Was ist der Unterschied zwischen Vernichtungslager und Arbeitslager?

2 Antworten

Die Übergänge sind tatsächlich fließend.

Während der Nazi-Herrschaft wurde in den Konzentrationslagern systematisch gemordet. Alle Systemfeinde wurden zunächst eingepfercht und "konzentriert", um dann in einer regelrechten Vernichtungsmaschinerie liquidiert zu werden. In den großen Vernichtungslagern, die zwischen Ende 1941 und Sommer 1942 eingerichtet und nach der Wannseekonferenz im Januar 1942 in Betrieb genommen wurden, wurde nun systematisch durch die berüchtigten Gaskammern gemordet. Die Vergasung löste nun (aus Kosten- und Aufwandsgründen!) die Massenerschießungen und eher seltene Galgenmorde als Tötungsmethode ab. In den meisten Konzentrationslagern, auch in den Vernichtungslagern, wurden die Gefangenen aber auch zur Arbeit gezwungen - somit waren sie auch gleichzeitig Arbeitslager.

In den letzten Jahren des Krieges überwachte die Wehrmacht (inzwischen nur noch eher selten die SS) zahlreiche kleinere Außenlager, die ihre Insassen, meist Kriegsgefangene, für Arbeitsdienste, zum Beispiel für den Bau von Startbahnen für Flugzeuge einsetzten. Auch wenn dies zunächst harmlos und nach nicht ungewöhnlicher Kriegsgefangenenarbeit klingt, war es trotzdem ein Teil der systematischen Vernichtung: Es bestand keine Absicht, dass die Gefangenen in den Lagern am Leben blieben. Sie sollten sich totarbeiten und wurden dazu durch Nahrungsentzug und Misshandlungen seitens der Wächter und eine desolate Hygienesituation körperlich und geistig gebrochen. Zur Behandlung von Krankheiten standen oft gar keine und wenn überhaupt nur Placebos oder Aspirin zur Verfügung, die Insassen wurden mit Brotrinden und Kartoffelschalen und "Wassersuppe" verpflegt. Kaum ein Insasse überstand eine solche Behandlung länger als 10-12 Wochen, bevor er starb.

Auch in den "Arbeitslagern" ohne Gaskammer starben also tausende und hunderttausende Menschen, besonders gegen Ende des Krieges - als die harten Winter von 1943/44 und 1944/45 die Vernichtung noch zusätzlich beschleunigten. Somit würde ich sehr mit den Zähnen knirschen, wenn jemand einen Unterschied zwischen einem nationalsozialistischen Arbeits- und Vernichtungslager aufzuzeigen versucht.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Studium der Geschichts- und Religionswissenschaften
Wurzelstock  09.04.2018, 20:18

Markus - ich glaube, dass ich das noch etwas präzisieren kann. Die Juden wurden vorgeblich zum "Arbeitseinsatz" deportiert. Damit wurden sie, aber auch die nichtjüdische Bevölkerung, so lange wie möglich getäuscht. Der NS-Apparat fürchtete nämlich durchaus Poteste, bzw. Aufstände, die es in einzelnen Lagern sogar gab.

Zwangseinsätze gab es damals aber auch für Nichtjuden in vielfacher Form - angefangen beim Landjahr für Mädchen, über den Wehrdienst der Männer und den Einzug zu den Sanitätsdiensten, wiederum für Mädchen und Frauen. Deshalb glaubte man im Reich die Lüge über den Zweck der Judenverschleppung und konnte sie sogar tolerieren.

Der Arbeitseinsatz selbst war ein systematischer Vernichtungsvorgang, den Albert Speer erfunden hatte als "Vernichtung durch Arbeit". Dazu bekannte sich Albert Speer mir gegenüber ausdrücklich nach seiner Haftentlassung.

Der Massenmord begann also mit der Selektion an den Rampen mit der Einteilung in arbeitsfähige und nicht arbeitsfähige Menschen. Die nicht arbeitsfähigen wurden sofort und schnell getötet. Die arbeitsfähigen langsam und qualvoll. Ich glaube jedoch nicht, dass es die Bezeichnung "Vernichtungslager" damals gab. Das Wort müsste bei der Vor- und Umsicht der Nazimaschinerie nachträträglich entstanden sein. Nicht zuletzt darauf dürfte die Holokaustleugnung beruhen, die ja lange nach den Ereignissen wie aus heiterem Himmel auftauchte.

Mit der Vernichtung durch Arbeit konnte bis zu einem gewissen Grad sogar das Wachpersonal getäuscht werden, das z. B. bis zum Ende an den Sinn der sogenannten Todesmärsche glaubte. Alle Beteiligten waren sich zwar jederzeit darüberim Klaren, dass ihre Arbeit Verbrechen waren. Doch damit kann ein psychisch gesunder Mensch nicht leben. Er braucht eine Rechtfertigung für sein Handeln. Uner anderm dies schildert Viktor Frankl, der Auschwitz und Dachau überlebt hatte, aus der Sicht des Psychiaters.

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Im Arbeitslager wurden die Gefangenen nicht sofort umgebracht, sondern mussten unter erbärmlichsten Bedingungen schuften, bis sie starben.

Im Vernichtungslager wurden alle sofort umgebracht. (Treblinka, Chelmno, Sobibor, Majdanek...)