Warum war die französische Revolution 1791 nicht zu Ende?

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Die Wünsche, Interessen, Gedanken und Ziele des ganzen Volkes waren nicht völlig gleich. Nicht alle waren mit den Verhältnissen 1791 völlig zufrieden.

Außerdem konnte die politische Neuordnung nur gut funktionieren, wenn zwischen Nationalversammlung und König eine ausreichende Zusammenarbeit stattfand. 

Die Verfassung von 1791 war eine Verbesserung gegenüber dem Absolutismus, in dem es keine geschriebene Verfassung gab. Ein Bestandteil der Verfassung von 1791 waren die bereits 1789 erklärten Menschen- und Bürgerrechte. Die Standesunterschiede waren abgeschafft. Adel und Klerus hatten keine Privilegien mehr (z. B. auch nicht bei dem Zahlen von Steuern). Die natürlichen und bürgerlichen Rechte wurden als Grundeinrichtungen festgeschrieben. Die Rechte und Freiheiten bedeuten mehr Rechtssicherheit und freie Entfaltungsmöglichkeiten.

Das Volk hatte aber nicht alles bekommen. Das Wahlrecht war nicht allgemein, sondern an ein Mindestmaß an Steuerzahlung gebunden, also vom Besitz abhängig. Das Wahlrecht hatten Männer über 25 Jahren, die eine bestimmte Mindestsumme an Steuern zahlten. Es gab also sogenannte Aktivbürger aufgrund eines Wahlrechts nach Vermögen/Einkommen (Zensuswahlrecht). Die Aktivbürger konnten Beamte, Richter und die Wahlmänner wählen, die dann die Nationalversammlung wählten. Abgeordneter der Nationalversammlung konnte auch nur werden, wer eine Mindestsumme an Steuern zahlte. Ein nicht geringer Teil des Volkes war damit vom Wahlrecht ausgeschlossen. Diese Regelung entsprach nicht völlig einem Gleichheitsgrundsatz. Es gab aber Forderungen nach einem allgemeinen gleichen Wahlrecht.

Die Einmütigkeit der Revolutionäre war nicht unbegrenzt, es gab verschiedene politische Gruppierungen. In den genauen Zielsetzungen gab es Abweichungen. Es gab Meinungsverschiedenheiten über die Deutung der Revolution und die daraus abzuleitende Taktik. Ein Teil der Jakobiner (z. B. Robespierre) und die Cordeliers waren nicht in jeder Hinsicht zufrieden. Bei den Abgeordneten stellte diese Opposition zwar zunächst nur eine deutliche Minderheit dar, doch konnte sich dies bei auftretenden Problemen verändern.

Die Volksmenge in Paris, in Sektionen der Kommune von Paris organisiert, hat wiederholt mit großen Aktionen einen revolutionären Schub bewirkt. Eine als Sansculotten bezeichnete städtische Massenbewegung des einfachen Volkes hat in einigen Phasen eine wichtige Rolle gespielt. Es gab auch soziale Ziele.

Eine Anzahl von Aristokraten lehnte die Revolution ab, es gab Emigranten. Priester verweigerten den Eid auf die neue Verfassung, was einen religiösen Konfliktherd (viele traditionelle/konservative Katholiken als Gegner) herbeiführte.

Der König Ludwig XVI. wollte gerne die Entwicklung zurückdrehen, zu der alten absolutistischen Stellung. Er übernahm nicht klar und dauerhaft, also über taktisches Nachgeben hinaus, die neue Rolle in einer konstitutionellen Monarchie. 1791 hatte es schon einen Fluchtversuch der Königsfamilie gegeben. Ludwig XVI. setzte sein Veto ein, das er in der Verfassung erhalten hatte, was Ärger auslöste.

Für die Radikalisierung war der Revolutionskrieg ein wesentlicher Grund. Drohungen kamen von anderen Staaten, aber Frankreich hat 1792 den Krieg erklärt. Eine schwierige Kriegslage mit doppelter Bedrohung, von außen durch gegnerische Staaten und von innen durch gegenrevolutionäre Aufstände, führte die Revolution in eine existentielle Bedrohung, was die Bereitschaft zu energischen Maßnahmen steigerte.

In Darstellungen der Französischen Revolution, die Erklärungen für das Weitergehen der Revolution enthalten, z. B.:

Ernst Schulin, Die Französische Revolution. 4., überarbeitete Auflage. München : Beck, 2004 (Beck's historische Bibliothek), S. 90 – 131

Wolfgang Kruse, Die Französische Revolution. Paderborn , München : Wien ; Zürich : Schöningh, 2005 (UTB : Uni-Taschenbücher : Geschichte ; 2639), S. 22 - 33

Hans-Ulrich Thamer, Die Französische Revolution. 3. Auflage, Original-Ausgabe. München : Beck, 2009 (Beck'sche Reihe : C.-H.-Beck-Wissen ; 2347) S. 40 – 60

S. 46: „Für die Mehrheit der Abgeordneten war die Verfassung, die schließlich im Herbst 1791 verkündet wurde, Ausdruck eines Kompromisses und der Hoffnung, damit die Revolution beenden zu können. Für den König war die Verfassung innenpolitisches Mittel, um die Revolution zu stoppen und die Ordnung in seinem Sinn wiederherzustellen. Für die demokratische Opposition in der Konstituante war das Ergebnis des Verfassungskompromisses alles andere als befriedigend. Sie kritisierte heftig die Erblichkeit der Monarchie, die Fortexistenz des Hofes und das Wahlrecht. Damit war vorhersehbar, daß die Verfassung kaum ihre Aufgabe der inneren Stabilisierung erfüllen konnte, zumal die inneren Gegensätze im Parlament sich mittlerweile verfestigt, die städtische Volksbewegung sich politisiert und radikalisiert hatte.“

Dein Verständnisproblem liegt darin, dass Du das Volk als eine echte Kraft in einer Revolution siehst. In Wirklichkeit geht's um die Machtumverteilung zwichen den Interessengruppen. Der Wille des Volkes ist eine schöner Deckmatel aber mehr nicht. 1791 haben eben noch nicht alle interessierten Parteien das bekommen was sie wollten und es hat sich keiner der Alleinherrschaft bemächtigen können, bis Napoleon.