Was ist ein Elementarsatz?

3 Antworten

Bei Ludwig Wittgenstein, Tractatus logico-philosophicus (Logisch-Philosophische Abhandlung) stehen Hinweise, vor allen, 4. 21 – 4. 28, z. B.:

4.21 „Der einfachste Satz, der Elementarsatz, behauptet das Bestehen eines Sachverhaltes.“

4.22 „Der Elementarsatz besteht aus Namen. Er ist ein Zusammenhang, eine Verkettung, von Namen.“

Außerdem können allgemeine und speziell auf Wittgenstein bezogenen Philosophienachschlagewerke und Bücher über Wittgenstein herangezogen werden.

Peter Prechtl, Elementarsatz. In: Metzler Philosophie Lexikon. Begriffe und Definitionen. 3., erweiterte und aktualisierte Auflage. Herausgegeben von Peter Prechtl und Franz P. Burkard. Metzler : Stuttgart ; Weimar, 2008, S. 131: Elementarsatz, ein Terminus Wittgensteins (Tractatus), der dem -> Atomsatz entspricht. Durch zwei Aspekte ist die Beschaffenheit des E.es gekennzeichnet: (1) E.e beschreiben Phänomene (die Erlebnisse) und den Inhalt unserer Erfahrung (z. B. »hier ist rot«, »hier ist grün«), (2) seiner logischen Form nach besteht der E. nicht aus einer Reihe von Namen für Gegenstände, die durch eine zusätzliche logische Verknüpfung oder eine Kopula miteinander verbunden sind (wie z. B. in einem umgangssprachlichen Satz »der Tisch steht links vom Fenster«), sondern er besteht aus einer Reihe von Namen für Gegenstände, die verschiedenen, aber zusammenpassenden Typen angehören. Bei diesen Gegenständen kann es sich z. B. um eine Eigenschaft und ein Einzelding, um eine zweistellige Relation und zwei Einzeldinge usw. handeln. Sie dürfen also keine logischen Partikel enthalten und ihre Bestandteile dürfen keine Komplexität aufweisen.“

Peter Prechtl, Atomsatz. In: Metzler Philosophie Lexikon. Begriffe und Definitionen. 3., erweiterte und aktualisierte Auflage. Herausgegeben von Peter Prechtl und Franz P. Burkard. Metzler : Stuttgart ; Weimar, 2008, S. 49:

Atomsatz, atomarer Satz, auch Elementarsatz, Bezeichnung für (a) eine einfache Aussage, die nicht selbst einen Satz als Bestandteil enthält und wieder aus anderen Aussagen zusammengesetzt ist, und die nicht die Begriffe »einige« oder »alle« (d. i. Quantoren) enthält; (b) eine Aussage, in der wie in jedem singulären Urteil nur Individuen als Argumente auftreten, z. B. »dieser Tisch ist rund«, »dieser Mann ist ein Lehrer«.“

Hans-Johann Glock, Wittgenstein-Lexikon. Aus dem Englischen übersetzt von Ernst Michael Lange. 2., unveränderte Auflage. Darmstadt : Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2010, S. 93 - 98 enthält einen ausführlichen Artikel zum Elementarsatz.

Danach bilden Elementarsätze die Grundlage aller sprachlichen Darstellung und daher den Kern der Bildtheorie Wittgensteins.

Elementarsätze müssen sein:

a) logisch voneinander unabhängig

b) Bilder: sie bilden Sachverhalte ab, behaupten das Bestehen einer bestimmten Verbindung von Gegenständen

c) eine „Verkettung“ oder „Verbindung“ von Namen

Ein vollständig analysierter Satz besteht ausschließlich aus logischen Eigennamen „in unmittelbarer Verbindung“, die einfache Gegenstände vertreten: Elementarsätze bilden Sachverhalte ab, indem sie Namen in einer Weise, verbinden die einer möglichen Verbindung von Gegenständen entspricht.

d) Alle Elementarsätze bilden, ob wahr oder falsch, eine „positive Tatsache“, nämlich die Existenz eines Sachverhalts ab. Sie sagen, daß etwas der Fall ist, daß Gegenstände in bestimmter Weise vertreten sind, und nicht, daß etwas nicht der Fall ist. Ein falscher Elementarsatz ist nicht die Negation eines wahren, sondern bildet vielmehr eine andere, nicht bestehende Verbindung von Gegenständen ab.

e) Elementarsätze sind nur auf eine Weise in der Lage, falsch sein zu können. Sätze über Komplexe können entweder falsch sein, weil der Komplex nicht existiert oder wenn er die zugeschriebene Eigenschaft nicht hat. Im Gegensatz dazu schließt ein Elementarsatz genau eine Möglichkeit aus, nämlich daß die von seinen Bestandteile benannte Gegenstände nicht so angeordnet sind, wie es die Namen im Satz sind.

Stephan Sellmaier, Logische Satzanalyse und die allgemeine Satzform. Ludwig Wittgenstein, Tractatus logico-philosophicus. Herausgegeben von Wilhelm Vossenkuhl. Berlin : Akademie-Verlag, 2001 (Klassiker auslegen ; Band 10), S. 188 – 189: „Bei den Sätzen unterscheidet Wittgenstein verschiedene Grad der Komplexität. Die einfachen Sätze sind die Elementarsätze. Sie behaupten das Bestehen eines Sachverhaltes (TLP 4.21). Sie sind einfach, weil sie als Verkettung der einfachen Symbole - der Namen – minimale Sinneinheiten sind, die eine untere Schranke für die Sinnanalyse bilden. Die Namen, als einfache Symbole, haben nur im Satzverbund Bedeutung, denn es „[…] ist unmöglich, daß Worte in zwei verschiedenen Weisen auftreten, allein und im Satz“ (TPL 2.20122). So wie Gegenstände nur in Sachverhalten und nicht allein auftreten können, können auch die Namen, die ja Gegenstände bezeichnen, nur in Sätzen auftreten, die Sachverhalte abbilden. Der Elementarsatz bildet genau einen Sachverhalt ab, Sätze dagegen komplexe sachlagen. Sachverhalte können bestehen oder nichtbestehen. Der Elementarsatz, der einen Sachverhalt abbildet, behauptet das Bestehen dieses Sachverhaltes. Er ist wahr, wenn der durch ihn behauptete Sachverhalt besteht, falsch, wenn er nicht besteht (TLP 4.25). Erst durch den Vergleich mit der Wirklichkeit können wir feststellen, ob ein Elementarsatz wahr oder falsch ist (TLP 2.223). Verstehen kann man einen Satz hingegen, ohne zu wissen, ob er wahr ist; entscheidend ist nur, daß man seine Bestandteile versteht (TLP 4.024). deshalb läßt sich ja die funktionale Satzanalyse erst durchführen.

Was unterscheidet Elementarsätze in logischer Hinsicht vom von komplexen Sätzen? Der logische Unterschied kann nicht darin bestehen, daß die komplexen Sätze die logischen Operatoren enthalten und die Elementarsätze nicht. Es sind „[…] schon im Elementarsatze alle logischen Operatoren enthalten“ (TLP 5.47). Der Unterschied zwischen beiden Satzklassen liegt vielmehr in der Art der Möglichkeit des Vorkommens von Namen. Zwar muß jeder Satz als Bild der Wirklichkeit Namen enthalten, doch ist dies eine mittelbare Beziehung, während sie im Elementarsatz unmittelbar ist (TLP 4.221). Namen sind Urzeichen, sie können durch keine Definition mehr weiter zergliedert werden. (TLP 3.26).“

S. 189 – 190: „In jedem Satz – sofern er nicht unsinnig ist, müssen alle in ihm vorkommenden Namen Bedeutung haben. Jeder Name charakterisiert den Sinn des Satzes. Deshalb muß es bei der Sinnanalyse eines Satzes immer eine minimale Sinneinheit geben, in deren Verbund der Name Bedeutung hat. Ist diese minimale Sinneinheit der gesamte Satz, dann haben wir es mit einem Elementarsatz zu tun. Ist sie ein Teil es Satzes, so ist dieser ein Teil des Elementarsatzes. Dann enthält der (komplexe) Satz einen Elementarsatz. Der betrachtete Name kommt dann „im Zusammenhange des Elementarsatzes“ vor (TLP 4.23).“

Georg Römpp, Ludwig Wittgenstein : eine philosophische Einführung. Köln ; Weimar ; Wien: Böhlau, 2010 (UTB : Philosophie ; 3384), S. 21: „Sätze setzen sich aus ‚Elementarsätzen‘ zusammen, die die zum einen nicht weiter analysierbar sind und die zum anderen nicht weiter abgeleitet werden können.“

Anmerkung 2: „An dieser Stelle wünscht der Leser vermutlich Beispiele für Elementarsätze zu finden. Es gibt sie aber keine – aus dem einfachen Grund, weil unser Philosoph solche Sätze im Tractatus nur als Postulat aufstellte, jedoch selbst keine Beispiele lieferte oder gar zu Analysezecken einsetzte. Dieser Mangel hat ihn später selbst beschäftigt, und er fand darin Probleme, die ihn dazu brachten, seine frühe Philosophie zunehmend kritisch zu betrachten. Gemeint waren jedoch Sätze, die einfache Wahrnehmungen zum Ausdruck bringen und keine logischen Ausdrücke enthalten, die sie als zusammengesetzt erkennen lassen. Ein Beispiel könnte etwa sein: ‚Dieser Punkt ist jetzt blau‘ oder ‚Zum Zeitpunkt t und am Ort s 25° Celsius.‘“

Du stehst mit Deinem Problem nicht alleine da. Es gibt zwar die Definition: "Die Elementarsätze sind das, was allen anderen Sätzen Sinn gibt." (Friedrich Waismanns) aber Wittgenstein konnte selbst keinen Satz angeben, der letztlich dieser Forderung genügte. Wenn Du Deine Reihung von hinten liest, hast Du diese Verknüpfung: Namen/Welt - Elementarsätze - Sätze. D.h. die Elementarsätze sollen alle "aufbauenenden" Satze mit Bedeutung versorgen. Das Problem liegt wahrscheinlich bereits in der Verknüpfung Welt/Namen, weil unsere Sprache viele Namen/Begriffe enthält, die nicht eindeutig sind. Hund kann nicht nur verschiedene Bedeutungen haben (z.B. Schimpfwort, kleines Transportgerät, Tier), es bezeichnet, wenn es z.B. nur das Tier bezeichnet, eine Gruppe sehr unterschiedlicher Qualitäten: Für einen Bernhardiner kann man sagen: Der Hund wirft mich um. Doch ist diese Aussage für einen Dackel nicht wahr.

<< Die Welt ist alles, was der Fall ist. >>  Kleine sprachliche Einheit, der ein Wahrheitswert zugeordnet werden kann.