Wie soll ich mit Rücksichtslosigkeit umgehen?
Das Kind meiner Lebensgefährtin muss mit einer außergewöhnlichen Gehbehinderung umgehen. Nicht nur das gelingt ihm wirklich gut. Es ist sehr am Wohlergehen anderer Menschen interessiert und tut alles ihm Mögliche, um insbesondere Menschen, die von Armut betroffen sind, zu helfen. Ich bin sehr stolz auf dieses Kind und seine Mutter.
Als ich die Beiden vor über vier Jahren kennen lernte, musste das Kind nahezu immer den Rollstuhl nutzen. Gemeinsame Zuwendung und Physiotherapie haben dazu geführt, dass dieser fast nur noch auf längeren Strecken nötig ist.
Natürlich machen wir auch positive Erfahrungen mit anderen Menschen.
Leider kann sich das Kind aufgrund seiner Körperbehinderung bei Stürzen nicht abfangen, was zum Teil bereits ernste Folgen hatte.
Bei einem Stadtbummel nutzt es den Rollstuhl als Rollator oder wird von meiner Freundin und mir gestützt, so dass es zwischen uns geht.
Trotzdem werden wir -obwohl wir wirklich Rücksicht nehmen- immer wieder derart angerempelt, dass wir das Kind auffangen müssen. Wir gehen soweit an der Seite wie möglich. Entgegenkommende Menschengruppen weichen jedoch oft keinen Millimeter zur Seite. Ob im Supermarkt, im Bus oder in der Fußgängerzone (mit oder ohne Rollstuhl)... Überraschend viele reagieren genervt oder merken es (obwohl es durchaus sichtbar ist) nicht einmal.
Nutzen wir zum Parken entsprechend gekennzeichnete Parkplätze, werden wir anfebrüllt, dass diese nur bei Schwerbehinderungen zu nutzen sind. "Genau deshalb nutzen wir ihn, gute Frau!" So oder ähnlich reagiere ich inzwischen ärgerlich auf diese Einwände.
Ich müsste weit ausholen, aber es handelt sich um einen fast täglichen Spießrutenlauf, der sich vermeiden lassen würde, wenn Menschenmassen ein Mindestmaß an Aufmerksamkeit an den Tag legen würden und eben grundsätzlich Rücksicht nehmen würden. Man sieht ja nicht immer, wie es dem Gegenüber geht, so dass ich es falsch fände, nur oder besonders bei sichtbaren Behinderungen Rücksicht zu nehmen. Jeder sollte auf jeden Rücksicht nehmen. Das habe ich bisher ausnahmslos und in nahezu jeder Situation so gemacht, oft zu meinem Nachteil, aber trotzdem gerne.
Warum ist es von fast allen Menschen in unserer Gesellschaft zu viel erwartet, andere nicht umzurennen? Immer nach dem Motto: "Alles, was stehen und gehen kann, kann ausweichen." Nein, man! Ich bin wirklich fassungslos, möchte mir meine sozialen Kompetenzen trotzdem bewahren und dem Kind ein Vorbild sein.
Über sozialverträgliche Lösungsvorschläge bin ich sehr, sehr dankbar.
6 Antworten
Verstehe deine Beschwerde zu 100% und gehe mit dir konform. Wuerde den meisten Menschen allerdings nicht pauschal Ruecksichtslosigkeit unterstellen, sondern eher Achtlosigkeit. Ich kann mir schwer vorstellen, dass das Kind in eurer Mitte absichtlich angerempelt oder zum Sturz gebracht wird. Vllt ist der chat auf dem Handy ja interessanter als es die Mitmenschen sind. So rennen heutzutage viele nicht nur in einen Laternenpfahl, sondern eben auch in Mitmenschen aller Art, ob behindert oder nicht.
Wenn das Kind den Rollstuhl als Rollator nutzt, duerfte i.d.R. ja nicht passieren, und wenn in eurer Mitte, koennt ihr im wahrsten Sinnen des Wortes schnell zugreifen. Warum kann sich das Kind bei einem Sturz nicht abfangen? Eine Gehbehinderung umfasst doch nicht die Arme.
Wenn moeglich, wuerden Kruecken evtl.mehr fuer Aufmerksamkeit sorgen als Eltern rechts und links. Ansonsten wuensche ich euch, dass durch weitere Zuwendung und Physio hoffentlich mal ein Zustand der Besserung eintritt und das Kind "standhafter" wird. Alles Gute und Vorsicht auf dem Weihnachtsmarkt:)).
OMG, schlimm, was manche Kinder so ertragen muessen. Alles Gute und viel Kraft.
Danke für Deine wunderbare Antwort. Allzu häufig sind wir mit uns selbst beschäftigt. Dass ich anderen fast schon eine gewisse Absicht unterstellt habe, tut mir wirklich leid.
Ich vermische tatsächliche Rücksichtslosigkeiten mit der Achtlosigkeit ansonsten liebenswerter Menschen.
Danke, dass Du meinen Fokus wieder darauf zurück lenkst. Und für Deine Empathie. Eine wirklich hilfreiche Rückmeldung, die mir viel bedeutet!
Vielleicht hilft eine Leuchtweste oder so. Keine elegante Lösung, aber sie könnte das Kind so immerhin sichtbarer machen. Ob es was bringt, ist dann die andere Frage, aber ein Versuch ist es vielleicht wert.
Vielen Dank für Deine Rückmeldung. Ich schlage es Kind und Partnerin vor. Ich stimme Dir zu, einen Versuch ist es wirklich wert.
Ihr seid das Problem. Setzt den Jungen in den Rollstuhl. Situation gelöst. Gehen kann es dann auf dem Feldweg oder so. Du kannst es nicht an einem 100 Meter Rennen teilnehmen lassen und dann sauer sein, dass die anderen schneller sind.
Deine Antwort ist an Empathielosigkeit und Unverschaemtheit nicht zu uebertreffen. Ist das in der Tuerkei so ueblich?
Das ist doch aber nicht sinn und zweck der Sache. Schonmal was von inklusion gehört?
adeltadel, ich danke Dir. Lieb und wichtig, dass Du auf Inklusion hinweist ☺️🍀
Ultraturk, ich danke Dir. Wo steht, dass es ein Junge ist? Im Übrigen stehen wir niemandem im Weg und nehmen Rücksicht. Sollten wir damit ein Problem darstellen, bitten wir lebenswertere Menschen wie Dich inständig um Verzeihung. Nur ihr habt das Recht, Euch in der Gesellschaft zu bewegen. Wie konnte ich nur etwas anderes denken? Wirklich dreist von mir...
Ich nehme da eher Rücksicht, aber das ist eine nüchterne Perspektive. Du willst mit einem Trabi auf die Autobahn und hast wünsche, dass sich alle anderen so verhalten, wie du es willst. Das wird halt nicht passieren
Bereits an Deinem ersten Einwand erkenne ich Dein enormes Maß an Rücksichtnahme. Genau, nur ein Porsche darf Lebensmittel und Kleider kaufen. Aber wir dürfen immerhin existieren, zwar unsichtbar, aber das soll genügen. Danke für diese Gnade! Das Kind ist kein oller Trabi, sondern ein liebenswerter Mensch und unbeschreiblich wertvoll!
Ich gehe inzwischen,wenn es sich vermeiden lässt kaum noch zu menschenansammlungen,einkaufen in der früh,da ist fast keiner im laden
Danke Dir sehr für den Tipp. Auch wir stürzen uns nicht mutwillig ins Getümmel, sondern nutzen freie Zeitfenster, die uns zur Verfügung stehen. Wenn absehbar besonders viel los ist, nutzen wir den Rollstuhl. Nur leider ist es wirklich schwierig. Freunde des Kindes, Therapeuten, inklusive Schule, unsere Arbeitsplätze, all dies befindet sich in der Stadt. Daher wohnen wir also städtisch und haben täglich mit größeren oder kleineren Menschenansammlungen zu tun.
Hier würde vielleicht eine warnweste helfen. Damit der kleine einfach mehr auffällt wobei ich es auch verstehen kann das ihr das eben nicht wollt.
Vielleicht versuchst du mal ein Selbsttest indem du einfach durch eine menge läufst und guckst was bei dir passiert ob die ausweichen oder du und dann machst du das selbe nochmal mit guckst du starrend grade aus und läuft's sehr selbstbewusst und guck wie oft du dann ausweichen musst. Maybe könnte das ja auch helfen.
Oder ihr zieht euch alle verrückt an dann melden euch die Menschen sowieso.
Aber ansonsten wüsste ich tatsächlich nichts weiter.
Hoffe ihr findet eine Lösung 😊
Das Kind kann Stürze nicht abfangen, weil die Gehbehinderung nur ein Teil der Körperbehinderung ist. Es leidet unter AMC, einer angeborenen Gelenksteife, die auch die Arme betrifft. Dazu kommen Fehlstellungen der Hände, Arme, Beine und Füße. Dies erforderte viele Operationen und aufwändige Nachversorgungen, sowie Orthesen und speziellen Einlagen in den Schuhen.