Warum muss sich eine Funktion "einschwingen" bei numerischer Lösung von nichtlinearen Gleichungssystemen?

1 Antwort

Betrachten wir vereinfachend:

f(x) = x^2 - 2x + 1 = 0

als nichtlineare Gleichung welche wir nun nach x lösen wollen. Analytisch ist sofort klar:

f(x) = (x - 1)^2 = 0 ---> x = 1 ist die einzige Lösung.

Als numerischen Lösungsansatz verwenden wir vereinfachend das Newton-Verfahren. Die linearisierte Gleichung um eine Stelle x = a lautet dann:

f(a + h) = df(a)/dx * h + f(a) + o(h^2)

--> 0 = (2a - 2)*h + (a^2 - 2a + 1)

Mit a = x(n) und h = x(n + 1) - x(n) folgt damit

x(n + 1) = x(n) - (x(n) - 1)/2 = x(n)/2 + 1/2

Mit Anfangswert x(0) = x0 erhalten wir somit als (dynamisches) Verhalten der numerischen Lösung

x(n + 1) = x(n)/2 + 1/2

Wenn du dich mit (zeitdiskreten) LTI-Systemen auskennst sollte hieraus bereits das Verhalten ersichtlich sein. Falls nicht, so erhält man durch rekursives Einsetzen

x(0) = x0

x(1) = x0/2 + 1/2

x(2) = x0/(2^2) + 1/(2^2) + 1/2

x(3) = x0/(2^3) + 1/(2^3) + 1/(2^2) + 1/2

...

x(n) = x0/(2^n) + [(1 - 0.5^(n+1))/(1 - 0.5) - 1]

Mit Endwert (n --> inf):

x(inf) = [1/(1 - 0.5) - 1] = 2 - 1 = 1

die korrekte Lösung. Das "dynamische" Verhalten numerischen Lösung wird an diesem Beispiel deutlich, wenn auch ohne Schwingung (für diese kann man sich jedoch leicht ein anderes Beispiel konstruieren). Den Ursprung hat es hier in der linearen Näherung in einem jeden Schritt. Die so ermittelte Verbesserung der vorherigen Schätzung liefert nicht die exakte Differenz, so dass eine Abweichung resultiert. Für die Größe der Abweichung kann (unter speziellen Vorraussetzung wie hinreichender Nähe zur Lösung etc.) gezeigt werden, dass diese für das Newtonverfahren mit einer bestimmten Geschwindigkeit (quadratisch) abnimmt.

https://de.wikipedia.org/wiki/Newtonverfahren

Die Richtung fließt dabei nicht ein, sodass Oszillationen um die tatsächliche Lösung auftreten können. Die meisten numerischen Lösungsverfahren beruhen auf ähnlichen Approximationen, wie sie im Newtonverfahren vorkommen, so dass der beobachtete Effekt nicht überraschen sollte. Abhängig von Verfahren (mit den einhergehenden Näherungen), betrachteten Nichtlinearitäten und endlicher Maschinengenauigkeit könnte ich mir daher ebenfalls vorstellen, dass selbst bei initialisierung in der bekannten exakten Lösung ein initiales Abweichen auftreten kann.