Vor- und Nachteile der franz. Verfassung (1791)?

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Bei der Angabe von Vorteilen und Nachteilen kann es in einem gewissen Ausmaß auch auf einen Bezugspunkt ankommen, z. B. ein Vergleich mit dem vorherigen Zustand in der absolutistischen Königsherrschaft. Beim Urteil von Personen über Vorteile und Nachteile können Interessen und Überzeugungen eine Rolle spielen.

Methodisch gesehen ist es nötig, die Verfassung zu untersuchen (bei gründlicher Überprüfung hießt dies, den Verfassungstext zu lesen) und die zur Beurteilung wichtigen Verfassungsbestimmungen herauszufinden.

1) König

Vorteile:

- Unteilbarkeit des Königtums

- Unverletzlichkeit und Heiligkeit der Person des Königs (Kapitel II. Vom Königtum, der Regentschaft und den Ministern Abschnitt 1. Vom Königtum und dem König Artikel 2)

- Wahl/Ernennung und Entlassung der Minister durch den König

- suspensives Vetorecht des Königs (der König konnte durch Ablehnung von Gesetzesbeschlüssen der Nationalversammlung ihr Inkrafttreten als Gesetze mit aufschiebender Wirkung verbieten; wenn die gesetzgebende Versammlung in 2 aufeinanderfolgenden Legislaturperioden [jeweils 2 Jahre] das gleiche Gesetz in gleicher Fassung beschloss, war es angenommen und gültig)

als an der Spitze der Exekutive stehender König der Franzosen anerkannt, Kontrolle der Streitkräfte (zusammen mit Nationalversammlung) und im Kriegsfall alleiniger Oberbefehlshaber

Nachteile:

- Einschränkung der Machtfülle durch Verfassung und Gesetze

- Anordnungen nur gültig, wenn durch den Minister oder den Vorgesetzten des Departements gegengezeichnet

- an die Spitze einer Armee zu treten, ihre Kräfte gegen die Nation zu führen oder einem solchen Handlung in seinem Namen nicht formell zu widersprechen sowie die Nichtrückkehr aus dem Ausland auf Verlangen der gesetzgebenden Versammlung innerhalb einer festgelegten Frist galten als Abdankung

2) Regierung

Vorteile:

- Anordnungen des Königs im Geschäftsbereich eines Ministers erst nach Gegenzeichnung durch Minister gültig

- Strafverfolgung wegen Vorgängen im Geschäftsbereich nur nach Zustimmung der gesetzgebenden Versammlung

Nachteile:

- Minister konnten nicht zugleich Abgeordnete sein

- Minister konnten vom König entlassen werden

3) Volk (die Beurteilung beim Volks konnte unterschiedlich sein)

Vorteile:

- Volkssouveränität

(III. Von den öffentlichen Gewalten

Artikel 1: „Die Souveränität ist einheitlich, unteilbar, unveräußerlich und unverjährbar. Sie gehört der Nation. Kein Teil des Volkes und keine einzelne Person kann sich ihre Ausübung aneignen.“

Artikel 2: „Die Nation, von der allein alle Gewalten ihren Ursprung haben, kann sie nur durch Übertragung ausüben.

Die französische Verfassung ist eine Repräsentativverfassung. Ihre Repräsentanten sind die gesetzgebende Körperschaft und der König.“)

 

- Schaffung einer schriftlichen Verfassung

- Abschaffung der Standesunterschiede mit den Privilegien für einzelne Stände (z. B. beim Zahlen von Steuern) ist im politischen System vollzogen

- Menschen und Bürgerrechte als Teil der Verfassung verankert

- Gewaltenteilung

- starke Stellung der Nationalversammlung (vor allem Gesetzgebung und Kontrolle der Minister und Gerichte, Bewilligung der Staatsausgaben; im Frieden mit dem König geteilter Oberbefehl über die Streitkräfte)

- Wahl der Abgeordneten durch das Volk für 2 Jahre (indirekte Wahl durch Aktivbürger)

- Wahl der Richter und Geschworene durch Aktivbürgern alle 2 Jahre

Nachteile:

- suspensives Veto des Königs

- keine deutlichen sozialen Rechte enthalten

- Wahlrecht indirekt und ein Zensuswahlrecht, mit dem das Wahlrecht an einen Vermögen/Einkommen gebunden war (nach der am 3. September 1791 verabschiedeten Verfassung hatten das Wahlrecht sogenannte Aktivbürger, Franzosen, die seit mindestens 1 Jahr in Frankreich ansässig waren, mindestens 15 jahre alt waren und direkte Steuern im Wert von mindestens 3 Arbeitstagen zahlten (2 -3 Livre jährlich); für Wahlmänner betrug die Zahlung direkter Steuren den Wert von mindestens 10 Arbeitstagen (7 – 10 Livre jährlich), für Abgeordnete waren Grundbesitz und eine Zahlung von direkten Steuern von mindestens 50 Livre Voraussetzung, durch dieses Zensuswahlrecht waren von 25 Millionen nur 4, 3 Millionen Aktivbürger, nur 50.000 Wahlmänner)

 

 

Albrecht  12.04.2011, 18:46

Beim Wahlrecht können je nach Gruppenzugehörigkeit und Sichtweise die Vor- und Nachteile unterschiedlich beurteilt werden. Die Regelung entspricht nicht völlig einem Gleichheitsgrundsatz. Arme haben auch Interessen und mehr Besitz heißt nicht einfach mehr politische Einsicht und Fähigkeit. In der Meinung reicher Kaufleute konnten sich Vorteile und Nachteile beim Wahlrecht anders darstellen als für arme Intellektuelle oder Angehörige der Unterschicht (z. B. Sansculotten in Paris).

Das Vetorecht konnte allen gefallen, die eine Bremse gegenüber weitergehenden (radikaleren) Beschlüssen wünschten. Andererseits lehnten es auch viele ab und hielten es für zu undemokratisch.

Das Veto konnte zu einer Blockade führen und bei Reibungen zwischen Nationalversammlung und König die politische Gestaltungsmöglichkeit behindern. Wenn ein König von seinem Vetorecht stark Gebrach machte, konnte es zu einer Lähmung der Politik oder einem Konflikt kommen. Die Verfassung konnte nur funktionieren, wenn der König wirklich im Rahmen einer konstitutionellen Monarchie mit der Nationalversammlung dauerhaft zusammenarbeiten wollte

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Die Sache war instabil. Das war das Problem.