Warum sagen Historiker, dass Jerusalem 587 v. Chr. zerstört wurde, obwohl Zeugen Jehovas 607 v. Chr. behaupten? Wer hat recht?

1 Antwort

Die Zeugen Jehovas lehnen diese Datierung ab und behaupten stattdessen, Jerusalem sei bereits 607 v. Chr. zerstört worden. Ihr Argument stützt sich im Wesentlichen auf eine wörtliche Auslegung der „70 Jahre“ aus Jeremia 25:11 und Daniel 9:2, die ihrer Meinung nach eine vollständige Exilsdauer von 70 Jahren belegen. Da sie das Ende des Exils auf 537 v. Chr. datieren, rechnen sie rückwärts und kommen auf 607 v. Chr. als Beginn.

Die Problematik dabei ist, dass dieses Argument methodisch nicht der historischen Forschung entspricht. Es handelt sich um einen sogenannten Zirkelschluss: Das Datum 607 wird nicht durch externe, unabhängige Belege gestützt, sondern ergibt sich allein aus der theologischen Annahme einer exakt 70-jährigen Exilszeit, die wiederum Voraussetzung für ihre Lehre über das Jahr 1914 ist. Historisch belegt ist dagegen, dass das Exil nicht genau 70 Jahre dauerte und dass die 70 Jahre in der Bibel möglicherweise symbolisch, gerundet oder auf die Phase der babylonischen Dominanz bezogen sind – nicht auf die buchstäbliche Dauer zwischen Zerstörung und Rückkehr.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Die Datierung auf 587/586 v. Chr. ist das Ergebnis jahrzehntelanger historischer, archäologischer und astronomischer Forschung und gilt in der Fachwelt als gesichert. Die abweichende Lehre der Zeugen Jehovas beruht nicht auf unabhängigen historischen Quellen, sondern auf einer spezifischen theologischen Interpretation. Historiker und Bibelwissenschaftler halten daher die 587/586-Datierung für korrekt.