Warum ist nach Kant Glückseligkeit fremdbestimmt

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Liebe/r Nina445566,

Du bist ja noch ganz neu hier.

Am besten ist es bei dieser Art Fragen, im Vorfeld die Sachen anzugeben, die Du beispielsweise nicht verstanden hast. Dann wird der Community klar, welche Vorrecherche Du bereits durchgeführt hast.

Herzliche Grüsse

Amelie vom gutefrage.net-Support

1 Antwort

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Immanuel Kant versteht Glückseligkeit als Empfindungsglück (subjektiv empfundener Zustand von Freude/Vergnügen/gesteigerter Zufriedenheit, eher an den Augenblick gebunden).

Seiner Auffassung nach ist Glückseligkeit und das Streben/Verlangen nach ihr als Grundlage der Ethik ungeeignet. Kant hält Glückseligkeit durchaus für ein Gut und ein Ziel. Er lehnt sie nicht ab. Das höchste Gut besteht nach Kant in der Übereinstimmung von Glückseligkeit und Glückwürdigkeit, bei der die Tugendhaften entsprechend ihrer Tugend belohnt werden. Jedoch hält Kant es für falsch und unmöglich, aus der Glückseligkeit als Bestimmungsgrund ein moralisches/sittliches Gesetz herzuleiten. Sein Glück zu fördern, geschehe schon ganz natürlich aus Selbstliebe. Beim Erreichen der Glückseligkeit gelten Gebote der Klugheit. Diese stellen nur hypothetische Imperative dar. Dies enthält keine Bestimmungsgründe des Wollens, die objektiv und allgemeinverbindlich Gültigkeit als gut beanspruchen können; das Gute würde aufgrund von ihnen nicht notwendig getan.

Kurz ausgedrückt hält Immanuel Kant Glückseligkeit und das Streben nach ihr aus zwei Gründen für fremdbestimmt (was er als «heteronom» bezeichnet):

a) unterliegt hypothetischen Imperativen (Gebote, die unter Bedingungen/Voraussetzungen gelten), nämlich Vorschriften der Klugheit, wobei eine Handlung Mittel zu etwas ist und eine Abhängigkeit von äußeren Umständen der Erfahrungswelt besteht

b) betrifft den Menschen nicht als Vernunftwesen, mit einer mit Hilfe der Vernunft einsehbaren allgemeinen Gesetzgebung der Vernunft, sondern als Naturwesen und ist dabei abhängig von Neigungen/Begehren/Bedürfnissen (Antrieben der Sinnenwelt)

Solche philosophischen Gedanken sind anspruchsvoll und etwas Bemühen ist erforderlich, Texte zu verstehen, die verwickelt und nicht sehr einfach sind.

Erläuterung zu a)

ein hypothetischer Imperativ ist:

  • subjektiv
  • bedingt/zufällig
  • nicht allgemeinverbindlich

ein kategorischer Imperativ ist:

  • objektiv
  • unbedingt/als Pflicht notwendig
  • allgemeinverbindlich

Hypothetische Imperative haben bloß subjektive Gültigkeit, sie gelten nur unter der Bedingung/Voraussetzung, irgendwelche Zwecke als angestrebtes Ziel zu haben. Dann geht es darum, die zur Verwirklichung geeigneten Mittel zu verwenden. Eine Handlung ist dabei nur insofern notwendig, als sie als Mittel zu etwas anderem dient. Es geht um eine Wenn – dann-Beziehung (wenn ich einen bestimmten Zweck verfolge, dann ist es ratsam, bestimmte Mittel zu verwenden, um Erfolg beim Erreichens des Zwecks zu haben). Danach, ob der Zweck selbst vernünftig und gut ist, fragt ein hypothetischer Imperativ nicht.

Nach Kants Darstellung ist ein Streben nach Glück (eine Absicht auf Glückseligkeit) allgemein bei allen vernünftigen Wesen nach einer Naturnotwendigkeit vorhanden, doch es lägen dabei hypothetische Imperative zugrunde. Es handelt sich um Vorschriften der Klugheit (Geschicklichkeit in der Wahl der Mittel zum eigenen Wohlergehen/Wohlbefinden). Eine Handlung ist nicht um ihrer selbst willen geboten, sondern als Mittel zu einer anderen Absicht.

Albrecht  16.10.2014, 02:50

Erläuterung zu b)

Immanuel Kant betrachtet den Menschen als zwei Bereichen zugehörig. Der Mensch ist einerseits als ein Naturwesen ein empirisches Wesen, also Gegenstand von Erfahrung, zur Erscheinungswelt gehörend (homo phaenomenon), ein Teil der Sinnenwelt, andererseits Vernunftwesen, ein intelligibles Wesen, zu einer geistig einsehbaren Welt gehörend (homo noumenon). Als Naturwesen und Teil der Sinnenwelt ist der Mensch nach Kants Auffassung nicht frei. Dort herrscht Kausalität, die mit streng notwendiger Gesetzlichkeit determiniert. Als Vernunftwesen hat der Mensch dagegen Freiheit (Kausalität aus/durch Freiheit).

Das als moralisch ausgezeichnete Handeln ist ein von der Vernunft geleitetes, freies Handeln. Indem von einem vernunftbegabten Wesen selbst ein Gesetz der Vernunft aufgestellt wird, herrscht Autonomie (Selbstbestimmung), nicht Heteronomie (Fremdbestimmung).

Wenn der Neigung gefolgt wird und das Handeln von ihr abhängig ist, Glückseligkeit damit im Bereich der Moralität/Sittlichkeit zum Bestimmungsgrund erhoben wird, wird nach Kants Verständnis ein Prinzip aufgestellt, das subjektiv, zufällig, bloß individuell und immer von jeweiligen Umständen abhängig ist. Kant sucht aber etwas, das objektiv und für alle Vernunftwesen allgemeingültig und verbindlich ist. Die Grundfrage der Moral ist bei ihm: Was soll ich tun? Kant sucht für das Sollen ein moralisches Gesetz. Neigung/Begehren führt zu keinem Prinzip, das ein Gesetz sein kann. Es kommt darauf an, welche besonderen Gefühle der Lust und Unlust jemand hat. Dies ist individuell verschieden und veränderlich, nichts Stabiles, nichts, das unbedingt gilt.

Neigungen/Begehren/Bedürfnisse, die Bestimmungsgründe beim Streben nach Glückseligkeit sind, hält Kant für Antriebe der Sinnenwelt und dem Bereich des Menschen als Naturwesens zugehörig, in dem strenge Notwendigkeit ohne menschliche Freiheit/Selbstbstsimmung herrscht

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