Warum ist Solon nicht Begründer der Demokratie?

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Von Experte Neugier4711 bestätigt

Es ist nicht zutreffend, Solon als Begründer der Demokratie zu bezeichen, weil in der von ihm eingerichteten politischen Ordnung die politischen Rechte und Pflichten der Bürger von ihrem Besitz/Einkommen abhängig waren.

Es hat durch Solon keine Schaffung einer Demokratie (die es damals weder als Sache noch als Begriff gab) gegeben, sondern die politischen Rechte (darunter vor allem Wählbarkeit in Ämter, Wahlrecht für verschiedene Einrichtungen, Abstimmungsrecht) und Pflichten waren nach Vermögensklassen abestuft. Die Reicheren hatten mehr Rechte. Nur sie konnten in die höchsten Ämter kommen, z. B. Archonten werden. Die ärmsten freien Bürger (die sogenannten Theten) waren in keine Ämter wählbar und wurden auch nicht Mitglieder im Rat der 400.

Die Bürger waren nach ihrem Besitz/Einkommen (gemessen an dem jährlichen landwirtschaftlichen Ertrag [Getreide, Wein und Oliven]) abgestuft in 4 Vermögensklassen unterteilt:

1) Fünfhundertscheffler (griechisch: πεντακοσιομέδιμνοι [pentakosiomedimnoi]: Ernteertrag über 500 Scheffel pro Jahr

2) Reiter/Ritter (griechisch: ἱππείς [hippeis]): Ernteertrag über 300 Scheffel pro Jahr

3) Zeugiten (griechisch: ζευγίτες [zeugites]): Ernteertrag über 200 Scheffel pro Jahr

4) Theten (griechisch: θήτες [thetes]): Ernteertrag unter 200 Scheffel pro Jahr

Eine solche Verfassung ist in der Antike später als Timokratie (griechisch: τιμοκρατία [timokratia]) bezeichnet worden. In ihr gab es keine Gleichheit der politischen Rechte.

Solon hat zu einer Entwicklung hin in Richtung Demokratie beigetragen, aber er gehört in die Vorgeschichte der athenischen Demokratie.

Solon hat sich als jemand verstanden, der eine ausgewogene Ordnung schuf, allen die ihnen zustehenden Rechte gab, aber nicht mehr, ein Mittler zwischen Vornehmen und Reichen (dem Adel) und dem einfachen Volk/den Armen, beide Seiten schützend und an Überheblichkeit und Zügellosigkeit hindernd. Seine Leitvorstellung war die Eunomia (griechisch: εὐνομία; Wohlordnung, gute Ordnung). Solon hat weder beabsichtigt noch behauptet, das einfache Volk mit dem Adel gleichzustellen.

Eher passend ist die Bezeichnung „Begründer der Demokratie“ für Kleisthenes. Zuerst (5. Jahrhundert v. Chr.) galt bei den Athenern Kleisthenes als Begründer der athenischen Demokratie.

Herodot 6, 131, 1 τούτων δὲ συνοικησάντων γίνεται Κλεισθένης τε ὁ τὰς φυλὰς καὶ τὴν δημοκρατίην Ἀθηναίοισι καταστήσας, ἔχων τὸ οὔνομα ἀπὸ τοῦ μητροπάτορος τοῦ Σικυωνίου·

„Aus ihrer Heiratsvereinigung wurde Kleisthenes erzeugt, der den Athenern die Phylen und die Demokratie einrichtete und seinen Namen von seinem Großvater mütterlicherseits, dem Sikyonier [Kleisthenes von Sikyon] hatte.“

Die von Kleisthenes geschaffene politische Ordnung ist später als Isonomie (griechisch: ἰσονομία [isonomia]) bezeichnet worden. Diese kann als eine Frühform der Demokratie verstanden werden.