Findet ihr die "Kommissarin-Passage" gelungen?
Kriminalkommissarin Lena Voss blättert durch Andys Akten. Die Räume im Kommissariat sind schon längst verlassen, die stille Dunkelheit um sie herum lässt sie einsam zurück. Sie verschmilzt mit ihrem Stuhl und klebt an ihrem Schreibtisch. Darauf stapeln sich Akten, Unterlagen und ein Laptop, welcher ihre Netzhaut mit schimmernden Blau bestrahlt. Neben ihrem Ellenbogen leuchtet ergänzend eine Tischlampe wie ein Spotlight auf Andys Vergangenheit.
„Andy Kreuzmann wendete in einer Nierentransplantation nicht standardisierte Methoden an […]“
„Eine Operationshelferin verwies auf problematische Handhabung, Herr Kreuzmann schmetterte den Vorwurf ab […]“
„Die Gefäßbeschaffenheit verlangte ein Ultima Ratio. Diese außergewöhnlichen Umständen veranlassten Herrn Kreuzmann zu anderen Maßnahmen auszuweichen […]“
„[...] basierend auf einer akuten Notlage und keiner Feststellung einer Tötungsabsicht spricht das Gericht ihn frei […]“
„Die Ärztekammer sprach aus Gründen der Gefahrenbewertung Berufsverbot aus.“
Andy hat dieses Urteil der Ärztekammer wohl nie akzeptiert. Die Ärztekammer hat ihm ständig auf die Finger gehauen, weil er dazu neigte, umstrittene Methoden zu bevorzugen. Mehrere Schreiben von ihm mit der Randnotiz „Ihr dummen Laien!“ zeugen von Hass. Je häufiger seine Bemühungen abgelehnt wurden, desto vulgärer wurde seine Ausdrucksweise, bis ein Anwaltsbrief ihn ausdrücklich verwarnte.
Lena fährt ihre Hände durch ihre mittellangen, schwarzen Haare, ihr Kopf vor Erschöpfung nach hinten geneigt. „Was ist dieser Mann bloß für eine absurde Figur?“
Sie schwingt ihren braunen Stiefel auf den Tisch, die Papiere wirbeln auf den Boden, durch die verlassenen Räume schallt es durch und ihr Schreibtisch knackst. Darauf folgend schmeißt Lena ihren zweiten Stiefel auf den Tisch und es kracht ein weiteres mal.
Ihr Stuhl kippelt nach hinten, sie schließt die Augen und die Decke schaut auf sie herab. „Ein besessener Vater, der seine schwer verletzte Tochter aus dem Krankenhaus entführt“. Ihr Körper entspannt, die Arbeitsbelastung lässt sie von sich fallen und schließt mit dem Arbeitstag ab. „Dieser Fall wird mir noch so einige schlaflose Nächte bereiten, da bin ich mir sicher“.
Ihre offene, braune Jacke schlaff über ihr lockeres, weißes Shirt. Ihre ausgebeulte Taschen von ihrer pechschwarzen Cargohose sind mit allerlei Gerümpel gefüllt, als würde sie sich alles einstecken aber niemals entleeren.
Nach einem langanhaltendem Stöhnen schoss der Stuhl unter ihr weg, begleitet von einem Schrei „SCHEIßE!“. Lena verkrampft in eine Embryostellung. Ihre Hände hält sie schützend um ihren Kopf, das Stuhlbein – durchbrochen – liegt direkt neben ihr. Sie kneift die Augen zu einem Blickfeld wie durch einen Schlitz. Ein Foto drängt sich ihr auf, sie hält es sich vor die Nase: „Ist das seine Mutter?“
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