Hallo StefanSt,
schön, dass du deinem Freund helfen möchtest !
Das, was du schriebst, kommt mir leider sehr bekannt vor, da ich (w, 19), selber gerade in der Lage bin.
Ist dein Kumpel denn gerade in psychotherapeutischer Behandlung? Sonst würde ich dir raten, dass du ihn vielleicht dazu bewegst nochmal eine Therapie zu machen, denn da sitzt eben ein Profi, der ihm viel viel besser helfen kann.
Ansonsten denke ich, dass du ihm helfen kannst, indem du ihn oft fragst, ob ihr etwas zusammen unternehmen wollt, geb ihm das Gefühl wichtig zu sein und das er mit dir über alles reden kann.
Natürlich denkt er oft über die Geschehnisse von Zuhause nach, da ist Ablenkung echt toll ! Eltern prägen ihre Kinder, sie konditionieren ihre Kinder auf ein bestimmtes Verhalten. Wenn man also immer gesagt bekommen hat, das man sowieso nichts kann und ein Versager ist, dann projeziert man das Gesagte auf das ganze Leben. Das Gefühl ein Versager zu sein wird nicht daheim bleiben, es verfolgt einen überall mit hin, egal wo, egal wie schön der Ort sein mag, an dem man ist.
Auch solltest du niemals versuchen ihm zu sagen: "Ach das was passiert ist, dass ist doch gar nicht so schlimm, anderen geht es viel schlechter"
Sowas habe ich auch schon erlebt. Zwar ist der Satz immer wieder gut gemeint, helfen tut der Satz aber nicht. Man fühlt sich eher schuldig und schwach dadurch.
Hab ein offenes Ohr, sag ihm, dass du auch einfach nur mal zuhörst, wenn er reden möchte und einfach da bist und das du GERNE für ihn da bist.
Auch wenn seine Eltern ziemlich schrecklich waren, er wird trotzdem versuchen immer noch sie zu beeindrucken, um vielleicht doch mal auch nur ein einziges positives Wort von ihnen zu ergattern. Das wird natürlich gar nicht, oder nur in den seltesten Fällen mal ausgesprochen.
Mir wird immer gesagt : "Sie können es ihren Eltern sowieso nicht recht machen, also leben sie ihr eigenes Leben, lassen sie sich nicht runterziehen. " (Therapeut)
Allerdings ist dies natürlich leichter gesagt, als getan, einfach weil man an diese Erziehungsmethoden gewöhnt ist. Ich versuche mir aber immer wieder dies in Gedanken aufzusagen. Es ist mein Leben, allein ich entscheide. Meine Eltern tun mir nicht gut, sie hatten all die Jahre Unrecht.
Langsam, aber sicher, beginne ich mich nun abzunabeln. Bald werde ich von Zuhause ausziehen (ist dein Freund schon ausgezogen, vielleicht wäre dies auch ein guter Schritt für ihn? Distanz soll sehr gut sein) und endlich mal anfangen zu leben.
Ich habe auch sehr große Versagensängste, bin schüchtern, habe psychische Probleme, aber wenn ich daran denke, was alles Zuhause passiert ist, dann kann ich nur nüchtern sagen: Hey, es kann nur besser werden.
Es ist ein langer Prozess der Besserung, wie lange musste auch dein Freund all das ertragen? Das kann man nicht alles in kurzer Zeit aufarbeiten.
Gib ihm ganz viel Zeit und eine wundervolle Freundschaft!
Allein das stärkt ziemlich.
Liebe Grüße, Denise