Warum wird persönliches Leid oft mit dem Hinweis abgetan?
Ich frage mich ernsthaft, warum so viele Menschen auf echtes Leid mit sowas antworten wie: „Sei doch dankbar, du lebst in Deutschland“ oder „anderen in Afrika geht’s viel schlechter.“
Natürlich weiß ich, dass es schlimmeres Leid gibt – aber macht das mein eigenes Gefühl deshalb weniger real? Darf ich dann nicht traurig, erschöpft oder innerlich leer sein? Heißt das, Menschen mit Krebs oder Depressionen sollen sich gefälligst nicht beschweren, weil andere im Krieg leben?
Für mich ist das total sinnloses Denken. Leid ist doch subjektiv und individuell. Es bringt niemandem etwas, sich ständig mit schlimmeren Schicksalen zu vergleichen. Im Gegenteil: Man fühlt sich dann noch schuldiger für seine Gefühle, obwohl man sowieso schon leidet.
Was denkt ihr darüber? Warum reagieren Menschen so? Und wie geht ihr damit um, wenn ihr solche Sprüche hört?
5 Antworten
Sehe ich genauso.
Außerdem ist es ein Grund mehr, deprimiert zu sein, wenn man weiß, dass es anderen noch schlechter geht.
Denke das haben die im Elternhaus schon gelernt wenn die Eltern immer gesagt haben sei dankbar für das was du hast anderen geht es viel schlechter und so
Hab ich mich auch oft gefragt und die Menschen die es zu mir gesagt haben, hab ich das auch gefragt. Allerdings hab ich nie eine befriedigende Antwort erhalten.
Meine Theorie dazu ist, dass diese Menschen sich nicht mit dir als Mensch, deinen Gefühlen, deinen Bedürfnissen auseinander setzen wollen. Sie interessieren sich nicht für dich, sondern nur für sich selbst. Sie wollen, dass du funktionierst. Sie wollen, dass du das was auch immer sie gerade von dir wollen tust, ohne Widerspruch, ohne Klagen. Es ist quasi eine versteckte Aufforderung zur Verhaltensänderung.
Wenn du innere Leere erlebst, dich traurig und erschoepft fuehlst, dann tu was dagegen. Vom sich haengenlassen und sich dann als depressiv bezeichnen, aendert sich dein Zustand auch nicht.
Tu dir selbst was Gutes, erfuelle dir einen Wunsch. Geh ins Spa, schoen essen, oder hol dir was Leckeres und mach dir einen entspannten Abend auf der Couch. Alkohol kannst du zwar trinken, solltest aber vermeiden dir die Kante zu geben, da das kontraproduktiv waere.
Die von dir erwaehnte "Dankbarkeit" erfordert keinerlei Energie, sondern entspringt einem Gefuehl, nicht alles als selbstverstaendlich anzusehen, sondern eher froh zu sein, dass es einem verglichen mit Anderen noch relativ gutgeht. Natuerlich macht es keinen Sinn. Krankheiten z.B mit Krieg zu vergleichen, und bei einer akuten Gallenkolik ist auch Niemand darueber gluecklich, dass er nicht im Rollstuhl sitzt.
Auch ich habe eine Krebsbehandlung von A - Z mitgemacht.War 1 Jahr lang krankgeschrieben, und hatte kaum finanzielle Einbussen. Mein Schwager hingegen muss mit seinem Lymphdruesenkrebs auch waehrend der Chemo arbeiten, da in den USA keine soziale Leistungen wie in DE gezahlt werden. Da bin ich froh (nicht dankbar), dass mich der Krebs erwischt hat, als ich noch in DE gelebt habe.
Wenn meine temperamentvolle Tochter mir auf den Geist ging, habe ich mich gefragt, was eine Mutter dafuer geben wuerde, wenn ihr krankes Kind laut durch die Whg. trampeln koennte. Und schon habe ich mich darueber gefreut, kein krankes oder behindertes Kind zu haben.
All solche Gedanken haben nichts mit Dankbarkeit zu tun, sondern mit einem Gefuehl von Wertschaetzung. Hast du nie das angenehme Gefuehl erfahren wie es ist im Warmen und Trockenen zu sitzen waehrend es draussen der Regen aufs Dach prasselt? Schaetze dich selbst Wert, dass du dir eine Whg leisten kannst und nicht auf der Strasse leben musst.
Alles Gute.
Den Leuten, die so etwas sagen, geht es vielleicht sehr gut. Solchen Empathielosen gehe ich aus dem Weg. Sie lassen sich nicht belehren.