Was ist die Wirkung von Auxochromer und Antiauxochromer Gruppen auf das Pi-Elektronensystem?

2 Antworten

Moin,

um das gut verstehen zu können, musst du zunächst verstehen, wieso uns ein Stoff farbig erscheint. Ein Grund ist zum Beispiel, dass ein Farbstoffmolekül aus einem sogenannten Chromophor besteht. Das ist ein Teil des Moleküls, das leicht anregbare Elektronen hat.

Die pi-Elektronen, also zum Beispiel die Elektronen einer C=C-Doppelbindung, sind solche leicht anregbaren Elektronen. Wenn solche pi-Elektronen im Chromophor in Konjugation vorkommen (also die C-Atome durch Doppelbindung-Einfachbindung-Doppelbindung-Einfachbindung-Doppelbindung... miteinander verbunden sind), dann sind sie mehr oder weniger stark delokalisiert. Das heißt, dann sind sie nicht mehr so leicht einem bestimmten C-Atom zuzuordnen, sondern "verschmieren" sich über einen mehr oder weniger großen Molekülbereich. Delokalisierte pi-Elektronen sind besonders leicht anzuregen. Je nach Anzahl absorbieren immer längerwelligere elektromagnetische Strahlung. Sind genügend solcher leicht anregbaren delokalisierten pi-Elektronen vorhanden, werden Wellenlängen absorbiert, die im sichtbaren Bereich der elektromagnetischen Strahlung liegen. Das heißt, uns erscheint der Stoff farbig.

Kohlenstoffketten des Typs

CH3-(-CH=CH-)n-CH3

nennt man Polyene (poly = viele; -en = Doppelbindungen). Das "n" bezeichnet eine natürliche Zahl (1, 2, 3...), die angibt, wie oft sich die Einheit -(-CH=CH-)- in dem Molekül wiederholt. Damit uns solche Polyene farbig erscheinen, muss n schon so bei 8 oder 9 liegen. Erst ab dieser Größenordnung absorbiert das delokalisierte pi-Elektronensystem dieses Chromophors Wellenlängen im blau-violetten Bereich. Absorbieren heißt in diesem Fall, dass die Wellenlängen der elektromagnetischen Strahlung in der Lage sind, die pi-Elektronen anzuregen. Die Elektronen "schlucken" sozusagen diese Wellenlängen, um sich mit der Energie anregen zu lassen.

Wenn alle Wellenlängen des sichtbaren Lichts übereinander liegen, haben wir den Seheindruck "weiß" (additive Farbmischung). Wenn aber aus dem Bereich des sichtbaren Lichts bestimmte Wellenlängen durch die Anregung von Elektronen absorbiert werden, dann wird von dem Stoff, der mit dem weißen Licht bestrahlt wird nur ein Teil wieder reflektiert (nämlich der Teil des sichtbaren Lichts, der nicht absorbiert wurde). Dann ergibt sich die sogenannte Komplementärfarbe, also die Mischung aus Wellenlängen des sichtbaren Lichts, das nach der Absorption übrig bleibt. Wenn also ein Polyen wie

CH3–CH=CH–CH=CH–CH=CH–CH=CH–CH=CH–CH=CH–CH=CH–CH=CH–CH3

Wellenlängen im violett-blauen Bereich absorbiert (390 nm), nehmen wir den Stoff als gelb wahr (Komplementärfarbe zu Blauviolett).

Soweit, so gut (hoffe ich).

Aber nun kommt's...

Cyanine sind Stoffe des Typs

R2N-(CH=CH-)n-CH=N^+(R)2

Die "R"s stehen für Alkylreste (zum Beispiel –CH3). Wieder hast du im Molekül den chromophoren Teil -(-CH=CH-)-, der sich n-Mal wiederholt. Doch diesmal brauchst du nur

(CH3)2N–CH=CH–C=N^+(CH3)2

um einen gelben Seheindruck hervorzurufen. Bei

(CH3)N–CH=CH–CH=CH–CH=CH–CH=N^+(CH3)2

sieht der Stoff bereits rot aus (Rot ist die Komplementärfarbe zur Wellenlänge von absorbiertem Grün).

Da sich Cyanine von Polyenen nur durch die Gruppen –N(R)2 auf der einen Seite und =N^+(R)2 auf der anderen Seite der Kohlenstoffkette unterscheiden, während der chromophore Moelekülteil gleich aufgebaut ist, können nur die genannten Gruppen dafür verantwortlich sein, dass der chromophore Molekülteil in Cyaninen viel kürzer ist, um trotzdem schon Wellenlängen aus dem sichtbaren Bereich des Spektrums absorbieren zu können.

Und genau solche Substituenten bezeichnet man als Auxochrome bzw. Antiauxochrome. Auxochrome sind Substituenten, die freie (nichtbindende) Elektronenpaare haben, die sie dem konjugierten pi-Elektronensystem eines Chromophors zur Verfügung stellen können. Damit erhöhen sie die Delokalisierung des Elektronensystems, weil es dann mehr mesomere Grenzstrukturen gibt.
Antiauxochrome sind dagegen Substituenten, die aus dem pi-Elektronensystem eines Chromophors Elektronen abziehen können. Auch das trägt dazu bei, dass mehr mesomere Grenzstrukturen formuliert werden können.

Auxochrome und Antiauxochrome sorgen also dafür, dass die Elektronen eines pi-Elektronensystems im zunehmend längerwelligen Bereich des Spektrums elektromagnetischer Strahlung absorbieren können.

Da die größten Wellenlängen, die wir noch sehen können, bei etwa 780 nm liegen und das der Farbe Rot entspricht, sagt man dazu auch, dass es durch Auxochrome und Antiauxochrome zu einer sogenannten Rotverschiebung kommt.
In jedem Fall sorgen solche Substituenten aber für einen farbvertiefenden Eindruck, was man auf "schlau" als bathochromen Effekt bezeichnet.

Typische Auxochrome sind die

–NH2 (Aminogruppe) oder die
–OH (Hydroxygruppe).

Eine typische antiauxochrome Gruppe ist die

–NO2 (Nitrogruppe)

Auxochrome und Antiauxochrome haben einen viel größeren Einfluss auf die Absorption von Wellenlängenbereiche als die Anzahl der zur Verfügung stehenden pi-Elektronen.

Ich hoffe, dir ist das jetzt alles etwas klarer geworden?!

LG von der Waterkant

Ich würde mir das mit dem mesomeren Effekt klar machen, den solltest du bereits kennen. Auxochrome haben einen +M-Effekt, Antiauxochrome einen -M-Effekt. Sprich einmal werden Elektronen reingeschoben (größeres pi-Elektronensystem) und einmal rausgezogen (kleineres pi-Elektrodensystem).

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung