Wie werden Funksprüche bei der Bundeswehr korrekt abgesetzt?

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„OCHSE, 2./Kp [Tarnbezeichnung] hat 9 KILO PAPA ZULU (KPz – Kampfpanzer Leopard 1) verloren, 3./Kp [Tarnbezeichnung] hat nur noch 5 gefechtstüchtige KILO PAPA ZULU, kommen.“

„KAVIAR, so verstanden. Ende.“

Dieser Funkspruch würde so nicht stattfinden, weil die verwendeten Füllwörter die Decknamen entschlüsseln würden. Ein korrekter Spruch würde so oder ähnlich lauten:

"Kaviar, hier Ochse. 9 (ND, verschlüsselt) Kpz (Raupe, verschlüsselt) zerstört ( Engpass, verschlüsselt). 3./Kp 5 (Bravo Zulu, verschlüsselt) gefechtsbereit (Platzhirsch, verschlüsselt)".

Also:

"Kaviar, hier Ochse, November Delta Raupe Engpass, Bravo Zulu Raupe Platzhirsch,, kommen."

"Ochse, hier Kaviar, verstanden, Ende."

Ein Authentisieren ist nur bei einem Funkteilnehmer notwendig,  der neu in einen Funkkreis eintritt.  Dies ist hier nicht notwendig,  weil davon auszugehen ist, dass der Gefechtsstand laufend mit seinen Kompanien spricht. Erst bei aufkommenden Zweifeln, ob der Angerufene echt ist, fordert man eine erneute Authentifizierung. 






Torben50 
Fragesteller
 05.10.2017, 08:03

Großartig! Besten Dank für die Aufklärung! Aber im Gefecht muss doch alles sehr schnell gehen, okay gut, die Decknamen für Verbände, Aktionen stehen natürlich alle in der Sprechtafel, daher ist dann auch sofort ersichtlich, dass Platzhirsch = gefechtsbereit bedeutet. Daher ist es absolut einleuchtend. Kurze Rückfrage zur Authentisierung. Wird nur ein einziges Mal authentisiert, wenn sich ein neuer Teilnehmer am Funkkreis anmeldet? In diesem Fall BrigFhrKs. Einnmal authentisieren und dann die ganze Zeit über nicht mehr oder vielleicht doch, wenn Verdacht besteht, dass sich ein neuer, nicht identifizierter Teilnehmer auf den Funkkreis aufgeschaltet hat?

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wiki01  05.10.2017, 08:35
@Torben50

Aus meiner Praxis kommt die Erfahrung, dass man nur einmal authentifizieren lässt, wenn der Gefechststand seinen Funkkreis erstmalig in Betrieb nimmt. Du kannst davon ausgehen, dass die Teilnehmer sich eh kennen. In meinem früheren Regiment erkannte ich jeden meiner etwa 100 Fliegerkameraden an der Stimme, so dass eine Identifizierung unnötig gewesen wäre. Nicht jedoch, wenn wir auf dem Gefechtsfeld uns erstmalig bei dem zu unterstützenden Bataillon oder der Division gemeldet habe. Man eröffnet da den Funksprechverkehr etwa mit : GefSt Division, hier Schwarmführer E, Rgt 15, melde mich als neuer Funkkreisteilnehmer, natürlich alles verschlüsselt. Danach wird der Gefechtsstand die Authentifizierung fordern, und danach möglicherweise erst wieder, wenn im Gefechtsstand die Schicht wechselt.

In der näheren Vergangenheit geht man bei der Kampftruppe aber mehr und mehr dazu über, die direkten Kampfgespräche im Klartext zu funken, denn der Informationsgehalt ist so kurzlebig, dass ein mithörender Feind in der Kürze der Zeit nicht darauf reagieren kann.

So würde ich in meinem Kampfhubschrauber eine erkanntes Feindziel immer im Klartext abgeben, denn 30 Sekunden später ist der erkannte Feind bekämpft.

So zum Beispiel: "Schwarmführer an Rottenführer 2, erkanntes Ziel bei Waldlichtung direkt vor Gittermast, Entfernung 4500, Richtung 220°,2 Kampfpanzer in Stellung, Feuer frei." Die Antwort wäre: "Ziel erkannt, Ende."

Kurz und knapp, keine Reaktionszeit des Feindes möglich.

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Torben50 
Fragesteller
 05.10.2017, 13:02
@wiki01

Hi Wiki01, herzlichsten Dank für Deine Ausführungen aus der Praxis, die mir sehr nützlich sind. Das macht absolut Sinn!! Vielen Dank dafür!

Dein Funkgespräch als Beispiel erinnert an CAS, jemand - Pz oder PzGrenKp hat über Fliegerleitoffizier (oder Joint Support xx wie das heutzutage heißt) Erdkampfflugzeuge angefordert. Also A10 "Warhogs" oder PAH Bölkow Bo-105 mit HOT-Raketen, um einen sowjetischen Panzerdurchbruch abzuriegeln. Eine hochspannende Geschichte! Für uns Panzergrenadiere wohl die Rettung, falls uns eine fdl. PzKp (T64 oder T80) aufgeklärt hätte.

Ich gehe aber davon aus, dass die Thematik Funksprechverkehr Heer in irgendwelchen ZDVs / HDVs geregelt ist, an die die Öffentlichkeit nicht rankommt.

Thema Funksprechverkehr: wie ich hörte, hat sich die ELOKA der NVA / Warschauer Pakt wenig um die Funksprüche einzelner Pz- oder PzGrenZg oder Kp gekümmert - das hätte auch jeden Rahmen gesprengt. Es spielte wohl keine große Rolle, ob der ALPHA-Zug gerade einen Feldposten Nähe A-Dorf, sondern anscheinend war vielmehr interessant für die ELOKA-Funker, wo sich die Hochwertziele des Gegners aufhielten.

Also Gefechtsstände auf Brigade-, Divisions-, Korpsebene, Feuerstellungen der Panzerartillerie, der Raketenartillerie, Versorgungspunkte, vielleicht noch wo stehen die FlakPz Gepard, etc. Aber welche Funksprüche sich Panzergrenadiere in einer nebeligen Nacht zukommen lassen, war wohl ohne großen Belang. Zumindest nicht für die ELOKA.

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wiki01  05.10.2017, 13:14
@Torben50

oder PAH Bölkow Bo-105 mit HOT-Raketen, um einen sowjetischen Panzerdurchbruch abzuriegeln. Eine hochspannende Geschichte! Für uns Panzergrenadiere wohl die Rettung, falls uns eine fdl. PzKp (T64 oder T80) aufgeklärt hätte.

Es ist so: In der Zeit, in der man noch mit massiven sowjetischen Panzerverbänden gerechnet hat, hatte ein Schwarm Bo 105 PAH 7 Hubschrauber. Bei einem Angriff, also in der Bewegung, ist die Truppe, die Stellung bezogen hat, eh im Vorteil. Und kommt ein Schwarm PAH zum Einsatz in einem Abschnitt eines verteidigenden Bataillons, schießt dieser Schwarm etwa 40 Kampfpanzer aus der Angriffsphalanx. Das wäre dann ein ganzes Bataillon. Damit steht dann der Angriff in diesem Abschnitt. Und das alles, ohne sich selbst dem direkten Beschuss aussetzen zu müssen.

Ich selbst habe etwa 80 H.O.T. verschossen, und dabei lediglich 3 Fehlschüsse, die aber auf mangelnde Erfahrung am Anfang zurückzuführen war.

Ich gehe aber davon aus, dass die Thematik Funksprechverkehr Heer in irgendwelchen ZDVs / HDVs geregelt ist, an die die Öffentlichkeit nicht rankommt.

Die Regeln des Funksprechverkehrs regelt natürlich eine Vorschrift. Aber diese ist nicht weiter eingestuft. Lediglich VS-NfD.

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Torben50 
Fragesteller
 05.10.2017, 14:19
@wiki01

Hochinteressant, was Du über Deine Erfahrungen mit der Bo 105 schreibst. Da kann ich natürlich nicht mitreden. Ich habe nur die einschlägigen Filme auf You Tube gesehen und kann nur sagen, dass dieser gelenklose Rotorkof diesem Hubschrauber eine sagenhafte Wendigkeit verlieh. Gedeckter Anflug auf Baumwipfelhöhe, in Waldlichtungen abtauchen - dort aber auch aufmunitionieren oder betanken möglich und dann gleich wieder auf das Gefechtsfeld.Klein, leicht, enorme Beweglichkeit aber dafür natürlich extrem verwundbar, da keinerlei Möglichkeit der Selbstverteidigung. War es nicht so, dass die Bo 105, bevorsie einen ihrer 6 (?) HOT-Lenkflutkörper abschießt, erst ein paar Minuten in der Standschwebe stehen muss, bevor die Rakete endlich abgefeuert werden kann. Es können Sekunden oder Minuten sein aber auf dem modernen Gefechtsfeld halt tödlich lange. So schnell ist sie dann aber auch im Visier eine Strela oder eines Fliegerabwehr-MGs. Wie gesagt, das ist nur angelesen, wie die Realität aussah, weiß ich nicht.

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Torben50 
Fragesteller
 05.10.2017, 14:23
@Torben50

Ich zitiere aus WP:

Bölkow Bo 105 / Bo 105 P / Einsatztaktik

[ ] Der Angriff selbst soll aus Höchstdistanz überfallartig („Snake’s Hit“

aus dem Hinterhalt heraus) erfolgen, noch bevor der Feind seinerseits Bekämpfungsmaßnahmen einleiten kann. Zu den Schwachpunkten des PAH gehört vor allem seine hohe Verwundbarkeit auf dem Gefechtsfeld. Gegen Artilleriebeschuss und selbst Infanteriewaffen hat er keinerlei Verteidigungsmöglichkeiten. [...]

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wiki01  05.10.2017, 14:57
@Torben50

Selbstverständlich wäre eine Bo 105 ein leichtes Ziel, wäre sie in der Reichweite von Rohrwaffen. Aber die Idee war ja, einen Feind auf Höchstschussweite zu bekämpfen, über eigenem Gebiet. Bei einem feindlichen Angriff haben die Besatzungen anderes zu tun, als die Gegend nach versteckten Hubschraubern abzusuchen. Abgesehen davon ist es auch schwer möglich aus einem fahrenden Fahrzeug.

Flugabwehr-MGs haben eine wirksame Entfernung von ca. 800 Metern, also keine echte Gefahr. Die größte Gefahr damals war der Flakpanzer ZSU 23-4, der aber eine wirksame Kampfentfernung hatte, die unterhalb der Reichweite einer HOT lag. Dazu kommt, dass unsere Hubschrauber mit einem Warnsystem ausgerüstet waren, die die Radaranlagen der Flakpanzer erkennen konnten, und unterscheiden zwischen Suchradar und Zielverfolgung. Bekam ich die Warnung "Zielverfolgung", war es Zeit, abzutauchen.

Die HOT war auch zur Selbstverteidigung tauglich. So konnte sie sehr wohl auch gegen Gebäude, Fahrzeuge, Soldaten und fdl. Flugzeuge im Anflug eingesetzt werden.

Bei Übungen mit Gebhard und Roland in Schleswig Holstein gelang es mir regelmäßig, bis auf Steinwurfweite an die Systeme heranzukommen. Nur die, die listigerweise ihr Radar abgeschaltet ließen und optisch aufklärten bzw. richteten, machten Beute. Aber nur aus  dem Stand, niemals im Angriff.

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Torben50 
Fragesteller
 05.10.2017, 15:41
@wiki01

Danke für die Erläuterungen! Du meinst sicherlich den
AN/APR-39 RWR (Radar Warning Receiver)?

Schleswig-Holstein? Viele Grüße an das ehemalige HflRgt 6 - "Hungriger Wolf", Fliegende Abteilung 61 u. 62 in Hohenlockstedt!

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Torben50 
Fragesteller
 05.10.2017, 15:49
@Torben50

Ach so, da fällt mir noch ein: Kampfentfernungen von 3-4 km werden bei den meist schlechten Sichtverhältnisse in Norddeutschland doch eher selten erreicht oder gab es für die Optik der HOT ein Wärmebildgerät oder etwas ähnliches? Ich kenne mich damit leider nicht aus.

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wiki01  05.10.2017, 19:02
@Torben50

Der Panzerabwehrhubschrauber war zwar nachtflug-, aber nicht nachtkampffähig. Zugunsten der geplanten Anschaffung eines Folgehubschraubers hat man dann auf diese Aufrüstung verzichtet.

Sichten, die eine Aufklärung und / oder bekämpfen eines Ziels auf 4000 Meter gestattet haben oder hätten, gab es überwiegend, also meistens.

Nur ist ja allen klar, dass man sich nicht bei "Wünsch-dir-was" befindet. Man muss als Soldat mit dem zurecht kommen, was man als Gegebenheiten vorfindet, und das Beste daraus machen. Um das zu können, hat man uns die beste denkbare Ausbildung verschafft. Aber niemand kann zaubern. Wenn ich nicht fliegen kann wegen schlechtem Wetter, dann geht es eben nicht. Dann muss die Bodentruppe eben allein zurecht kommen. Der Einsatz der PAH war eh unter Führungsvorbehalt des Truppenführers eines Frontabschnitts. Er hätte niemals dieses wertvolle Instrument bei zweifelhaften Wetterbedingungen verheizt.

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Torben50 
Fragesteller
 06.10.2017, 04:53
@wiki01

Alles klar. Herzlichen Dank für Deinen Bericht!!

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