Warum sind viele Märchen so brutal?

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Warum das so ist kann ich Dir nicht beantworten. Jedoch lese ich die Märchen mitlerweile vorher Zensur. Ich hatte das Problem das nach dem lesen von Hänsel und Gretel oder Rotkäppchen unsere kleine Maus ( 3 1/2 Jahre) in der Nacht schreiend aufwacht und geträumt hat Sie würde verbrannt werden oder gefressen. Seitdem lese ich die Märchen vorher, momentan lesen wir nur die Kurzversionen von Sterntaler, die Bremer Stadtmusikanten, der hase und der Igel,......

Was mich neben Hänsel und Gretel, Rotkäppchen usw. auch als Märchen sehr geschockt hat war Allerleirauh, wers kennt weis sicherlich warum.

Gerne lesen wir auch die kleinen Pixi-Bücher mit den Geschichten der Maus oder Prinzessin Lilifee, gibts z.B. bei Schlecker und sind nicht teuer.

Yvonne22899  25.02.2015, 16:18

Wenn es Schlecker nur noch geben könnte...

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SimonMayer81  26.09.2022, 10:30

Das stimmt, die Originalfassungen der Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm sind viel zu grausam und auch sonst wenig geeignet sind, um sie den Kindern vorzulesen bzw. sie die Märchen selbst lesen zu lassen. Ansonsten sind sie aber größtenteils ganz schön und spannend, was man den Kindern auch nicht vorenthalten möchte.

Daher habe ich alle grimmschen Märchen unter die Lupe genommen, dabei die schönsten Märchen aussortiert (insgesamt 115) und diese kindergerecht umgeschrieben. Alles was für die Kinder schädlich ist wurde entfernt bzw. umgeändert, der Rest jedoch beibehalten, sodass die Märchen nah am Original bleiben und das Wesentliche nicht verändert wurde.

Die Märchen wurden auch leserfreundlich gestaltet. Die Rechtschreibung und Grammatik habe ich an die heutigen Standards angepasst und den Satzbau an manchen Stellen optimiert. Dabei habe ich einen recht großen Schriftgrad (p15) verwendet, sodass die Märchen bestens zum Lesen und Vorlesen geeignet. Märchen, die auf Plattdeutsch verfasst waren, wurden übersetzt und veraltete Begriffe, die heutzutage fast niemand mehr kennt, durch die heute gebräuchlichen Begriffe ersetzt. Ansonsten wurde der für die Märchen übliche Sprachstil, den die Gebrüder Grimm verwendeten, beibehalten, damit der Zauber des Märchens nicht verloren geht.

Ausgeschmückt wurden die Märchen durch klassische und zeitlose Federzeichnungen von dem berühmten Illustrator Otto Ubbelohde. Die Federzeichnungen wurden als national wertvolles Kulturgut im Sinne des deutschen Kulturgutschutzgesetzes eingestuft.

Ich hoffe, dass ich damit vielen Eltern, die ihre Kinder zurecht vor den vielen Grausamkeiten der grimmschen Märchen schützen wollen, helfen kann.

Die umgeschriebenen Märchen sind ist als Taschenbuch, gebundene Ausgabe und E-Book hier erhältlich: https://www.amazon.de/dp/3982496101  

Kurz zu meiner Person

Mein Name ist Simon Mayer. Ich bin Autor, Literaturforscher sowie unabhängiger Journalist. Ich studierte Geschichte und Rechtswissenschaften. Mein Ziel ist es, den Menschen die klassische Literatur und Kunst schmackhaft zu machen und näherzubringen.

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Das ist eine gute Frage. Ich vermute mal zu der Zeit wurden viele Geschichten geschrieben, die den Kindern etwas Angst einjagen sollten (siehe Struwwelpeter und Zappelphillip usw.), um mehr Gehorsam zu erreichen. Anderseits gehen Märchen ja meistens gut aus. Was Hänsel und Gretel betrifft, stirbt das Böse, die Kinder kommen mit Reichtum heim und die Eltern können nun wieder für sie sorgen. Schon komisch, ja, aber alle sind damit aufgewachsen und haben sie (auch ich) ihren Kindern auch vorgelesen.

Die Märchen sind über 200 Jahre alt. Quellen der Gebrüder Grimm waren zum kleinen Teil mündliche Überlieferungen zum größten Teil haben sie aber auf zeitgenössische Literatur zurückgegriffen. Die Lebenswelt war damals landwirtschaftlich / handwerklich geprägt. Der Tod war im Alltag ständiger Begleiter: das Vieh wurde in Gegenwart der Kinder geschlachtet, Wölfe wurden in kalten Wntern für Kinder und Alte zur Gefahr, die Kindersterblichkeit war damals immens. Viele Kinder erreichten nicht einmal den ersten Geburtstag, viele Mütter starben früh nach der Geburt eines Kindes an Infektionen. Menschen, die gestorben waren, wurden von den Angehörigen im Haus gewaschen und mit dem Sterbehemd gekleidet. Vor den Toren der Städte war die Richtstätte, der Vollzug der Todesstrafe in allen Formen war damals öffentlich, zur Abschreckung blieben z. B. die Gehenkten lange am Galgen hängen.

Die "Gute alte Zeit" war nach unseren Maßstäben auf keinen Fall jugendfrei. Auf diesem Hintergrund wurden die Geschichten entwickelt. Sie sollten über Gefahren belehren aber auch zugleich Hoffnung geben.

Heute gibt es ab und zu Presseberichte darüber, was im Magen von erlegten Krokodilen und Haien gefunden wurde... Vor 200 Jahren war es ja wohl selbstverständlich, mal nachzuschauen, was der Wolf zuletzt gegessen hatte - oder?

Du musst diese Märchen ja nicht vorlesen, solange deine Kinder klein sind.

"Der Kleine Wassermann" von Otfried Preußler ist eine wunderbare Vorlesegeschichte für Vorschulkinder.

Grundsätzlich sind Märchen keine Kindergeschichten!

Im übrigen ist das Leben genauso brutal - und alte Märchen verfolgen eine eindeutige Moral:

Das Böse wird vernichtet und das Gute gerettet.

Zum Einen liegt es sicher daran, dass sie eben vor 200 Jahren aufgeschrieben wurden - und da waren sie durchaus an Erwachsene gerichtet, beinhalteten Themen, die direkt kaum angesprochen wurden, in Bildern.

Heute zeigt sich aber durchaus, dass auch Kinder an diesen Märchen profitieren. Sie empfinden diese Grausamkeiten nicht so, weil es immer nur die Bösen sind, die am Ende sterben und die Guten gewinnen. Dies ist auch ein Muster, dass Kinder bereits nach wenigen Erfahrungen mit Märchen wiedererkennen und daher eben keine Angst haben, selbst wenn ein neues Märchen erzählt wird. Es findet in einer Welt statt, die "irgendwo weit weg" ist und daher nicht direkt gefährlich. Sprachlich sind sie derart reich und schön, dass die inzwischen doch recht reduzierte Sprachfähigkeit der Kinder geschult wird. Und Kinder befinden sich zu der Zeit, wo sie Märchen lieben, in einer Entwicklungsphase, wo sie eine deutliche Unterscheidung zwischen Gut und Böse brauchen, da sie Orientierung suchen. Die versteckte Moral wird auch von jüngeren Kindern schon entdeckt- wenn auch vielleicht sprachlich nicht formuliert. Viele neuere Geschichten verzichten bewusst auf diese erzieherische Wirkung von Geschichten - wodurch aber auch Orientierung verlohren geht. Auf die Darstellung von Blut oder anderen Details wird verzichtet (im Gegensatz zum Fernsehen) und der Tod ist für Kinder erstmal nichts, was sie ängstigt - er ist noch nicht etwas Dauerhaftes in ihrem Erleben.

Empfehlen kann ich das Buch von Bruno Bettelheim: "Kinder brauchen Märchen". Da er immer wieder zitiert wird, findest du unter diesen Stichwörtern auch weitere Stellungsnahmen dazu im Netz.