganz anderen Situationen kennen zu lernen, tut allen jungen Menschen gut. Das fördert das allgemeine Verständnis für Menschen und deren Situationen. Was wieder gut für unsere Gesellschaft im Allgemeinen ist.
Eine AG benötigt nicht unbedingt einen Lehrer als Organisator, dass kannst Du auch machen. Lass Dich nicht bremsen! Zieh das durch! (Wie das an Deiner Schule geregelt wird, wirst Du selbst herausfinden müssen. Hole Dir ggf. Unterstützung von der Schülervertretung.)
Ich kenne einige Anekdoten von Begegnungen von Hörenden und Gehörlosen. Das wird bestimmt lustig.
Leg los!
Ja, das wird definitiv lustig. Wer sich ein wenig in DGS verständigen kann, knallt bei der Unterhaltung auf dem Fußweg gegen den nächsten Laternenpfahl, der Gehörlose nicht. Unvermeidbar, und es gibt tausend andere Situationen. Das gehört eben dazu.
In Sachen AG bin ich anderer Meinung. Das ist sicher der einfachste Weg und zweifelsfrei bei genug Interessenten zu empfehlen.
Aber von unserer Gesellschaft zu lernen, ist ein anderer Weg, für den man Reif ist oder auch nicht. Wer keine Marionette ist und es bis zur Schulsprecherin geschafft hat, hat es verdient von den richtigen Leuten an die Hand genommen zu werden.
Ich finde deinen Sprachstil auffällig inkongruent, ich antworte aber trotzdem, da es mir für die Community wichtig erscheint.
Zunächst das lustige. Die amerikanische Gebärdensprache liegt Presseberichten zu Folge auf dem Beliebtheitsgrad zwei bis Fünf als Schulfach. Unumstrittener Sieger ist Spanisch. In Amerika gibt es wohl nur Fremdsprachunterricht in einer Fremdsprache, aber ASL wird nachgewiesenermaßen in der Hälfte aller Bundesstaaten als studienqualifizierende Sprache akzeptiert. Hier wohl eher eine belächelte Traumvorstellung. In der Buchhandlung nebenan bekommt man Schulbücher über ASL, hier undenkbar.
In Deutschland haben wir das Subsidiaritätsprinzip. Es gab mal einen Herrn mit einem Schnäutzer, der alle Macht an sich gezogen hat. Will heißen alle Entscheidungen sind, sofern nicht explizit ausgewiesen, auf der unteren Ebene zu treffen. Wir sind zweiteilig. Bund und Land. Mit der Garantie der Gebietskörperschaften auf Landesebene.
Leider haben die Länder eine verfassungsrechtlich äußerst verfassungsrechtlich bedenklich gesehene Zwischenebene eingeschoben, die Ministerkonferenzen.
Letztere in Form der KMK lehnt Gebärdensprache kategorisch ab, musste sich allerdings dazu nötigen lassen zumindest einen Lehrplan zu erstellen. Aber was hilft ein Lehrplan, wenn es niemanden gibt. Und klar Wozu Lehrpläne für alle Jahrgänge.
Auf Bundesebene sieht es nicht anders aus. Der Antrag auf DGS als Amtssprache wurde mit einem Rechtsgutachten abgelehnt, was jeder Stümper im ersten Semester Jura hinbekommt. Juristisch uneingeschränkt möglich, eine Amtssprache mit Sonderstatus, aber eben nicht gewollt.
Laut der einzigen gehörlosen Bundestagsabgeordneten gibt es genau einen Bilingualen Kindergarten in Deutschland. Ob der in Erfurt noch existiert? Wahrscheinlich nicht.
Jedenfalls gibt es Erfurt jetzt die vermutlich einzige echte eine Bilinguale Schule am Roten Berg. Vermutlich die einzige. Derjenige, der es möglich gemacht hat gefragt, wie das geht. Ich habe gesagt, beim Bürgermeister auf den Schoß setzen und nicht aufstehen, bis er ja gesagt hat. Die Antwort war, so ähnlich aber bei ihm war es der Landrat.
Du weißt, dass sich Kreta gegenüber gemeinsamen Feinden Einig war. (Ich glaube das war Kreta, trifft aber allgemein zu). Die Gehörlosengemeinschaft braucht in den jetzt schwierigen Zeiten (Geburtenrate, CI) gemeinsame Feinde. Das Streben nach Arbeit und Erhaltung der Sprache ist wichtiger als die Verbreitung der Sprache. Man steht sich selbst im Weg.
Glaub jetzt auch nicht, dass du an irgendeiner Bildungsinstitution einen Fortgeschrittenen Kurs bekommst.
Auch die Studienfächer sind überfüllt. Es besteht Dolmetschermangel. Aber warum sollte man das Ändern, die KMK schiebt hier Gleichbehandlungsprobleme vor.
Ein Wahlfach, Wahlpflichtfach habe wir faktisch nicht, allenfalls in Schulversuchen. Und das Tabu einer studienzulassenden Zweitsprache ... Wozu auch. Wer schon das Problem hat hörende Sprache zu lernen, soll doch lieber noch eine weitere Sprache lernen.
Du hast ins Wespennest gestochen. Zieh die Nummer durch!
Wenn wahres Interesse besteht, zögere nicht unsere Gehörlose Bundestagsabgeordnete oder den neuen Präsidenten des DGB zu kontaktieren. Alle anderen lassen das aber mal bitte sein.
Aber das allerwichtigste ist, koste davon welche Geschenk Gebärdensprache ist, und du wirst diese unglaubliche Erfahrung nie, nie wieder abgeben wollen. Schade nur, dass es umgekehrt nicht geht. Und ja, du brauchst doch etwas mehr als nur einen Kurs.
Die Leute Sagen, es ist die schönste Sprache der Welt. Stimmt nicht. Noch viel schöner.
ein Schulfach in allen Schularten und Klassen
Nein.
Taubstumme Menschen werden meines Wissens NICHT mit Sprechenden gemischt, wie sollte man die Mischung unterrichten? Also - wo begegnen sie sich?
Als freiwillige Arbeitsgemeinschaft kann ich mir das vorstellen, ein Chor oder Schulorchester ist ja sowas. Aber nicht in jeder Schule, vielleicht könnten sich Schulen zusammentun.
Ich bin Rentner, habe aber nur einmal im Leben einen taubstummen Menschen kennengelernt, die Tochter einer Freundin.
Und wenn du schon dabei bist, einen Wunschzettel auszufüllen, vergiss nicht die Blindenschrift. Die finde ich in Lifts und auf vielen Tablettenschachteln. Und am Rand von Münzen und eingeprägt in Geldscheine.
Stimmt, die werden nicht gemischt. Entweder Einzelhaft in sprechenden Klassen (Inklusion ohne Freunde) oder Bildungslosigkeit (Sonderschule (heutige Bezeichnung anders)). In Hamburg gibt es auch eine Schule mit gemischten Klassen, aber nicht DGS, sondern LBG. Aber ich kenne eben auch erfahrungen von Leuten, wo das fortschrittlicher ist. Und ja, dafür würdest du einen Dolmetscher brauchen.
Eine sehr gute Idee!
Leider ist Deutschland, was Menschen mit Behinderungen angeht, noch Entwicklungs-land. Ich hab selbst ein behindertes Kind, mittlerweile erwachsen. Lesen und Schreiben lernte es nicht in den 12 Jahren Förderschule, sondern von einem sehr guten Logopäden, wenn auch nicht in dem Maße wie "normale" Menschen.
Viel Glück mit deinem Vorhaben!