Schiffswelle

3 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Der Übergang vom Schiff zur See nennt man Stevenrohr. Es ist Lager und Abdichtung. Als Dichtung kommt eine Talgschur in der sogenannten Stopfbuchse zum Einsatz. Eine geringfügige Leckage wird angestrebt, sie dient der Kühlung und Schmierung der Welle. So jedenfalls die klassische Ausführung.

Deine Frage stammt aus dem Jahr 2011, ich habe sie leider erst heute im Mai 2015 gelesen. Das was @trixieminze geschrieben hat und von dir als beste Antwort ausgezeichnet wurde, gilt allenfalls für ganz kleine Schiffe. Ein hochseetaugliches Schiff (Tanker, Containerfrachter oder Kreuzfahrtschiff) begnügt sich nicht mehr mit dieser primitiven Konstruktion: Stevenrohr und Stopfbuchse. Allein schon die Lagerung der Schiffschraube, die u. U. einige Tonnen wiegt ist eine Wissenschaft für sich und dann eine Antriebswelle mit einen Durchmesser in der Größenordnung von +/- einem Meter mit einer simplen Stopfbuchse auch noch abdichten zu wollen, kannst du vergessen. Da sind andere Maßnahmen notwendig.  Eine Stopfbuchse funtioniert erst bei entsprechend hohen Umfangsgeschwindigkeiten oder durch einen hohen Anpreßdruck (wie in einem Wasserhahn). Kleine Wellen kann man durchaus mittels abgedichteten Wälzlagern und/oder mit Elastomerdichtungen mit eingearbeiteten hydraulisch wirkenden Dichthilfen abdichten. Es gibt auch berührungslose Dichtungen, die wirken aber vor allem bei höheren Drehzahlen. Ich gehe hier nicht auf Details ein. Nun haben die Antriebswellen großer Hochseeschiffe Drehzahlen von ca. 80 - 150 U/min. Da funktioniert die klassische Stopfbuchse nicht mehr. Hier kommen eher hydraulisch wirkende Spezialdichtungen zur Anwendung. Wegen des Kraftverlustes brauchst du dir keine Sorgen machen. Diese Schiffsmotoren haben zig-Tausende PS und die riesengroßen Schiffe werden von Motoren angetrieben, deren Leistungen im 6-stelligen Bereich liegen. Das sind die paar PS, die durch Reibung usw. verlorengehen, wirklich peanuts.

Wenn du da wirklich genaueres wissen willst, dann wende dich entweder an die Firma Voith in Heidenheim oder an Escher-Wyss in Ravensburg - beide in Baden-Württemberg. Dort werden Antriebswellen und Schiffschrauben aller Größenklassen hergestellt - von 1m Durchmesser bis zum größten Brummer.


Bajun 
Fragesteller
 17.05.2015, 11:30

Ich danke sehr für diese harausragende und qualifizierte Antwort, die ich leider nicht mehr im System als "allerbeste Antwort" bewerten kann.

Es ist wahrscheinlich ein Kopfproblem bei mir, das sich weigert zu verstehen, wie man auf der einen Seite einen ungeheuren Dichtungsdruck aufbauen muss, um dem Druck des Wassers entgegenzuwirken - dieser Dichtungsdruck müsste ja dann wegen der Kraftschlüssigkeit einen immens hohen Reibungskoeffizienten aufweisen - und andererseits noch die reibungsarme Bewegung der Welle gewährleisten kann. Vielleicht kann ich das in meinem retardierten Hirn nur als technisches Wunder verbuchen. Danke schöne! ;-)

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gerd47  17.05.2015, 12:04
@Bajun

Herzlichen Dank für die Antwort - ich habe gar nicht damit gerechnet. Noch ein kleiner Hinweis in eigener Sache: ich habe vor einiger Zeit mal bei Escher-Wyss in Ravenburg ein Praktikum gemacht (Studium an der FHT Esslingen). Allerdings hatte ich zu den Schiffsantrieben nur gelegentlich Kontakte.

Noch ein Wort zur Dichtungstechnik. Man unterscheidet u.a. dynamische und statische Dichtungen. Eine der wohl bekanntesten statischen Dichtungen ist sicher die Zylinderkopfdichtung bei Motoren. Damit die ihre Funktion sicherstellen kann, muß sie mit gewaltigen Kräften verschraubt werden. Anders dagegen eine andere, dynamische Dichtung am Motor: die Kurbelwellendichtung (eigentlich gibt es 2), die den ölgefüllten Motorraum gegen die Kupplung abdichtet. Diese Dichtung, ein so genannter "Simmerring" (eigentlich: Radialwellendichtring), arbeitet sehr reibungsarm. Die wirkliche Dichtungsarbeit übernimmt eine schmale Dichtlippe mit eingearbeiteten strömungstechnischen Dichtelementen. Das klingt verwirrend, ist technisch aber ganz einfach: das sind kleine schrägstehende Rillen oder Erhebungen auf der Dichtlippe, die, salopp gesagt, wie eine Schraube das Öl wieder in den Motorraum zurück befördern. Dynamische Dichtungen müssen eine genau definierte Undichtigkeit haben, die so genannte Leckage. Die Dichtlippe muß laufend ein wenig geschmiert werden, sonst läuft sie trocken und dann tritt der gefürchtete Radiergummi-Effekt auf. Du weißt, was das ist. Hier kann ich sehr qualifiziert mitreden, denn ich habe als Ingenieur bei einer in der Branche weltbekannten Firma für Motorendichtungen gearbeitet. Ich hoffe, ich konnte helfen. LG Gerd

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Bajun 
Fragesteller
 17.05.2015, 20:52
@gerd47

Lieber Gerd, Du hast mir sehr weitergeholfen. Einem technischen Idioten die Sache verständlich erklärt - Chapeau! Bravo! Das nötigt mit Respekt ab und zeigt, dass Du etwas von Deinem Fach verstehst. Danke!

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