Sozialpädagogen sind immer sehr positiv für alle Menschen und Lebensweisen, wollen aber selten mit Arbeitslosen oder armen Menschen in einem Haus leben?


23.05.2021, 22:42

Wenn ein Pädagoge / Sozialarbeiter in einem Haus mit armen Menschen wohnen würde könnte er doch auch mal bisschen helfen, wenn Fragen oder Probleme. Ich fahre auch privat meine Nachbarin im Rollstuhl spazieren, wenn ich Zeit habe. Was ist dabei. Soll ich in einem Haus wohnen wo nur perfekte Menschen leben?

9 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Interessante Beobachtung, welche ich auch in meinem Umfeld erlebe.

Meine ganz persönliche Erfahrung ist, das auffallend häufig gerade die Berufsgruppe der Sozialpädagogen sich oft als moralisch überhöht und belehrend sehen, man aber bei genauer Betrachtung doch mehr den Eindruck hat, dass es um persönliche Meinungen und Werte geht. Oft wird das was lautstark von anderen gefordert wird nicht selbst gelebt.

Das Ganze ist in vielen Fällen mit einer schon fast wahnwitzigen Weltfremdheit gepaart, aber gleichzeitig mit fast schon beleidigenden Argumenten rechtfertig.

Man kann es mit einem einfach Vergleich umschreiben, Brot für die Welt, aber für mich nur Torte.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung

Weißt Du denn, was jeder von den Sozialpädagogen privat macht, wen er kennt und privat trifft?

Ich finde dein generelles Urteil über Sozialpädagogen ganz schön vermessen!

Wenn man viel Geld verdient, dann darf man sich ein großes Haus und schönes Auto kaufen. Bist Du neidisch darauf? Ist man deshalb ein schlechter Mensch?

Ist es Pflicht, mit seinen Patienten befreundet zu sein? Darf man sich nicht seine Freunde selbst aussuchen? Du verlangst hier gerade, dass sie ihren JOB auch privat ausführen. Machst Du das auch?

Angenommen, Du wärst Tischler. Würdest Du für deine Kunden nach Dienst ohne Bezahlung weiter arbeiten? Ich meine, im Job gibst Du doch auch alles, bist mit Herz und Seele dabei. Das kannst Du doch jeden Abend nach der Arbeit bei deinen Kunden (nicht bei deinen Freunden) unbezahlt weiter machen, weil Du deinen Job so liebst!

Ich persönlich höre auch lieber Menschen zu, die ich schätze und manchmal werden die zu meinen Freunden. Aber das ist privat! Ich suche mir die Menschen aus, mit denen ich mich privat umgebe.

Sozialpädagogen helfen professionell. Sie geben Ratschläge, die der Patient dann umsetzen kann, damit er mit seiner Situation besser klar kommt. Um diese Ratschläge geben zu können, müssen die Sozialpädagogen erstmal die Situation und den Menschen genau kennen und versuchen auch, sich in ihn hineinzuversetzen. Darum müssen die Menschen erstmal erzählen, worum es geht. Das bedeutet jedoch nicht, dass die beiden befreundet sind, sondern nur, dass jemand, der sich auskennt, von draußen draufschaut und mögl. hilfreiche Ratschläge gibt, damit der Patient irgendwann wieder allein zurecht kommt.

Sie helfen im Job und mehr kann man nicht verlangen. Man hat nicht den kompletten Menschen "gekauft".

Eine Freundschaft ist nicht käuflich, auch die von Sozialpädagogen nicht. Auch Liebe ist nicht käuflich, auch die einer Prostituierten nicht (sie verkauft nur Sex, keine Liebe).

Michael941 
Fragesteller
 24.05.2021, 08:42

Ja, ich gebe dir Recht. Warum stellen sich dann manche (nicht alle) hin und predigen man solle helfen und sich engagieren und viel Mehr tun und Menschen retten und dann grenzt man sich privat so ab?

Wenn ich für etwas einstehe dann auch Privat.

Ich will nicht dass sie mit den Klienten befreundet sind, aber Werbung zu machen und immer sagen wir müssen helfen und wir müssen unterstützen und dann privat hält man sich fein raus ist für mich falsch.

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verreisterNutzer  24.05.2021, 09:07
@Michael941

Wie Du schon schreibst:

Das "Predigen" machen manche, die selbst nicht mithelfen. (Wasser predigen und Wein saufen.) Das halte ich auch für falsch. Denke nur mal an die FFF-Demonstanten die dann in ihr voll ausgestattetes Kinderzimmer zurück kehren und massig Strom für ihre elektronischen Geräte verbrauchen und ungeniert mit ihren Eltern in den Urlaub fliegen.

Und dann gibt es noch Menschen, die helfen einfach, ohne zu predigen.

Man kann Menschen helfen, ohne dass es direkt die Klienten sind, eben privat mal einen Rat geben oder ihn gegen andere Verteidigen.

Klienten, denen man auch privat helfen würde, die würden es als normal ansehen und den Helfer "aussaugen". Die rufen dann Tag und Nacht an und der Helfer wird zum Diener/ fast Leibeigenen des Patienten. Ich habe selbst schon mal so einen Fall kennengelernt. Nicht schön!

Der Helfer darf dann selbst nicht mehr leben, sich um seine Familie kümmern, seinen Hobbys nachgehen, nie mehr Kraft schöpfen.

Deshalb müssen gerade Psychologen sich von ihren Klienten abgrenzen, denn sonst gehen sie selbst kaputt.

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Hacker48  24.05.2021, 12:38
@verreisterNutzer

Davon abgesehen, dass man dann befangen / involviert ist, die professionelle Distanz verliert und dadurch nicht mehr richtig helfen kann. Psychologen können sich auch nicht selbst oder ihre Familie therapieren, aus dem gleichen Grund.

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In einer Hinsicht gebe ich dir recht. Viele Menschen leben privat nicht das, was sie beruflich tun und auch als moralische Forderung an andere kundtun. Du kennst sicher die Redewendung "Wasser predigen, aber Wein trinken".

Dennoch sollte man zwischen Beruf und Privatleben trennen. Jeder, so auch der im Sozialbereich Tätige, hat ein Recht auf Privatheit nach der Arbeit, und wo er wohnt, ist genau das, nämlich seine Privatsache. Wenn Sozialpädagogen und Sozialarbeiter, wie von dir gewünscht, in/an sozialen Brennpunkten leben und sich in ihrer Freizeit um diesbezüglich bedürftige Menschen kümmern sollten, dann müssten Ärzte in ihrer Nachbarschaft für jeden Feierabend- und Wochenend-Notfall kostenlos zur Verfügung stehen, Lehrer allen Nachbarkindern, die keine Hilfe von den Eltern bekommen können, bei den Hausaufgaben helfen und vor Klassenarbeiten Nachhilfe geben, und Alten- und Krankenpfleger, die in ihrer Arbeitszeit schon genug gebeutelt sind, müssten auch noch in ihrer Freizeit alleinstehenden pflegebedürftigen Senioren den Rücken schrubben o.ä., um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Kurz, alle Menschen, die in irgendeiner Form beruflich einer sozialen Tätigkeit nachgehen, hätten deiner Auffassung nach die zusätzliche moralische Pflicht, dies auch in ihrer Freizeit zu tun. Dann kommen wir doch mal zur ausgleichenden Gerechtigkeit: Welche zusätzliche Pflicht hätten denn dann die anderen Werktätigen? Zum Beispiel der Kfz-Mecha(tro)niker: Muss der dann allen kostenlos die Autos reparieren? Und der Malermeister steht jeden Samstag bei einem anderen Nachbarn auf der Leiter?

Ne, so läuft det nich!

Jeder Mensch braucht mal eine Auszeit von der Arbeit, alles andere ist nicht gesund.

Auch Pädagogen und Sozialarbeiter haben ein Recht auf ihren Feierabend, also nein, ich halte nichts davon, dass sie mit ihren Klienten zusammenziehen sollten.

Das ist der Grund, weshalb Lehrer normalerweise im Privatleben keine Nachhilfe geben: Trennung von Beruf und Privatleben.

Wenn sich der Sozialarbeiter sich den lieben langen Tag mit verhaltensauffälligen Jugendlichen befasst, dann will er das mit Sicherheit nicht auch noch in seiner Freizeit tun. Ein paar freundliche Leute auf der Straße wechseln ist sicher kein Problem für die meisten Sozialpädagogen. Die wenigsten würden Ihre Klienten allerdings auf einen Kaffee zu sich nach Hause einladen.

Gegenfrage: Würdest du bewusst in ein beengten Hochhausviertel ziehen, wenn dein Gehalt auch Häuschen mit Garten zulässt?

Michael941 
Fragesteller
 24.05.2021, 08:30
Würdest du bewusst in ein beengten Hochhausviertel ziehen, wenn dein Gehalt auch Häuschen mit Garten zulässt?

Vermutlich eher nicht. Ich finde es aber falsch, von vielen Leuten die sagen Arme Menschen muss man helfen und alle sollen unterstützt werden, aber wenn sie selbst außerhalb der Arbeitszeit was tun sollen dann distanzieren sie sich.

Kommt mir so vor als ob viele Ja schreien, wenn es um Arme Menschen geht aber dass nicht richtig wollen und privat auch nichts mit armen Menschen zu tun haben wollen.

Passt für mich nicht zusammen.

So, wie wenn ich beim Metzger arbeite aber Vegetarier bin. Wie wenn ich Waschmaschinen verkaufe aber keine Ahnung habe, wie man sie benutzt.

Oder wenn ich Autos verkaufe aber keinen Führerschein habe.

Bisschen muss man seinen Beruf auch leben, sonst ist es nicht so echt.

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verreisterNutzer  24.05.2021, 08:52
@Michael941

Man kann Menschen helfen, aber auch das kostet Kraft! Man muss sich selbst ganz zurück nehmen, um für den Patienten/ Kunden da zu sein.

Deshalb muss man es begrenzen. Ist die Hilfe, die man gibt weniger wert, wenn man nur 8 Stunden hilft und keine 24 Stunden?

Wann soll der Helfer selbst Kraft schöpfen, damit er am nächsten Tag weiter helfen kann? Was hast Du davon, wenn der Helfer sich übernimmt und dadurch selbst gar nicht mehr helfen kann? Kommt dann der "arme Mensch" und hilft dem Helfer?

In einer Freundschaft ist das anders. Auch da kostet das Helfen manchmal Kraft, aber man bekommt auch viel zurück, denn der Andere hilft mir auch. Professionelle Hilfe ist einseitig!

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Michael941 
Fragesteller
 24.05.2021, 08:55
@verreisterNutzer

Ja, man muss sich auch nicht übernehmen. Man kann ja auch sagen, man hat heute keine Zeit. Aber sich räumlich so zu distanzieren spricht für mich eine eindeutige Sprache:

Es ist nur mein Job, mein Arbeitgeber verlangt (vielleicht) diese Einstellung vor den Klienten zu representieren und privat juckt es mich nicht, wie es anderen geht und ich bin mir selbst der Nächste. So kommt es bei mir an. Sry.

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verreisterNutzer  24.05.2021, 09:17
@Michael941

Ich gönne es Leuten, wenn sie durch Arbeit reich werden und es sich deshalb leisten können, in einer schönen Wohngegend zu leben. Du nennst das "distanzieren".

Ich habe gestern (Sonntag) für meinen Arbeitgeber zuhause etwas ausgearbeitet und es per Mail an die Kollegin geschickt, damit sie es Dienstag nutzen kann für den Arbeitgeber. Der Arbeitgeber wird es nie erfahren, dass ich am Sonntag unbezahlt meine Zeit dafür geopfert habe, aber es war mir wichtig.

Weißt Du, was Leute neben ihrem Job privat machen, auch z.B. ehrenamtlich?

Urteile nicht zu schnell nach Äußerlichkeiten, wie einem großem Haus.

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