Richtige Bedeutung von "Ich weiß, dass ich nichts weiß"?

7 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Genau richtig.

Jemand, der sich z.B. noch nie mit Astronomie und mit dem Aufbau des Universums beschäftigt hat, merkt seinen Mangel an Wissen überhaupt nicht. Wer sich aber damit beschäftigt, kriegt mit, wieviele Fragen da noch völlig ungelöst sind.

Wer richtig schlau ist, erkennt, dass das mögliche Wissen über die Welt und alles was darinnen ist, jeden menschlichen Verstand bei weitem übersteigt.

Sokrates geht es nicht um naturwissenschaftliches oder pragmatisches Wissen. Das interessiert ihn nicht und ist für ihn Scheinwissen. Es geht ihm um das Wissen um Gut und Böse. Ständig versucht er die logischen Grundlagen des menschlichen Tugendwissens zu überprüfen.Dabei wird er sich immer wieder der Grenzen dieses Wissens bewusst. In diesem Zusammenhang steht das ouk eidōs

Das ist natürlich sehr stark vereinfacht und verkürzt interpretiert.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung

Ich habe den Satz völlig anders interpretiert. Wenn du die Dialoge des Sokrates liest, wie sie von Platon beschrieben werden, dann geht es doch immer um das Gleiche: Sokrates knöpft sich irgendwelche ehrenwerten Personen auf dem Marktplatz vor und fragt sie nach irgendeinem Begriff, z. B. 'Tugend'. Die Angesprochenen verkünden zuerst stolz, dass sie natürlich wüssten, was 'Tugend' ist. Sie erklären den Begriff dann entweder, indem sie Beispiele für Tugend liefern. Diese tut Sokrates ab, indem er sagt, er wolle nicht einzelne Beispiele, sondern den Begriff an sich erklärt haben. Oder sie bringen irgendeine Definition. Darauf steigt Sokrates ein, indem er nach einem Begriff fragt, der in der Definition vorkommt. Mit diesem Begriff geht das Spiel dann von vorne los, bis sich die Personen in einer Schleife verheddern und den ursprünglichen Begriff wieder benützen, den sie eigentlich definieren sollten.

Sokrates macht also die originelle Feststellung, dass man letztlich keinen Begriff exakt definieren kann, weil man notgedrungen immer in Kreisdefinitionen endet. Diese Erkenntnis spricht er aber nirgends aus und sie wird auch von seinen Schülern nicht verstanden. Im Gegenteil: Aristoteles, der ja ein Schüler von Platon war, begründet die Mengenlehre und die Logik und setzt dabei voraus, dass Mengen und Begriffe klar definiert werden können.

Angesichts der Verteidigungsrede des Sokrates werde ich aber den Verdacht nicht los, dass es Sokrates vor allem darum ging, seine Kontrahenten zu verspotten: "Ihr tut alle so klug, aber eigentlich wisst ihr alle nichts. Ich weiss ja auch nichts, aber ich bin doch immerhin in dem Punkt klüger als ihr alle, dass ich weiss, dass ich nichts weiss." - Meiner Erinnerung nach steht das mehr oder weniger wörtlich in der Rede. Der Spott tat dann auch seine Wirkung und Sokrates wurde aus Athen verbannt. Allerdings war er dann dickköpfig und rechthaberisch genug, die Verbannung nicht anzunehmen. Er brachte sich lieber selbst um.

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Fragesteller
 23.04.2020, 20:49

Vielen Dank!

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Ich denke Du liegst genau richtig. Die gesamte Verteidigung des Sokrates beruhte auf der Darstellung von Wissen/Weisheit als ein relativer Begriff. Er behauptete nicht kein Wissen zu haben, sondern die Erkenntnis, dass es sehr vielmehr zu wissen gibt. D.h. das eigene Wissen mag noch so groß sein, aber relativ zu allem Wissen ist es sehr gering (und sich dessen bewußt zu sein gehört zum essentiellen Wissen oder zur Weisheit)

Die Aussage wird von Esoterikern oder Religiösen gerne verballhornt um ihr Unwissen über grundlegend naturwissenschaftlich Erklärbares zu verschleiern oder um das Wissen anderer Menschen, das nicht in ihre beschränkte Welt passt schlecht zu machen oder als unwert abzuwerten - das hat nicht mit Sokrates zu tun :)

Wahrscheinlich meinte er damit:,,Ich weiß, dass ich noch gar nichts darüber weiß“