Warum ist "Der Lindenbaum" ein variiertes Strophenlied?

2 Antworten

Hallo Isksks,

es gibt das Strophenlied, in dem es eine musikalische Strophe gibt, die für jede Text-Strophe wiederholt wird. Kirchenlieder und Volkslieder sind immer Strophenlieder, auch viele Kunstlieder.

Dann gibt es das durchkomponiert Lied, in dem es praktisch keine Wiederholungen gibt. Es ist die freie Form, die Musik kann sich durchgehend eng an den Text anlehnen und ihn ausdeuten.

Und dann gibt es noch den Kompromiss, das Mittelding, das variierte Strophenlied. Es hat die Merkmale von beiden, vom Strophenlied und vom durchkomponierten Lied.

Ein solches variiertes Strophenlied ist Der Lindenbaum aus dem Liederzyklus Die Winterreise von Franz Schubert.
Das Lied ist klar strukturiert, die drei Strophen gut zu erkennen:

1. Strophe (einschließlich Vorspiel) Takt 1 - Takt 24
sehr einfache, fast choralartige Begleitung
2. Strophe (einschließlich Zwischenspiel) Takt 25 - 44
beginnt in Moll, endet in Dur, die Singstimme ist mit der 1. Strophe nahezu identisch, nur das Tongeschlecht (Moll) weicht anfangs ab. Die Begleitung ist durchgehend bewegter.
3. Strophe (einschließlich des sehr kurzen Vorspiels und des Nachspiels) Takt 45 - Ende
Die erste Hälfte des Textes ist musikalisch frei gestaltet, ganz anders als die ersten beiden Strophen: Die Singstimme hat eine neue Melodie, die Begletung ist durch die rollende Figur des Vorspiels geprägt. Die zweite Hälfte des Textes wird auf die Melodie der 1. Strophe gesungen, durch Textwiederholungen auf die entsprechende Länge gebracht. Die Begleitung lehnt sich an die Triolen-Motive der 2. Strophe an.

Du siehst: Sowohl Merkmale des Strophenliedes wie auch Merkmale der freien Form sind deutlich zu erkennen und prägen Form und Struktur.

LG
Arlecchino

Weil die Melodien der Strophen nicht exakt gleich sind, sondern ähnlich - zum Beispiel die zweite Strophe in Moll statt Dur.