Nicht für jeden ist das Alter gruselig. Wer immer „intensiv“ gelebt hat, alles aus dem Leben herausgeholt hat, was nur möglich war, wird, weil er nicht auf seine Gesundheit geachtet hat, das Alter als gruselig erleben, weil bei ihm die Immun- und Abwehrkräfte nicht mehr funktionieren. Tag für Tag muss er sich mit gesundheitlichen „Baustellen“ herumschlagen. Wer aber einigermaßen auf seine Gesundheit geachtet hat, kann auch im Alter auf ein (halbwegs) zufriedenes, erfülltes Leben hoffen.
Du stellst deine Frage im Bereich der Philosophie. Hier solltest du dich nicht gerade mit Philosophen beschäftigen, deren Blick auf das irdische Leben düster und pessimistisch ist. (Z.B. Schopenhauer. Er hielt das Leben auf der Erde für eine Art Vorhölle.)
Allein der Philosoph Heidegger hat m.E. einen gewissen Trost für uns Menschen parat. Er hält drei Arten des Daseins für möglich: Erstens, das Leben im „Man“; zweitens: das Leben in der Eigentlichkeit und drittens: das Leben in „Seinsnähe“ (kommt m.E. nur für die [auserwählten] Dichter und Künstler in Betracht).
Jeder lebt zunächst einmal im „Man“. Das ist ein uneigentliches, unfreies Dasein. „Man“ heißt soviel wie: Man tut das, was „man“, d.h. alle tun: Man liest das, was alle lesen, man urteilt so, wie alle urteilen, vor allem politisch, man kleidet sich so, wie sich alle kleiden und so weiter. Dieses „Man“-Leben wird von vielen, wenn nicht von den meisten deshalb bevorzugt, weil es eine gewisse Geborgenheit verspricht, vor allem verspricht es einen gewissen Schutz vor der Lebensangst. Denn vor jedem liegt das unbekannte Dasein, vor dem die meisten Angst haben. Doch jenseits des „Mans“ liegt die andere Daseinsweise: die Eigentlichkeit des Daseins, die vor allem durch Freiheit charakterisiert ist. Sie ist, wie jeder Philosoph sagt, allein der Würde des Menschen angemessen. Deshalb raten sie, jedenfalls die Existenzphilosophen tun es, entschlossen den „Man“-Bereich zu verlassen und sich in die Eigentlichkeit des Daseins zu begeben.
Allein Heidegger rät das nicht. Er hat viel Verständnis für solche, die auf Dauer in der „Man“-Welt, also im uneigentlichen Dasein ausharren wollen. Nur weist er darauf hin, dass man ständig Signale aus dem Bereich der Eigentlichkeit erhält, die einem dartun, dass das unfreie, uneigentliche Leben eines Menschen unwürdig ist. Allein angemessen sei dem Menschen ein Dasein als Möglichkeit des Freiseins, und das dürfe sich nicht im „Man“ (in der Unfreiheit) verlieren, ohne dass man Gewissensbisse bekommt. Das heißt, der Mensch darf nicht zu einem bloßen Vorhandensein verkommen wie das Tier, die Pflanze, der Stein, er muss sich zwangsläufig der anderen Komponente seines Daseins erinnern, und diese zweite Komponente ist das eigentliche, freie Dasein der Befreiung vom „Man“, vom Gerede, von den Zweideutigkeiten, von der Unterordnung unter das „Man“- wie Heidegger das unfreie „Man“-Dasein charakterisierte. Dieses befreite Dasein nannte er kurz „Existenz“.
Ich würde dir raten, dich vorübergehend in diesen „Man“-Welt-Bereich zurückzuziehen. Denn was bedeutet das eigentliche, freie, wahrhaftige Leben zugleich auch? Dass man illusionsfreie Blicke auf das Leben, wie es „an sich ist“, werfen muss. Und dabei bekommt man den Eindruck, dass unser aller Leben - salopp gesprochen – ziemlich beschissen ist. Denn was offenbart uns der „eigentliche“ Blick aufs Dasein? Wir wissen nicht, warum wir auf dem Planeten Erde sind, wir wissen nicht, woher wir kommen und wohin wir dereinst gehen, wir wissen nur, dass wir irgendwann sterben müssen. Dann sind wir in eine gewalttätige Welt, ohne dass wir es wollten, hineingeworfen worden, wo nur der einigermaßen was werden kann, der über Macht verfügt (Nietzsche: Du bist Wille zur Macht und nichts außerdem). Tausende und abertausende Kriege hat es schon gegeben und wird es weiter geben. Der Schwache wird stets untergehen, allein der Starke kann sich behaupten.
Der „Man“- Weltbereich erweckt dagegen den Eindruck, dass ein Leben gemäß der Parole „Friede, Freude, Eierkuchen“ möglich ist, da fühlt man sich halt geborgen, aber es ist leider nur eine Scheingeborgenheit. Aber immer noch besser, als wenn man sich die Brutalität des wirklichen Lebens pausenlos vor Augen hält.