Ist schon eine Weile her, als ich mich zuletzt mit der Tellgeschichte
auseinandergesetzt habe, meine beste Vermutung wäre, dass Tell bis dahin
noch zu wenig gelitten hat und Gewalt selbst gegen schlechte Menschen
für falsch hält.
Zwar hilft er im 1. Aufzug 1. Szene einem Flüchtigen über den Urnersee,
verpasst dadurch aber die Zerstörung, die die Verfolger darauf
anrichten. Stauffacher versucht Tell zwar für seine Sache zu gewinnen
(1.A,3.S), doch der Rütlischwur (2.A,2.S) findet statt bevor Tell in Altdorf zum Apfelschuss (3.A,3.S) gezwungen wird, oder aus der Gefangenschaft entkommt (4.A,1.S)
Auch Tells Monolog kurz vor dem tödlichen Schuss in der hohlen Gasse
(4.A,3.S) zeigt, dass Tell den Mord an Gessler nicht gerne begeht, vielleicht sogar gelassen hätte, wenn Gessler nicht in jenem Moment eine Bittstellerin überreiten wollte.
Und in einem Gespräch zwischen Parricida und Tell (5.A,2.S) wird klar, dass Tell seine Tat als gerechte Notwehr sieht, den Mord an König Albrecht (einem weiteren Tyrannen und Unterdrücker) aber als grässlich sieht, weil er aus Gier begangen wurde („Darfst du der Ehrsucht blutge Schuld vermengen | mit der gerechten Notwehr eines Vaters?“)