Also über deine These kann jeder Theologe nur mehr den Kopf schütteln! Was ich nicht verstehe ist, das du soviel Unwahrheit in deinen Aufsatz einbaust! Aber ich komme noch auf jeden einzelnen Punkt zurück!
Deshalb starte ich als erstes mit dem Anfang, wie wurde das Christentum zur stärksten Religion der Welt!
Es gibt zwei Wege, wie sich Religionen ausbreiten: Innerhalb einer Gesellschaft, eines Stammes, und außerhalb in anderen Gesellschaften/Kulturen/Stämmen.
Die Weitergabe innerhalb einer Gesellschaft beruht heute zum größten Teil auf der religiösen Erziehung der Kinder. Es gibt aber auch zwei weitere Wege: Missionierung und Zwang (Gewalt, Ausübung von Druck, Zwangskonvertierung).
Innerhalb des Judentums finden wir eine Weitergabe fast ausschließlich über religiöse Erziehung der Kinder. Missionierung gibt es praktisch nicht (mehr), und Zwang ebenso wenig.
Im Christentum wurden hingegen alle Wege beschritten:
Missionierung weist dabei nur sehr geringe Erfolge auf. 1.200 Jahre christlicher Missionierung in China führten zu einer Quote an Christen von weniger als 5%. Anders der Buddhismus, der sich ausschließlich über Missionierung verbreitet hat, und dem es gelang, große Teile der chinesischen Bevölkerung zu konvertieren — aber auch über einen sehr langen Zeitraum.
Es gehört zu den unglaublich zählebigen Falschinformationen, dass sich das Christentum in der Antike mit rasender Geschwindigkeit ausgebreitet hätte. Tatsache ist, dass es mehr als zwei Jahrhunderte brauchte, um von einem kleinen Kern aus zu einer überhaupt nennenswerten Größe zu werden.
Man schätzt, dass es im römischen Reich im 2. Jahrhundert weniger als 0,2% Christen gab. Plinius, um 115, schreibt an den Kaiser mehrere Briefe, in denen es darum ging, wie mit Christen umzugehen ist. Plinius, obwohl weitgereist und Verwalter mehrerer Provinzen, kennt keine Christen und muss erst nach ihnen suchen. Vor allem trifft er aber auf Ex-Christen, also Menschen, die den Glauben bereits verlassen haben.
Das gehört zum "festen Inventar" aller großen Glaubensrichtungen: Man zählt, wer zum Glauben konvertiert, aber man verschweigt, wie viele den Glauben oft schon nach kurzer Zeit wieder verlassen. Aus diesen Raten ohne die Berücksichtigung derer, die den Glauben aufgeben, rechnet man sich dann seine Zahlen schön — vor allem schön hoch. So behaupten heute Muslime, dass es 1,5 Milliarden Muslime gibt, aber es sind eher 1,2 Milliarden, und da sind wiederum die Ex-Muslime nicht mitgerechnet. Bei sog. islamischen Ländern werden 100% der Bevölkerung jedweden Alters — inklusive aller Säuglinge — zu den Muslimen gerechnet, während wir beispielsweise aus Saudi Arabien wissen, dass es dort mehr als 5% Atheisten gibt, und vermutlich ist die Zahl eher größer, und in anderen Ländern noch viel höher.
Zurück zum Christentum:
Dazu muss man hinzufügen, dass zwar behauptet wird, dass Christen im römischen Reich verfolgt wurden, aber wenn man genauer hinsieht, so ist auch das eine durch Märchen verbreitete Falschinformation, siehe: Moss, Candida R. 2013. The myth of persecution: how early Christians invented a Story of Martyrdom. 1st ed. New York: HarperOne. Praktisch alle der Märtyrerlegenden sind frei erfunden! Selbst die Stelle bei Tacitus, in der beschrieben wird, dass Nero Christen verfolgen ließ, ist frei erfunden, siehe Detering, Hermann. 2011. Falsche Zeugen: ausserchristliche Jesuszeugnisse auf dem Prüfstand. 1. Aufl. Aschaffenburg: Alibri. Die Textstelle ist anachronistisch, weil um das Jahr 64 herum es keine Christen gab — jedenfalls keine Gruppe, die sich so nannte. Selbst Paulus kennt den Ausdruck "Christen" nicht und benutzt ihn nicht.
Das Christentum wuchs also nicht erstaunlich schnell, sondern so unauffällig langsam wie viele andere Sekten.
Das änderte sich schlagartig mit dem Kaiser Konstantin, der eine neue Staatsreligion haben wollte und sich dazu des Christentums bediente. Konstantin, ein skrupelloser Machtmensch, der durch Verwandtenmord seine Stellung erreicht hatte, erkannte das Potenzial des Christentums zur Ausübung von Herrschaft. Er formte das Christentum nach seinen Vorgaben, blieb aber vermutlich bis kurz vor seinem Tode oder sogar bis zu seinem Tode ein Heide (die Angaben dazu sind widersprüchlich, siehe Deschner, Karlheinz. 1996. Kriminalgeschichte des Christentums. Bd. 2, Die Spätantike: von den katholischen „Kinderkaisern“ bis zur Ausrottung der arianischen Wandalen und Ostgoten unter Justinian I. (527-565). Reinbek bei Hamburg: Rowohlt).
Zunächst wurde das Christentum als gleichberechtigte Religion anerkannt, dann wurde es zur alles beherrschenden Staatsreligion. D. h., als römischer Bürger musste man Christ sein, lediglich Juden wurden als Ausnahme anerkannt. Es begann die Zeit der systematischen Vernichtung des Heidentums, heidnische Priesterinnen und Priester wurden ermordet, Tempel geschleift und auf ihnen christliche Kirchen erbaut.
Kurz: Im römischen Imperium wurde das Christentum "von oben" mit brutaler Gewalt durchgesetzt. Damit begann auch die Zeit der religiösen Kindererziehung.
Wenn man sich die Ausbreitung des Christentums genau ansieht, dann bemerkt man schnell ein Muster (außer, man ist Christ, dann ist man zu sehr mit der Leugnung von Fakten beschäftigt, um dafür einen Blick zu haben): Länder, die von Rom, und später dem von Rom aus christianisierten Europa aus erobert wurden, wurden innerhalb recht kurzer Zeit christlich. Länder, die nicht erobert wurden, wurden auch nicht christlich. Wenn man also heute ein christliches oder überwiegend christliches Land sieht, muss man sich nicht fragen, ob es erobert wurde, sondern nur wann. Wenn man ein Land sieht, das nicht überwiegend christlich ist, sondern nur eine sehr kleine christliche Minderheit, dann weiß man, dass es nie von Christen in nennenswertem Umfang erobert wurde. Oder die Eroberung bzw. Kolonialisierung erfolgte erst sehr spät, die Engländer haben beispielsweise Indien nicht christianisiert.
Die Christianisierung der Welt folgt den Eroberungen und Militärzügen christlicher Reiche und Nationen. Das ist so offensichtlich, dass Christen eine "Heidenarbeit" damit haben, das zu leugnen.
Mit der Eroberung beginnt dann meist der Zwang. Den geschlagenen Sachsen blieb nur übrig, sich entweder zwangstaufen zu lassen, oder sie wurden umgebracht. So erging es vielen Völkern. Nebenbei wurden dann die Kinder für den christlichen Glauben zwangsrekrutiert. Manchmal, wie bei den Wikingern, ging es auch friedlich zu, da konvertierte eine König zum christlichen Glauben und der Rest seines Volkes folgte folgsam.
Wer heute ein Christ ist, der ist es meistens aus einem eindeutig zu identifizierenden Grund: Seine Vorfahren wurden von Christen unterworfen. Demgegenüber steht das Märchen, dass die meisten Völker das Christentum irgendwie "herbeigesehnt" hätten. Das ist natürlich Quatsch, kein Volk gibt gerne seine religiösen Traditionen auf — frag' mal Christen, wie bereit sie wären, das zu tun. Natürlich gibt es auch immer einen Teil der Unterworfenen, die Traditionen des Siegers annehmen, weil sie damit selbst zu den Siegern gehören (ein wenig Stockholm-Syndrom spielt da eine Rolle).
Man kann sich überlegen: Wenn schon Christen, die ein bisschen vom "rechten Glauben" abwichen (damals meist römisch-katholisch), als Häretiker/Ketzer verfolgt, gefoltert und umgebracht wurden — wie erging es wohl den Leuten, die den Glauben insgesamt ablehnten? Dabei brachten die Christen an so manchen Tagen an einem Tag mehr Ketzer um, als während der 300jährigen Christenverfolgung an Christen starben.
Noch heute kennen wir daher die Redensart "er musste dran glauben" als synonym für "sterben". Man musste entweder glauben, oder man musste dran glauben … Taufe oder Tod! Man bezeichnet das auch mit dem Begriff "Schwertmission".
Man darf auch nicht vergessen: Um hunderttausend Menschen zu terrorisieren und zu überzeugen reicht es oft schon, wenn man einen von ihnen umbringt. Dan erhält man Zugriff auf die Kinder, und die behalten ihre anerzogene Religion meist ein Leben lang bei. Eine Konvertierung ist eher selten.
Wenn also heute Christen behaupten, man were nur durch "freien Willen" zum Christen, oder es gäbe keinen Zwang zum/im Glauben, so ist das ein rein geheucheltes Lippenbekenntnis. Es mag sein, dass es heute so ist, aber das kann man kaum auf die Geschichte rückprojizieren.
Man sollte bedenken: Die Juden missionieren nicht, und daher gibt es heute nur etwa 15 Millionen Juden. Die Buddhisten brauchten 2.500 Jahre, um durch reine Missionierung es auf etwa 400 Millionen zu bringen. Wenn sich das Christentum friedlich verbreitet hätte, läge ihre Zahl irgendwo dazwischen — und zwar näher an den 15 Millionen, wenn man sich ihre Missionserfolge in dem Teil der Welt ansieht, den sie nicht erobern konnten. In Japan gibt es heute beispielsweise 0,2% Christen — einzig und alleine aus dem Grund, dass Japan nie von Christen erobert wurde. In China knapp 5% nach 1.200 Jahren der Missionierung.
Wirklich groß wird man als Religion nur durch Gewalt, oder über einen sehr langen Zeitraum — und da reden wir von mehreren Jahrtausenden.
Das Problem des Christentums ist: Kinder können es sehr leicht glauben, aber Erwachsene, kritische Menschen tun sich damit sehr schwer. Wenn man nicht kulturell vorgeprägt ist, ist die Geschichte von Jesus derartig widersinnig und hanebüchen, dass man es kaum glauben kann. Oder, wie meine Frau sagte: Sie kann immer noch nicht begreifen, wie sie das alles jemals hat glauben können.
In der DDR reichten zwei Generationen ohne religiöse Kindererziehung, um das Christentum zu marginalisieren. Das konnte durch Missionierung nicht aufgehalten werden, nach der Wende haben sich die Austritte aus den Kirchen beschleunigt. Das wäre auch bei uns der Fall, das Christentum würde zu einer kleinen Minderheitenreligion, sobald man den Zugriff auf die Kinder verlöre.
Zum Abschluss des ersten Teiles: das Christentum in Europa ist in 30-50 Jahren auf max 30% geschrumpfen! Der Atheismus aber wird die 60% erreichen!