zwei welten theorie platons?

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Bücher über Platon und seine Ideenlehre enthalten Erklärungen, z. B.:

Michael Erler, Platon. Beck : München, 2006 (Beck`sche Reihe: bsr - Denker; 573), S. 146 – 148 und 162 – 168

Ich versuche eine zusammenfassende Darstellung zum Thema:

Platon unterscheidet:

1) Welt der Ideen

2) Welt der Erscheinungen

zu 1): Die Welt der Ideen ist ein Bereich des Seienden, zeitunabhängig, unkörperlich, unwandelbar. Eine Idee kann als innere Form, die spezifische (besondere) Natur (das Wesen) einer Sache verstanden werden.

Ohne Ideen gibt es nach Platons Lehre kein Wissen, keine Erklärung der Wirklichkeit und kein begründbares moralisches Handeln. Das Denken kann nur etwas erfassen, das etwas Bestimmtes ist. Dazu ist etwas erforderlich, das gleich bleibt und ein identisches Ganzes als Sacheinheit darstellt. Ohne das Gerechte an sich, die Idee des Gerechten als das Gerechte in vollkommener Reinform ist es nicht möglich, etwas als gerecht oder nicht gerecht zu erkennen/zu beurteilen. Es fehlt ein Maßstab. In etwas einzelnem Gerechten ist auch etwas enthalten, das nicht in allem anderen, das gerecht ist, enthalten ist. Ohne Unterscheidung kann nichts einfach auf alle anderen Fälle übertragen werden. Platon versteht diese bestimmte Wesenheit, die Idee (ἰδέα oder εἶδος genannt), als grundlegend. Die Idee ist vom Sein her vorrangig.

zu 2): Die Welt der Erscheinungen, der Einzeldinge, ist der empirische Bereich (Gegenstand von Erfahrung) mit in Sinneswahrnehmung erscheinenden Dingen (Phänomene), ein Bereich des Werdens und Vergehens (vergänglich).

Nach der Lehre Platons sind die Ideen wirklich Seiendes, in sich selbst gleiche (mit sich selbst identische) Wesenheiten. Sie gehören zu einer Welt der Ideen, einem Bereich für das Denken einsehbarer Objekte. Die Ideen bilden einen nur geistig erfassbaren Bereich, an dessen Spitze die Idee des Guten steht. Nach einer Aussage bei Platon ist die Idee des Guten (ἡ τοῦ ἀγαθοῦ ἰδέα Politeia 517 c) sogar kein Sein, sondern liegt jenseits des Seins und übertrifft es an Alter und Kraft (οὐκ οὐσίας ὄντος τοῦ ἀγαθοῦ, ἀλλ’ ἔτι ἐπέκεινα τῆς οὐσίας πρεσβείᾳ καὶ δυνάμει ὑπερέχοντος Politeia 509 b).

Die Einzeldinge haben zu den Ideen eine Verbindung, die in bildlich-übertragener Ausdrucksweise ein Urbild-Abbild-Verhältnis genannt werden kann (ein Muster/Vorbild [παράδειγμα] und ein Abbild [εἰκών; εἴδωλον]). Platon schreibt von einer Teilhabe (μέθεξις) der Einzeldinge an den Ideen. Im Einzelding gibt es eine Anwesenheit/Gegenwärtigkeit (παρουσία) der Idee. Zwischen Idee und ihr zugehörigem Einzelding gibt es eine Gemeinschaft (κοινωνία).

Einzeldinge sind teils Idee, teils Nicht-Idee (etwas, das nicht dem Wesen nach notwendig zu dem bestimmten Etwas, welches die Idee ist, gehört). Ideen sind nur rein die bestimmte Sache selbst. Ein einzelner Tisch ist z. B. etwas, das zu jedem Tisch gehört (dabei ist die Funktion, etwas darauf stellen/setze/legen zu können, wesentlich), und etwas, das nicht jeder Tisch notwendig ist (z. B. die Form oder das Material – rund oder viereckig, aus Holz oder Kunststoff).

Das Erfassen der Idee als Ganzes, als Sacheinheit, leistet nach Platon die Vernunft und zwar das einsehende Denken (νόησις). Das hin- und herlaufende (diskursive) Denken (διάνοια), das eher als Verstand bezeichnet werden könnte, ist beim Erkenntnisvorgang beteiligt.

Die Erkenntnis durchläuft (vgl. dazu vor allem Platon, Politeia 508a – 509d [Sonnengleichnis]; 509d – 511 e [Liniengleichnis]; 514 a– 521 b und 539 d – 541 b [Höhlengleichnis]) folgende 4 Phasen (die 2 für die sichtbare Welt [ὅρατος γένος/τόπος] gehören zur Meinung [δόξα], die 2 für die denkbare Welt [νόητος γένος/τόπος)] zum Wissen [ἐπιστήμη] der Vernunft [νοῦς]):

1) Mutmaßung (εἰκασία)

2) Fürwahrhalten (πίστις)

3) hin- und herlaufendes (diskursives) Denken (διάνοια)

4) einsehendes Denken (νόησις)

Platon hat nach antiken Zeugnissen eine Prinzipienlehre (griechisch ἀρχή = Prinzip) vertreten, zu der es in den schriftlichen Dialogen nur einige andeutende Hinweise gibt. Platon hat sie mündlich vorgetragen („ungeschriebene Lehre“) und mit anderen erörtert. Als Prinzip der Einheit verleiht das Eine (ἕν) als Idee des Guten allem Grenze und Bestimmung und damit Existenz und Erkennbarkeit. Zu diesem ersten Prinzip tritt – ihm auf gewisse Weise untergeordnet – als ein zweites Prinzip die unbegrenzte/unbestimmte Zweiheit (ἀόριστος δυάς), von der die Vielheit abgeleitet ist. Dieses Materialprinzip für Ideen und Sinnendinge wird auch als Groß – Kleines (μέγα καὶ μικρόν) bezeichnet.

Unter Wikipedia "Platon" findest Du eine ausführliche Antwort, sehr differenziert, denn seine Vorstellung von zwei Welten entwickelt sich und verändert sich auch.

Man muss davon ausgehen, dass Platon die erlebte Umwelt zu chaotisch, ungeordnet, vorgekommen ist mit zuviel Schlechtem. Nichts in dieser Welt ist sicher, alles ändert sich ständig. Er wird Heraklit "Alles fließt" gekannt haben, aber er hat dies als negativ empfunden.

Natürlich gab es zu seiner Zeit schon Vorstellungen von einer "besseren Welt der Götter", obwohl die sich da ganz schön gekloppt haben. Auch diese Vorstellungen waren wohl noch zu chaotisch. Doch es war eine Welt des Ewigen, des Beständigen. In dieser Welt musste doch das Beständige, das ewig Wesentliche zuhause sein, dem man in dieser irdischen Welt des Vergänglichen immer nur in Unreinheit, Unbeständigkeit und Vermischung begegnet. In dieser ewigen Welt ist das Wesen des Guten, des Schönen zu finden, der Gerechtigkeit. Diese Welt ist positiv. Das Negative hier - wie Ungerechtigkeit - hat kein ewiges Wesen, sondern ist nur die unbeständige Verstümmelung des Gerechten, oder sogar die Abwesenheit davon. Das Göttliche der ewigen Welt ist die höchste Vernunft, kein Göttergetümmel, die fressen und saufen. Die reinen Wesentlichkeiten der Dinge, die Ideen, sind keine Hirngespinste, Ausgedachtes, sondern realer als diese vergängliche Welt hier. Sie sind sein Ursprung, die vergängliche Welt nur ihr schlechtes Abbild.

Könnte man fragen, wieso es eigentlich diese vergängliche Welt mit den unreinen Abbildern der ewig reinen Ideen überhaupt gibt. Andererseits, wieso fragen, wir leben doch darin, erfahren jeden Tag die Vergänglichkeit, die Negativer heruntergekommener Ideale. Die Frage ist eher, wie kommen wir zurück in die beständige, schöne Welt des Guten und Unvergänglichen?

wie immer eine tolle Antwort, DH!

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