Mutter besuchen oder nicht?
ich weiß nicht, ob ich meine Mutter besuchen soll. Sie war früher recht gemein zu mir und ich habe Jahre mit ihr zusammengelebt. Sie war alkoholkrank und ich ein Kind, was auf die aufpasste. Irgendwann hat mein Onkel mitbekommen, was sie tut und hat mich schnell aus dem Haus gebracht. Ich bin jetzt erwachsen und meine Mutter hatte vor einigen Jahren einen schwerwiegenden Schlaganfall. Da sie sowieso viel getrunken hat hat sich daraufhin eine Alkoholdemenz entwickelt. Seitdem ist sie wie ausgewechselt, sie redet und verhält sich wie im Kindesalter und sitzt im Rollstuhl. Das Böse ist vergangen. Ich habe mich im Leben ein wenig gefasst, bin nun erwachsen. Als ich sie einmal besucht hatte, hat sie sich sehr lieb aber auch sehr merkwürdig verhalfen und hatte mich noch als Kind in Erinnerung. Sie lächelte nur und sagte, wie schon ich geworden sei. Damals war ich mit einer Angehörigen dort. Alle anderen gehen nicht, da sie das Bild nicht ertragen. Die Person, die immer dort war, ist tot. Ich weiß nicht, ob ich dorthin soll, da ich selbst damals der Situation nur knapp entkommen. Das letzte Mal, als ich sie anrief, wimmerte sie am Telefon und hat mich gefragt, ob ich öfter anrufen kann, doch das zu sehen macht mir sehr zu schaffen. Keiner geht sie mehr besuchen aufgrund von Dingen, die sie getan hat. Die einzige Person, die sie erkennt, bin ich.
1 Antwort
Ich finde, so wie du schreibst, hast du bis auf den heutigen Tag eine ganz starke Leistung vollbracht. Du hast dich von etwas so persönlichem nicht unterkriegen lassen. Was uch dir raten kann ist erstmal, hör auf dein eigenes Gefühl. Du entscheidest. Egal, wue du dich entscheidest, dich trägt niemals eine Schuld. Aber du würdest hier nicht fragen, wenn du nicht schon längst daran gedacht hast hinzugehen. Ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass du etwas für DICH erledigen musst, für deine Seele, für deine Zukunft. Wie würde es dir gehen, wenn jetzt ein Anruf käme, dass mit Ihr etwas passiert ist, dass du keine Chance mehr hattest, nochmal mit ihr zu reden. Vielleicht will sie dir etwas sagen, auch wenn nichts wieder gutzumachen ist. Du bist zu nichts verpflichtet, du musst sie nicht pflegen, du musst ihr nicht verzeihen. Vielleicht hast du ja noch etwas Kraft übrig, um dir dabei auch selbst zu helfen. Zumindest gibst du dieser ganzen Sache erst gar keine Chance, dass sie dich in 20 oder 30 Jahren nochmal einholt, wenn du irgendwann die Unbilden dieser ganzen vergangenen Zeit mit Abstand betrachtest und dir das Gehirn zermarterst, warum du damals nicht hingegangen bist. Du verhinderst mit deinen Besuchen sozusagen die Schuldgefühle von übermorgen. Du hast dir niemals etwas vorzuwerfen, weil du für das alles nichts konntest und weil du trotzdem da warst. Und vielleicht findest du ja selber dort eine Form von Genugtuung. Tja, meine Erfahrung aus meinem eigenen Leben ist...hätte ich mich bloss bei ein, zwei wichtigen Momenten mal mehr geäußert, wäre über meinen Schatten gesprungen. LG