Nun ja, obwohl auch in den Olaplex Treatments 2 und 3 der eigentliche Wirkstoff (Crosslinker) enthalten sind, sind diese beiden Produkte wohl eher als Oberflächenkonditionierung des Haars gedacht, wodurch vorübergehend Haptik und Optik verbessert wird. Der Wirkstoff (Crosslinker) wirkt sich dagegen eher auf die Zugfestigkeit und Biegesteifigkeit des Haares aus.
Die Frage ist, ob der Wirkstoff (Crosslinker) hier in ausreichender Menge enthalten ist und in dieser Darreichungsform in genügender Menge ins Haar penetrieren kann.
Zu deiner eigentlichen Frage: Die eigentliche Verbindung (der Wirkstoff), die hier mit dem Haarproteinen reagieren kann, ist das Maleat - das Salz der Maleinsäure, auch als cis-Butendisäure bezeichnet. Die Reaktivität dieser organischen Säure liegt der Doppelbindung zugrunde, ebenso wie auch bei anderen Alkenen (z.B. Divinylsulfone), die in gleicher Art und Weise funktionieren.
Tatsächlich werden derartige, reaktive Verbindungen schon sehr lange verwendet, z.B. als Crosslinker in der Proteinchemie, in der Wollforschung und Wollverarbeitung oder auch in der Haarforschung. Es gibt einiges an Literatur zu diesem Thema. Zumeist werden jedoch die Amide dieser Maleinsäure verwendet: die Maleimide. Oder die oben genannten Divinylsulfone.
Allerdings reagieren diese Verbindungen im erfordlichen Maße lediglich mit anderen reaktiven chemischen Gruppen und zwar mit den Schwefelgruppen (-SH) des Cysteins, also den sogenannten Thiolgruppen (=Sulfhydrylgruppen) bzw mit deren deprotonierten Form (Thiolat-Ion).
Bei der Reaktion werden diese Schwefelgruppen mit Maleatgruppen modifiziert, sodass diese letztlich über eine stabile Thioetherbindung fest am Protein gebunden sind. Das ist allerding noch nicht die eigentliche Crosslinker-Reaktion, da in diesem Fall noch ein sogenannter Linker fehlt, also etwas, das vernetzend zwischen den Proteinen wirkt.
Tatsächlich hat unbehandeltes Haar einen höheren Gehalt an Thiolgruppen. Blondiertes Haar hat einen weitaus geringeren Gehalt an Thiolgruppen, dafür hohe Mengen der entsprechenden (nicht-reaktiven) Oxidationsprodukte, hauptsächlich Cysteinsäure (Sulfonsäure) sowie Oxidationsprodukte der Disulfidbrücken, nämlich Disulfidoxide. Ein höherer Gehalt an Thiogruppen resultiert aus reduktiven Haarbehandlungen.
Maleate/ Maleimide können nicht mit Disulfidbrücken reagieren und auch nicht mit den jeweiligen Oxidationsprodukten der Disulfidbrücken oder den Oxidationsprodukten der Thiolgruppen.
Daher ist das Produktversprechen, dass bereits geschädigte Disulfidbrücken wieder aufgebaut werden könnten, irreführend. Es kann nur so lange mit dem Haar reagieren wie noch intakte Thiolgruppen vorhanden sind.
Die zweite Aussage, dass neue Disulfidbrücken aufgebaut würden, ist ebenfalls irreführend, da bei diesen Reaktionen gar keine neuen Disulfidbrücken entstehen können, sondern lediglich artifizielle Brücken durch die entsprechenden Linkermoleküle. In diesen Produkten dient das PEGylierte Diamin Bis-Aminopropyl Diglycol als Linker zwischen den Maleaten.
Es gibt da verschiedene, erhältliche Linker (die eigentlichen Brücken) am Markt.
Bei den og. Maleimiden sind diese Linker sogar fest an den Maleaten gebunden. Bei der Verbindung, die Olaplex verwendet, ist der Linker nur ionisch an den Maleaten gebunden.
Ich habe hierzu auch vor einiger Zeit ein Patentschreiben eines Konkorrenzunternehmens gefunden, das die Annahme vertritt, dass sowohl das Maleat als auch das Bis-Aminopropyl Diglycol direkt als Linker zwischen den Haarproteinen fungiert und somit beide Komponenten eine entsprechende Wirkung eher über Ionen- und Wasserstoffbrückenbindungen entfalten, so wie auch andere organische Stoffe , die in der Haarpflege zum Einsatz kommen.
Fazit: Der Wirkstoff kann unter gewissen Umständen durchaus Reaktionen mit Haarproteinen eingehen, allerdings nicht so wie vom Hersteller angegeben (die jeweiligen Patente sind da eher an der Wahrheit). Und ob's viel bringt hinsichtlich einer Verbesserung der Zugfestigkeit gegenüber anderen Verbindungen, ist eine andere Frage. Gewünschte Haptik und Optik der Haare wird durch gewöhnliche Konditioniermittel erreicht, die in NO2 und NO3 enthalten sind.
Verursachte Schäden (durch Oxidation) kann es jedenfalls nicht wieder reparieren.
Da es mit intakten Thiolgruppen reagiert, die in unbehandelten Haaren sogar in höheren Mengen vorhanden sind, ist hier eigentlich sogar eine höhere Anzahl möglicher Reaktionen (Modifizierung der Thiolgruppen) zu erwarten.