Viele neigen dazu, ihre Kindheit im Nachhinein zu verklären. Mit den vielen süßen Fotos in der Schublade und der tollen Kinderschokoladenwerbewelt ist das auch ganz einfach. Aber in Wirklichkeit war Kindheit nicht immer cool. Wir mussten zwar noch keine Verantwortungen tragen, aber durften auch kaum Entscheidungen treffen- Spinat, lange Unterhosen, frühe Bettzeiten, Fernsehverbot und Stubenarrest, wenn wir uns mal schlecht verhalten haben, und wenn wir uns ungerecht behandelt fühlten, hatten wir meist keine Möglichkeit, uns zu wehren bzw. unsere Sicht der Dinge durchzubringen. Die Welt lag noch vor uns, aber selbst die Nachbarstadt war schon eine Weltreise entfernt und von all den schönen Orten konnten wir nur träumen. Wir wurden nicht so ernst genommen von den Erwachsenen und haben uns bei ihren Gesprächen oft gelangweilt. Wir mussten zur Schule, wo wir kaum Wahlfreiheit hatten, der Willkür der Lehrer ausgesetzt waren, uns mit anstrengenden Mitschülern umgeben mussten. Wir haben viele peinliche Momente erlebt (insbesondere dann als Teenies), wir sind sicherlich alle das ein oder andere Mal gedemütigt worden und waren völlig ohnmächtig. Und wir haben fast alle davon geträumt, so schnell wie möglich erwachsen zu werden.
Natürlich ist das Erwachsensein nicht perfekt, aber das ist Kindsein auch nicht. Jetzt erscheint es dir erstrebenswert, aber vergiss nicht all die Freiheiten, die du jetzt genießt. Du könntest morgen zu deinem, Arbeitgeber gehen und die Kündigung einreichen, wenn es dir zu viel wird. Du könntest morgen in den Zug oder den Flieger steigen und irgendwohin fahren. du könntest dort jobben, um dir deinen Lebensunterhalt zu verdienen und schöne Orte sehen und tolle Leute kennenlernen. Wahrscheinlich wirst du vieles davon nicht machen, weil es dir das nicht wert ist, aber du kannst unheimlich vieles, was du als Kind niemals auch nur ansatzweise in dem Maße hättest tun können.
Und dann ist es natürlich auch vollkommen müßig, dich in deine Kindheit zurückzusehnen. Du wirst niemals wieder Kind sein. Dieser Wunsch bringt dir nichts, er ist nur destruktiv, weil er dich unter deiner Situation leiden lässt. Statt dich in unrealistische Träume zu flüchten, überleg dir doch mal, wie du das Jetzt ein bisschen schöner gestalten kannst. Eine Ausbildung ist natürlich gerade am Anfang sehr anstrengend, aber wie alle Azubis und Berufstätigen kannst auch du neben deiner Tätigkeit noch Freizeit und Privatleben haben. Als Erzieherin hast du vermutlich die Wochenenden frei und wirst abends vllt mal bis sechs arbeiten müssen, aber vermutlich nicht bis zehn, oder? Dann hast du noch Zeit, um Sport zu treiben, einem anderen Hobby nachzugehen oder dich für ein Stündchen mit guten Freunden zu treffen oder auch zu Hause einfach faul rumzuliegen, zu lesen und Musik zu hören. Du wirst deinen Rhythmus da noch finden müssen, aber das wirst du hinkriegen.
Und Angst vor der Zukunft ist übrigens auch eine total blöde Sache. Ich wusste vor zwei Wochen noch nicht, wie es im Januar weitergehen würde für mich und das hat mich ziemlich fertig gemacht. Jetzt habe ich eine Zusage für ein Auslandsjahr in meinem Wunschprojekt in meinem Wunschland bekommen und alles hat sich zum Besten ergeben. Ich habe mir völlig umsonst einen Kopf gemacht. Dazu habe ich einen schönen Spruch gelesen: "In meinem Leben habe ich unwahrscheinlich viele Katastrophen erlebt. Die meisten davon sind nie eingetreten." Also, kümmer dich darum, dass es dir heute gut geht. Um deine Zukunftsprobleme kannst du dich kümmern, wenn sie irgendwann mal tatsächlich eingetreten sein sollten.