Prinzessin Eboli (Don Karlos) Sturm und Drang oder Klassik?

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Die Königin (Elisabeth) ist eine typische Figur der Klassik. Das geht aus dem Gespräch mit Don Carlos hervor, in dem sie Sittlichkeit und Humanität anstatt der Verwirklichung seines Glückverlangens fordert. Sittlichkeit und Humanität sind die Ideale der Klassik. Elisabeth ist fast schon eine Figur wie Goethes „Iphigenie“. Die Sturm-und Drang-Helden dagegen rebellieren gegen die bestehende Ordnung, sie wollen impulsiv, also mit der Dynamik ihres überschäumenden Gefühls, diese Ordnung einreißen, um ihre Ziele zu erreichen, die bei den Protagonisten jedenfalls edel und vortrefflich sind, und ihre Motive sind hochherzig. (z.B. bei Don Carlos und Marquis Posa. Letzterer repräsentiert die Freiheitsidee, die er gegen alle Widerstände, die ihm der Despotismus des Königs und das Blutregime Herzog Albas in Flandern entgegensetzen, verwirklichen will). Die Prinzessin Eboli ist ebenfalls eine Sturm-und Drang-Figur. Zwar sind ihre Ziele nicht edel und altruistisch wie bei Posa und dem geläuterten Don Carlos, sondern egoistisch. Die Mannheimer Liebeserfahrungen Schillers gaben ihr „den flammenden Atem, die heiß begehrende Seele....Durch die meisterhafte, immer kühner sich steigernde Szene der Eboli mit dem Infanten (2. Akt, 8. Szene) geht deshalb ein großartig leidenschaftlicher, naturwahrer Zug, und als Minen legende Intrigantin ist das rachsüchtige Weib trefflich am Platze, das um den Preis seiner wohlbewahrten Tugend gerade von dem betrogen wird, dem es den Genuss dieser Reize aufgespart hat. Verschmäht und verworfen zu sein in dem Augenblick, wo sie ganz sich hingibt, das muss alle bösen Geister in der Eboli wecken. Darum ist ihre dämonische Sophistik und ihre Logik des Hasses auch glaubhafter als ihre Reue...“ (Karl Berger, Schiller, Erster Band). - Na wenn das nicht einschlägige Charaktermerkmale einer Sturm- und Drang-Heldin sind! Diese im Rausch der Gefühle sich verwirklichenden Figuren müssen nicht immer edel sein. Man denke an Franz Moor in den „Räubern“, der seine hinterhältigen, kriminellen Ziele auch sehr gefühlsbetont und leidenschaftlich formuliert und verfolgt. Und wie rauschhaft übererregt, ihre verletzten Gefühle impulsiv herausschleudernd, deklamiert die Eboli, nachdem sie sich dem Infanten ganz offenbart hat: [„Wie schön ist diese Hand! Wie reich ist sie!....“] Dann aber: Prinzessin: “Was entdeck’ ich? Gott!....Weg aus meinen Augen, um Gottes willen....“ – Carlos: „Nimmermehr! In dieser entsetzlichen Erschütterung Sie verlassen?“ – Prinzessin: “Aus Großmut, aus Barmherzigkeit, hinaus von meinen Augen! – Wollen Sie mich morden? Ich hasse Ihren Anblick!“ Carlos: “Den Brief behalt ich.“ – Prinzessin: (wirft sich ihm in den Weg) “Großer Gott, ich bin verloren!“ – Dass ist wilde Sturm-und -Drangsprache im Stile der „Räuber“, gesprochen von zwei Repräsentanten, die mit ihren Gefühlen nicht hinter dem Berg halten, sondern sich ihrer unmittelbar und leidenschaftlich entäußern.

Wikipedia gibt darauf (natürlich für das ganze Drama) die folgende Antwort:

Die Beachtung strenger formaler Aspekte einerseits und die inhaltliche Thematisierung des Strebens nach Freiheit andererseits stellen das Drama an die Grenze zwischen Sturm und Drang und Weimarer Klassik.

Nachdem es der Figur der Prinzessin Eboli, soweit ich das verstanden habe, aber nicht so sehr um das "Streben nach Freiheit" (im politischen Sinne) geht, würde ich sie eher der Klassik zuordnen... Ob es aber überhaupt sinnvoll ist, einzelne Figuren eines Dramas einzelnen Stilrichtungen zuzuordnen, weiß ich nicht...