Pflegeheim - Ist das normal?
Im Pflegeheim:
Unter 8 Frauen sitzt 1 Mann.
Es gibt Kaffee und Kuchen. 5 Menschen können noch alleine essen und trinken.
Der Fernseher läuft, zeigt eine Tier-Doku. 4 Menschen schauen hin. Wieviel sie davon noch verstehen?
Sie kennt keine Namen, weder die von den Pflegern noch von der Person neben sich.
Sie ist froh, wenn sie morgens geweckt, gewaschen und angezogen wird. Sie wird versorgt. Frühstück, Mittagessen, Kaffeetrinken, Abendessen. Und abends bringt sie jemand ins Bett.
Sie ist zufrieden.
Was passiert in der restlichen Zeit? Ab und zu kommt jemand vom sozialen Dienst und bietet Spiele an. "Kein Interesse."
Es wird Sport angeboten. "Dazu bin ich zu faul und bequem." Na ja, das warst ja immer. "Ich habe doch immer meinen Haushalt ...." Du wolltest doch das Laufen wieder üben? "Ich kann nicht." Auf dem Schild an der Tür steht: "Lauftraining (wenn es geht)."
Der Rücken tut weh vom vielen Sitzen. 2 x in der Woche gibt es Physio- und Ergotherapie.
1 x hat sie Topflappen gehäkelt. Wann? "Gestern." Stimmt nicht.
Liest du noch? "Ja, ich glaube .... manchmal. Guck mal ins Zimmer, ob da noch ein Buch liegt."
Es ist alles egal.
"Ich hab dich doch gleich erkannt und hab mich gefreut!"
Keine Fragen.
Kein Interesse.
Sie denkt viel über ihr ganzes Leben nach. Die Gedanken wiederholen sich. Erinnerungen aus der fernen Vergangenheit.
Gestern und Vorgestern sind weg.
Welcher Tag ist heute? "Ich weiß es nicht."
"Ich bin zufrieden."
Ich nicht.
Sie hat "gewonnen", ich fühle mich wieder einmal machtlos. Und wütend, ängstlich, traurig.
2 Antworten
Hallo GutenTag,
ja, das ist normal oder zumindestens weit verbreitet.
Was erwartest Du denn? Daß sich jemand freut im Pflegeheim zu sein? Das er plötzlich Sport macht, obwohl er noch nie Lust dazu hatte? Das er läuft, obwohl es mühsam und schmerzhaft ist?
Stell Dir doch mal vor, Du wärest in dieser Situation. Wie würdest Du Deinen Lebensabend im Heim gestalten? So wie die anderen es erwarten oder wie es Dir gefällt. Und wenn es nichts tun ist.
Wichtig ist doch der Satz: "Ich bin zufrieden". Glaub es einfach und zweifel es nicht an.
Wie Du Dich fühlst, ist, entschuldige die Offenheit, Dein Problem.
Ich bin seit 27 Jahren in der Altenpflege tätig.
Es ist schön, wenn Angehörige engagiert sind und ich befürworte das sehr...
Es ist nur so, dass sie in aller Regel den Alltag nur zum Teil mitbekommen und es nicht einsehen wollen, wenn die Oma abbaut. Sie können nicht loslassen, sind von alten Zeiten und Schuldgefühlen geplagt.
Der pflegerische Engpass ist ein anderes Thema: Aber gerade deshalb ist der Einsatz von Angehörigen so wichtig, denn sie sind die Anwälte der Hilfsbedürftigen.
Ich habe wirklich Respekt vor dieser Arbeit, aber mit deinen Pauschalisierungen habe ich Probleme. Nicht jeder Angehörige fühlt so, wie du glaubst.
Umgedreht habe ich nur den Eindruck, dass in den Heimen jeglicher Individualismus stirbt, damit der Automatismus der Pflege funktioniert. Aber was will man auch am Lebensende noch großartig "reißen"?
Ich pauschalisiere nicht. Ich hab geschrieben "in aller Regel".
Die die nicht in diese "Regel" fallen, die lassen sich meist über Jahre nicht blicken und stellen unglaubliche Ansprüche an das Personal, die Finanzierung der Pflege und das Erbe. Familienknatsch inklusive.
Es sind meine Erfahrungen und die, die meine Kolleginnen jeden Tag machen.
Dass der Individualismus zu kurz kommt ist nicht unsere Schuld. Du kannst nicht bei 30 Personen auf einem Stock allen gerecht werden ohne die Bedürfnisse eines Anderen zu beschneiden und für Personalengpässe sind wir auch nicht verantwortlich.
Hallo GutenTag2019 dein Bericht geht mir sehr nahe. Er hätte so, oder so ähnlich auch von mir stammen können. Meine Mutter hat vor 3 Jahren beschlossen, dass sie in ein Heim möchte, da sie den Alltag nicht mehr bewältigen kann (trotz viel Hilfe von meinem Bruder und mir). Sie hat keine Demenz, ist einfach "nur" alt. Es wird den alten Leuten dort viel geboten an Unterhaltung. Aber letztlich ist der Alltag wie von dir beschrieben. Und meine Gefühle die gleichen. Ich bin machtlos traurig und manchmal wütend. Aber ich glaube, da müssen wir durch.
Gut, dass ich nicht einfach alles glaube, was man mir so erzählt! Ich bin am nächsten Tag wieder hingefahren und habe einen besseren Tag erwischt, weil ihr Kopf klar war und sie ihr Herz geöffnet hat. Und ich habe mit der leitenden Schwester sprechen können.
Es ist selten so, wie es scheint!
Aber natürlich ist es für Angehörige einfacher, einfach zu glauben und damit das eigene Gewissen zu beruhigen.