Sollte es für Arbeitszeugnisse eine Einheitliche Bewertungsrichtlinie geben?

6 Antworten

Wenn ein Arbeitszeugnis von der vorgeschriebenen Form und vom Inhalt her fehlerfrei ist, des Weiteren anhand der gängigen Formulierungen ohne widersprüchliche Aussagen ist, bestenfalls noch ausführlich, so gibt es keinen Grund zur Klage, vorausgesetzt es ist mindestens durchschnittlich "befriedigend". 

Das Problem bei Arbeitszeugnissen ist nicht in erster Linie das bisherige System, die sogenannten "Geheimcodes", sondern die Tatsache, dass sowohl viele Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber (die nicht unbedingt zu den Personalern mit regelmäßigen Fortbildungen zum Thema gehören), leider kaum bis gar keine Ahnung von der Thematik Arbeitszeugnisse haben, und es daher immer wieder zu Missverständnissen kommt. 

Ein weiteres Problem ist, dass Arbeitsverhältnisse am Ende oft nicht gut gelaunt auseinander gehen...je nachdem, wer gekündigt hat, ist der andere Part mitunter "beleidigt".
Das kann bei AG zu schlechten und unfairen Zeugnissen führen, die niemand akzeptieren muss, oder aber bei dem AN zu Argwohn, besonders wenn er sich für den allerbesten Mitarbeiter der ehemaligen Firma gehalten hat, was meistens jedoch fernab der Realität ist....

Und leider sehen AG ihre Pflicht, ein Arbeitszeugnis zu erstellen, oftmals als lästig an, obwohl es ihre Pflicht ist, gehen sie da oft sehr "lässig" mit um, denn nun haben sie ja Nichts mehr von dem AN.
Für AN kann das aber ein wesentlicher Schritt Richtung Neueinstellung bedeuten, deshalb ist es für ihn oft so wichtig.

Ein weiterer kritischer Punkt ist, dass aufgrund ungesunden "Halbwissens" viele AN der irrigen Ansicht sind, dass jede Klage Erfolg hat, sobald man mit dem Zeugnis oder der Benotung nicht einverstanden ist. Das ist aber grundlegend falsch, denn "wohlwollend" muss es geschrieben sein, was aber keineswegs in Note "gut" bedeutet.

Will der Zeugnisautor eine unterdurchschnittliche Bewertung abgeben, so kann der Zeugnisempfänger auf ein durchschnittliches Zeugnis klagen. Der Ex-Arbeitgeber ist in dem Fall in der Beweispflicht. Kann er nachweisen, dass der Ex-Angestellte tatsächlich schlechter als der Durchschnitt war, so muss sich der Ex-Angestellte damit abfinden. Umgekehrt gilt dasselbe: will der AN ein gutes Zeugnis, also besser als durchschnittlich (befriedigend), so ist er in der Beweispflicht.

Alles Andere, wie zum Beispiel von dir erwähnt: 

"gedruckt auf Recyclingpapier" kann natürlich nur im Einzelfall geklärt werden... je nachdem, wie groß und/ oder störend dieser Schriftzug tatsächlich auf dem Zeugnis erscheint.

Hierzu:

"Selbst Rechtschreibfehler, die versehentlich passieren, werden als versteckte Botschaft interpretiert"

sei angemerkt, dass der AN nun mal ein Recht auf ein fehlerfreies Zeugnis hat, denn dieser Standard ist bereits festgelegt, es geht dabei überhaupt nicht um eine "versteckte Botschaft", sondern darum, dass sich jeder AN daran halten muss, schließlich ist das auch nachvollziehbar, denn den Ex-AN begleitet dieses Dokument nun mal bei jeder Bewerbung. 
Wer als AG nicht einmal in der Lage ist oder sich die Mühe macht, ein fehlerfreies Zeugnis zu erstellen, mit Verlaub, der zeigt nicht gerade Respekt gegenüber diesem AN.



"Das Arbeitszeugnis war gut geschrieben und auch so gemeint." --> sagt wer? 

Mein Fazit:

Ich wüsste also wirklich nicht, was die Bewertung ausschließlich in Noten daran besser machen würde. 

Nun hat ein ehemaliger Mitarbeiter geklagt, da er meint im Arbeitszeugnis würde Ihn das wie ein Mitarbeiter zweiter Klasse aussehen lassen. Die Sache liegt mittlerweile in der Berufung.

Darüber kann man wirklich streiten? Nun ja, wenn es das übliche Briefpapier der Firma ist, sollte das normalerweise kein Problem sein. Aber das wird das Gericht entscheiden.

Jedoch will man jetzt das Arbeitszeugniskonzept neu überarbeiten.

Wer will das? Wer ist "man"?

Selbst Rechtschreibfehler, die versehentlich passieren, werden als versteckte Botschaft interpretiert.

Das ist nicht neu! Zeugnisse haben nun mal frei von solchen Fehlern zu sein.

Man hat nun ein Konzept nach Schulnoten entwickelt.

Nochmal: Wer ist "man"?

Könnte so ein Konzept die Geheimsprache-Tradition von Arbeitszeugnissen Beenden?

Naja, so geheim ist die "Geheim-Sprache" gar nicht.

Arbeitszeugnisse sind ein ganz heikles Thema.

Spielen wir deinen Vorschlag durch. Es findet eine gesetzliche Novellierung dahingehend statt, dass ein Arbeitnehmer Anspruch auf ein wohlwollend qualifiziertes Zeugnis hat und die Benotung in Schulnoten auszudrücken ist. Du kannst sicher sein, dass es dabei nicht bleiben wird. Es wird sich, gerade bei Führungskräften, einbürgern, dass neben ein Zeugnis Empfehlungsschreiben oder ähnliche Dokumentation erfolgt. Ist es dann schon eine Beurteilung, wenn kein Empfehlungsschreiben folgt? Ergibt sich dann plötzlich doch ein Anspruch auf ein Empfehlungsschreiben? Wie geschrieben, nur als Gedankenspiel.

Zum einen denke ich, dass Zeugnisse generell überbewertet sind. Zum andern hat es jeder in der Hand für ein eigenes gutes Zeugnis zu kämpfen. Zurzeit fehlt mir jedenfalls die Fantasie eine irgendwie geartete rechtliche Regelung zu erdenken, die hilft

Das Arbeitszeugnis war gut geschrieben und auch so gemeint.

Das weißt du, weil...?

Es besteht die Befürchtung, das alles Negativ interpretiert wird.

Nein, das ist falsch. Je nach Kontext kann bzw. muss man einzelne Formulierungen oder Sätze unterschiedlich interpretieren: bspw. muss man einem Mitarbeiter Ehrlichkeit bescheinigen, wenn er Zugang zu Bargeld hatte (Voraussetzung ist, dass er tatsächlich ehrlich war). Komisch käme das aber bei einer Pflegekraft - da wäre das u. U. ein Hinweis auf ein Eigentumsdelikt.

Selbst Rechtschreibfehler, die versehentlich passieren, werden als versteckte Botschaft interpretiert.

Das ist dir neu? Da man als AN ein Anrecht auf ein fehlerfreies Zeugnis hat, sind Fehler ein Zeichen von mangelndem Respekt dem AG gegenüber. Ein Zeugnis voller Fehler wirft aber ein schlechtes Licht sowohl auf den ehemaligen AG (Stichwort: mangelnder Respekt) als auch auf den AN (hat sich aus Desinteresse nicht um ein fehlerfreies Zeugnis gekümmert).

Man hat nun ein Konzept nach Schulnoten entwickelt.

Wer?

Auch eine Reform der Arbeitszeugnisgestaltung würde es nicht einfacher machen.

Man hat eben schon damals sich für die Textform und gegen das Notensystem entschieden, da es einmal nicht jeder Arbeitnehmer lesen können soll und zum anderen, um sich davor zu schützen, dass Reklamationen und Klagen überhand nehmen.

Auch für einen AG kann es eine Zumutung sein, einen Mitarbeiter, der wirklich nichts geleistet hat und zudem durch Fehlverhalten auffiel, noch positiv beurteilen zu müssen.