Wieso hat der Mathematiker Grigori Jakowlewitsch Perelman sowohl die Medaille als auch das Preisgeld für den Beweis der Poincaré-Vermutung abgelehnt?

3 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Hallo,

erstmal vielen Dank für deine Frage, die bei mir eine Wissenslücke gefüllt hat.

Ich habe einen Artikel gefunden, in dem etwas von den Gründen seiner Entscheidungen geschrieben wird:

Zitat:

Nun äußerte das Mathe-Ass erstmals mehr als einen Satz im Gespräch mit
Medien und erklärte seine Ablehnung des Preises: „Der Hauptgrund ist,
kurz gesagt, meine Unzufriedenheit mit der Organisation der mathematischen Gesellschaft. Mir gefallen deren Entscheidungen nicht, ich halte sie für ungerecht“, sagte Perelman.

Quelle:  https://goo.gl/S5frGH
(verweist auf einen Artikel des Handelsblatt)

Der Mann hat wohl starke Prinzipien und ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden, was ihn mir sympatisch macht.

Anscheinend forscht er auch nicht mehr in der Mathematik, zumindest nicht in einem offiziellen Rahmen. Jetzt habe ich Lust bekommen, mehr über ihn zu erfahren.

Seine Haltung erinnert mich ein wenig an den genialen Mathematiker Alexander Grothendieck, der die Fields-Medaille zwar angenommen hatte, sich aus politischen Gründen aber geweigert hatte, zu der Verleihungszeremonie nach Moskau zu reisen.

Grothendieck, erst kürzlich verstorben (2014), auch eine Jahrhundertfigur in der Mathematik, war überzeugter Pazifist.

Als er erfuhr, dass das IHES, eine renommierte Forschungseinrichtung in Mathematik und theoretischer Physik in Frankreich, vom französischen Verteidigungsministerium finanziert wurde, gab er seine Stelle als Forscher auf Lebenszeit dort auf, engagierte sich in der Ökologie, der Philosophie und als Pazifist.

Auch Grothendieck zog sich aus "der Szene" zurück und lebte in späteren Jahren zurückgezogen in den Cevennen und dann in den Pyrénéen, wo er 2014 einsam verstarb

Grothendieck hat ein interessantes Buch geschrieben, das nie verlegt worden ist und nur als pdf-Datei existiert: Récoltes et sémailles, das ich mit "Ernten und säen" übersetzen wurde. Er beschreibt dort sein Leben als Mathematiker, über "die Szene" (der mathematischen Forschung), mit der er manchmal hart ins Gericht geht.

Hier findet man ein paar Worte zu dem Text:

https://de.wikipedia.org/wiki/Alexander_Grothendieck#W.C3.BCrdigung

Er übt aber auch aufrichtige Selbstkritik. Was ich an dem Buch auch interessant finde, sind seine Gedanken zur mathematischen Forschung und zur Mathematik allgemein. Sein 1000-seitiger Text richtet sich dabei nicht an Mathematiker, sondern an alle Interessierten. Das Buch, also die pdf-Datei, gibt es leider nur in französischer Sprache.

Gruß

b03hnch3n 
Fragesteller
 31.05.2017, 22:51

Freut mich, dass ich dazu beitragen konnte, eine Wissenslücke zu schließen :-)

Das Preisgeld betrug immerhin 1 Mio Dollar...

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eddiefox  31.05.2017, 23:09
@b03hnch3n

Ja, das ist eine Menge Geld, und in Russland verdienen Grundlagenforscher nicht viel Geld.

Da muss man schon hohe Prinzipien haben, die man über materielle Werte stellt, um so viel Geld auszuschlagen.

Er hat z.B. seine Stelle beim Steklow-Institut 2005 gekündigt, aus Protest, dass nicht ausgegebene Forschungsgelder an die Mitarbeiter ausgezahlt  wurden. (laut Wikipedia).

Was dort nicht steht, ist Perelmans Auffassung, wie mit dem nicht ausgegebenen Geld umgegangen werden sollte. Ich vermute, dass er wollte, dass es für zukünftige Forschung verwendet wird, oder um Doktoranden zu finanzieren, solche Sachen hat. Das würde jedenfalls zu seinem Profil passen. Er wird mir immer sympathischer. :)

Jetzt lebt er ohne Anstellung bei seiner Mutter.

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eddiefox  04.06.2017, 09:18
@b03hnch3n

In einem anderen Artikel habe ich gelesen, dass Perelman im Steklow-Institut als Forscher 100 Euro pro Monat verdiente.^^

Ich wusste zwar, dass ein Forscher in Russland schlecht bezahlt ist, aber so schlecht, das war mir nicht klar.

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„Der Hauptgrund ist, kurz gesagt, meine Unzufriedenheit mit der Organisation der mathematischen Gesellschaft. Mir gefallen deren Entscheidungen nicht, ich halte sie für ungerecht“,

Soweit ich gehört habe, scheut er die Öffentlichkeit und den Rummel um seine Person. Und Geld bedeutet ihm wohl nichts.

Ein wirklich freier Mensch der Herr Jakowlewitsch Perelman.