Verstehen sich Autisten besser miteinander?

7 Antworten

Teils-teils. Es ist von Person zu Person unterschiedlich. Ich verstehe mich sowohl gut mit manchen anderen Autisten, als auch mit neurotypischen Menschen. Und es gibt auch Autisten und Neurotypisten, die ich gar nicht abkann.

Aber es gibt da eine Theorie (wohl mitunter meine Lieblingstheorie, wenn es um Autismus geht), nämlich das Double-Empathy-Problem. Les' dich da mal rein. Am besten auf englischsprachigen Seiten. Dann wird dir sicherlich einiges klar.

Kurzgesagt bedeutet das, dass Autisten besser mit anderen Autisten empathisieren können, aufgrund unserer ähnlichen Neurologie. Diese Theorie sagt, dass wir Autisten nicht unbedingt einen Empathiedefizit haben und dass Neurotypisten ebenfalls eher dazu neigen, mit anderen Neurotypisten zu empathisieren.

Eben aufgrund der Neurologie.

Und genau sowas bemerkt man, wenn man mal darauf achtet oder selber Autist/Autistin ist, sehr häufig.

Das bedeutet natürlich, wie bereits angesprochen, nicht, dass das bei allen so ist. Es ist sehr komplex und man kann nicht verallgemeinern. Aber dass an dem Double-Empathy-Problem sehr viel dran ist, kann niemand von der Hand weisen.

Die alleinige Behauptung, wir Autisten hätten durchweg keine oder weniger Empathie ist unempathisch und daher ein perfektes Beispiel für diese Theorie. Eine neurotypische Person kann nicht von sich behaupten, sie wäre empathisch, gleichzeitig aber so etwas über eine marginalisierte Gruppe sagen. Eine empathische Person, die auch mit uns Autisten empathisieren könnte, würde wissen, was das für uns bedeutet. Diese beiden Dinge widersprechen sich also.

Das alles geht noch viel tiefer und es gibt noch viel mehr Beispiele, aber du weißt bestimmt, auf was ich hinaus will.

Schlussendlich ist es aber, wie gesagt, von Individuum zu Individuum unterschiedlich. Wir Autisten haben uns auch nicht alle untereinander lieb. Wir verstehen uns auch nicht alle prächtig. Denn wir sind genau so unterschiedlich wie neurotypische Menschen. Wir haben unterschiedliche Ansichten, Erfahrungen, Grenzen, Stärken, Schwächen, ... Unser Charakter ist sehr verschieden. Es gibt introvertierte Autisten, extrovertierte Autisten (Ja, es gibt auch extrovertierte Autisten - Ganz egal, was manche Leute meinen), ambivertierte Autisten, high-masking Autisten, low-masking Autisten, ... Manchmal kommt sich der Autismus von zwei Autisten auch gegenseitig in die Quere und man kann nicht miteinander harmonieren.

Manchmal versteht man sich besser mit einer neurotypischen Person, solange man Ähnlichkeiten hat, solange man sich gegenseitig akzeptiert.

Nur, weil wir Autisten besser untereinander empathisieren können und nur, weil Neurotypisten besser untereinander empathisieren können, heißt das nicht, dass wir (Autisten) eher miteinander befreundet sind. Ich mag z.B. mehr mit einem Autisten empathisieren können, doch wenn es charakterlich, von den Ansichten, Interessen, dem Verhalten und dem generellen Vibe nicht passt, dann passt es eben nicht. Weißt du?

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Ich bin diagnostizierte Autistin (Keine Selbstdiagnose)👽

Das läßt sich auf diese pauschale Weise nicht beantworten. Allgemein verstehen sich introvertierte Leute besser mit anderen introvertierten und extravertierte besser mit anderen extravertierten. Das ist zwar auch nur eine Tendenz, aber eine recht deutliche.

Da Asperger-Autisten meist introvertiert sind, sollten sie sich besser mit anderen Asperger-Autisten verstehen. Konkrete und seriöse, abgesichert Statistiken zu dieser Problematik sind allerdings ein Desiderat.

Da auch Autisten unterschiedliche Menschen sind, verstehen diese sich untereinander mal besser und mal schlechter.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – ASS-Diagnose mit 50 / über 20 Jahren im Thema

Nach meiner Erfahrung ist das nicht zwangsläufig so, auch wenn es oft behauptet wird. Auch Autisten sind ja nicht ausschließlich durch ihren Autismus geprägt, sondern bringen noch viele andere Facetten an Persönlichkeit mit; die entweder miteinander kompatibel sind oder auch nicht.

Man darf halt Autismus nicht mit dem Charakter eines Menschen gleichsetzen. Das erlebe ich oft, ist aber meiner Meinung nach ein Trugschluss. Ob ich mich mit einem Menschen verstehe, hängt von seinem Charakter und seiner Persönlichkeit, ab nicht von seinen Diagnosen.

Wenn beide eine Autismusdiagnose haben, kann das natürlich Anknüpfungspunkte für gemeinsame Gesprächsthemen geben. Auch bestimmte Erfahrungen, die man im Leben gemacht hat, können sich ähneln– woraus wiederum ein Gefühl von Verbundenheit entstehen kann. Ein Automatismus ist das aber nicht.

Na dazu ein Beispiel aus meinem eigenen Leben: Als Kind musste ich für mehrere Jahre in einem Heim leben. Was das für mich bedeutete und wie es mich bis heute prägt, können auch andere Autisten nicht unbedingt nachvollziehen. Vor allem nicht, wenn sie aus der jüngeren Generation kommen. Dafür sind nicht-autistische Menschen, die ebenfalls Heimerfahrung haben, die passenderen Ansprechpartner – die aber wiederum andere (autismusbedingte) Probleme nicht verstehen.

Deshalb kann man immer nur von Fall zu Fall prüfen, wo man Menschen findet, mit denen man sich zu einem bestimmten Thema verbunden fühlt. In bestimmten Fällen können das andere Autisten sein, mal spielen aber auch ganz andere Kriterien eine Rolle.

Oft ja, sie machen ja das selbe durch und nehmen vieles gleich wahr. Manche Autist*innen z.B. kommunizieren direkter, klarer, oder bevorzugen Pausen. Wenn beide so ticken, kann das Gespräch natürlicher und weniger anstrengend sein.