Einstellung finden, zu ehemaligem Therapeut?

2 Antworten

Hm, meine Meinung dazu ist:

Psychotherapeuten sind halt auch nur Menschen und nicht jeder Therapeut schafft es, sich selbst "rauszunehmen", sich gut abzugrenzen und immer in der gesunden Therapeutenrolle zu bleiben.

Ich habe einige Jahre Psychotherapie hinter mir und besuche meinen Therapeuten heute vielleicht ein bis zwei mal im Jahr, einfach weil ich ab und zu doch nochmal Redebedarf habe und wir echt gut kompatibel sind, das Vertrauensverhältnis passt.

Was du da berichtest, finde ich stellenweise ein bisschen strange. Mein persönlicher Eindruck ist, dass dieser Mensch sich selbst nicht "aus der Therapie genommen" hat.

Im Therapeutengespräch ist es ja so: Eigentlich sprichst du mit jemandem, der natürlich selbst auch tausende von persönlichen Erfahrungen gemacht hat, der eine persönliche Meinung hat, der Eltern hat die auch mal was falsch gemacht haben und so weiter.

All diese eigenen Probleme werden in der Psychotherapieausbildung aufgearbeitet, damit der Therapeut sich selbst achtsam zurücknehmen und den Patienten in den Mittelpunkt stellen kann, wohlwissend, wo die eigenen Baustellen liegen und wo man in der Selbstreflexion genauer hingucken muss.

Im Patientengespräch kommts im Eifer des Gefechts dann schon mal vor, dass da was schief läuft, nämlich dann, wenn der Therapeut selbst "getriggert" ist oder Übertragungen/Gegenübertragungen laufen. Die fallen nicht unbedingt sofort auf. Auch ein Therapeut muss mal ne Nacht über Dinge schlafen.

Ich persönlich kenne es so, dass wir solche Situationen zwei, drei Tage später am Telefon oder eine Woche später während der nächsten Sitzung aufgelöst haben. Mal war ich schief gewickelt, mal er.

Hast du so etwas nie erlebt mit ihm? Also dass er sich selbst auch mal kritisiert hat, sich vielleicht sogar für etwas entschuldigt hat, was er gesagt hat? Oder hast du das damals überhaupt gar nicht an ihn herangetragen, sondern heimlich "gelitten"?

Meiner hat mich übrigens mal total angepampt, da war er richtig sauer. In Wirklichkeit nicht auf mich, sondern auf meine Mutter. Er hat mich angepampt, weil er sich in dem Moment so hilflos gefühlt hat, er wollte, dass ich endlich den scheiß Kontakt blockiere. Ich sagte sowas wie: "Sie sind grade sehr wütend," und er stutzte. Und lehnte sich zurück, atmete tief durch und sagte: "Stimmt. Ich bin aber nicht wütend auf Sie." - "Fühlt sich aber so an." - "Das tut mir leid, das war... [...]"

Mit solchen Situationen fingen unsere besten/tiefsten Gespräche an. Und das ist in meinen Augen, was gute Psychotherapeuten ausmacht. Sie können mitschwingen, sie können aber auch im Geiste den Schritt zurück machen und reflektieren. Irgendwie fehlt mir das in deiner Schilderung.

Mein Therapeut würde wohl sagen: "Klingt nach Therapieschaden".


Inkognito-Nutzer   25.07.2025, 17:22

"Hast du so etwas nie erlebt mit ihm? Also dass er sich selbst auch mal kritisiert hat, sich vielleicht sogar für etwas entschuldigt hat, was er gesagt hat? Oder hast du das damals überhaupt gar nicht an ihn herangetragen, sondern heimlich "gelitten"?"

Also, das hat mich nicht DAMALS belastet. (ich war damals 20....) Jetzt bin ich viel älter, u. denk so drüber nach. Ich wäre gar nicht auf den Gedanken gekommen, ihn da mal zu kritisieren. Ich war der Schüler, u. er der Oberlehrer. Das hat damals sogar iwo gepasst für mich. Nur im nachhinein überlege ich nun, ob das denn geeignet war, zu mir zu finden. Er hat einen zwar aufgebaut, u. Mut gemacht. Aber es entstand auch eine neue Abhängigkeit. Ein Kollege von ihm kritisierte auch mal: "Der redet ja mit Ihnen, genau wie ihre Eltern." Und das war schon auch so - allein durch das Altersgefälle. Aber "woandershingehen", war völlig unmöglich. In der Provinz, in den 90'ern, ich war heilfroh, jemanden zu haben, und hatte von solchen Dingen schlicht null Ahnung - nicht wie jetzt im Nachhinein. "Von positiven Autoritäten abnabeln"; das ist wohl immer noch ein Thema bei mir, obwohl ich selber 50 bin...

Inkognito-Nutzer   25.07.2025, 11:53

"Im Patientengespräch kommts im Eifer des Gefechts dann schon mal vor, dass da was schief läuft, nämlich dann, wenn der Therapeut selbst "getriggert" ist oder Übertragungen/Gegenübertragungen laufen. Die fallen nicht unbedingt sofort auf. Auch ein Therapeut muss mal ne Nacht über Dinge schlafen.

Ich persönlich kenne es so, dass wir solche Situationen zwei, drei Tage später am Telefon oder eine Woche später während der nächsten Sitzung aufgelöst haben. Mal war ich schief gewickelt, mal er."

Ja, das klingt gut, u. das hab ich so mit ihm nicht erleben können. Gar nicht. Das hätte ich auch von mir aus schlecht gekonnt - so eine offene Kommunikation. Und er war urspünglich Lehrer, hatte Probleme mit den Kommunisten, u. sattelte dann nochmal um. Naja. Es war alles schon recht von oben herab - noch dazu das Altersgefälle.

"Therapieschaden" - im Grunde schon. Jedenfalls leide ich (30 Jahre später...) immer noch darunter, wie unzufrieden er das erste Jahr gewesen ist. Das kommt ja nicht von ungefähr.

Vermutlich hat es mich das so arg getroffen, weil ich generell so große Probleme habe, mich gegen (positive...) Autoritäten mal mehr zu behaupten. Und da war das dann nicht so günstig.

Danke für den Beitrag.

Die Charaktere , Ansätze, Verhaltensweisen bei Therapeuten sind unterschiedlich. Man muss sich als Klient überlegen, ob es passt/einem guttut oder nicht und womit man "leben kann". Zum Thema Druck : ein kleines Bisschen finde ich das in Ordnung, aber es sollte nicht belasten.