natürliches vibrato lernen (gesang, belting)?

1 Antwort

Nicht jeder hat ein ausgeprägtes Vibrato beim Singen. Manche produzieren über gesungene Töne "kleine, kurze Wellen", andere weiter auseinander liegende, weichere und längere - und dies je nach natürlicher Veranlagung irgendwo zwischen "deutlicher" oder "dezent" bis kaum hörbar.

Es gibt auch sehr "glatte" Stimmen, da ist dann einfach nichts, es stellt sich gar kein nennenswertes Vibrato ein.Ob Vibrato oder nicht - und wenn, dann welcher Art - ist eine Frage der Veranlagung.

Dies bestimmt auch nicht unerheblich mit, was Du dann letztlich besonders gut singen könntest oder für welche Art Gesang Du aufgrund Deiner natürlichen Veranlagung eher nicht so gut geeignet bist. Die Gesangsrichtung ist also längst nicht reine Entscheidung per Geschmack und Wille, Deine natürliche (nicht künstliche!) Art zu singen und Deine persönlichen Möglichkeiten, die nun einmal von körperlichen Gegebenheiten abhängen, müssen auch auf Deine Stilrichtung passen.

Es gibt Sänger, die könnten einfach keinen Pop singen, keinen Soul oder nicht Rock, Bach oder Folk, die gesamte Art, wie sich ihre Stimme beim Singen generell verhält, ist für dies oder das dann einfach nicht geeignet.

Generell stellt sich das Vibrato, das Du von Natur aus hättest, dann ein, wenn Du technisch natürlich und locker, mit gutem Stimmsitz und entspannter Muskulatur singst.

Ein Vibrato ist nichts anderes als das natürliche Schwingen der Stimme, wenn Du auf gesunde Weise - also auch technisch sinnvoll und natürlich - singst, die Stimme am Ton bleibend "loslässt" und alles in diesem Zustand hältst, damit der Ton sich entfalten kann. Je nach Veranlagung, Zwerchfellstütze und "Atemsäule", auf der der Ton in diesem Moment steht, beginnt er dann früher oder etwas später ganz von selbst zu schwingen. TUN musst und solltest Du dazu absolut gar nichts. Wenn Du ein Vibrato hast, geschieht dies ganz von allein.

Wenn Du sicher bist, dass Du locker und entspannt, gut gestützt und mit gutem Stimmsitz singst und aber nichts wirklich zu schwingen beginnt, dann hast Du womöglich tatsächlich kein oder ein kaum wahrnehmbares Vibrato.

Nur im professionell angeleiteten Gesangsunterricht lernt man ein vorhandenes Vibrato zu beeinflussen und zu steuern, es zu vermeiden oder es zeitlich gezielt bzw. verspätet "loszulassen" - aber dies ist nichts, woran Hobbysänger in ihrem Gesangsunterricht arbeiten, es ist vor allem auch im klassischen Singen ein Thema, das dies hier gebraucht wird. Dies wird aber grundsätzlich gesangspädagogisch angeleitet und im Training begleitet, das übt man nicht auf eigene Faust. Auch wäre dieser Effekt überhaupt erst zu erreichen, wenn man bereits gesangstechnische Bildung hat und technisch einwandfrei singt, daher ist dies etwas für erfahrene und gecoachte Sänger, nicht für gesangstechnische Anfänger und Laien. Und: Um ein Vibrato zu steuern, muss eines vorhanden sein.

Aus "nichts" mit stimmlichen Experimenten und künstlicher, druckvoller Manipulation durch ungute Anspannung etwas zu machen, das dann für eine Art "Vibrato" gehalten werden soll, führt allerdings höchstens zu stimmlichen Verspannungen, Heiserkeit und ungesunder Technik, da die Konzentration auf ein gewolltes Vibrato und seine künstliche "Produktion" verhindert, dass dabei noch weiter locker und entspannt gesungen werden kann. Dies führt zu einer Verschleimung von Stimmlippen und Kehlkopf (und schließlich zu Heiserkeit), da der Kehlkopf sich gegen diese Manipulation und Überreizung "wehrt", indem er vermehrt Schleim zum Schutz vor Überbeanspruchung produziert. Das ist ein wenig so, als würdest Du dauerhaft und immer wieder mit angezogener Handbremse fahren wollen und erwarten, dass Du dabei weiterhin flüssig und zügig fährst und keine Schäden entstehen. Keine gute Idee, das wird nichts.

Die Stimme bringt eigene Bedingungen mit, die nicht gut manipulierbar sind und mit denen Du Dich abfinden musst. Wenn Du noch weitere und andere Probleme beim Singen hast, solltest Du Gesangsunterricht nehmen und Deine Technik checken lassen.

Sollte Deine Technik nicht günstig sein und einer Korrektur bedürfen, gäbe es die Chance, dass sich dann auch ein Vibrato noch ganz von selbst einstellt. Wie gesagt, die Töne müssen für eine natürliches Vibrato locker und entspannt kommen, Lautstärke und stimmliche Kraft werden allein über trainierte Kondition, stimmliche "Fitness" und vor allem über gut und sicher angewendete TECHNIK erzeugt, nicht aber über willkürlichen Druck, eine angespannte Kiefer- Kehlkopf- und Halsmuskulatur und eine verspannte, im hinteren Bereich (Zungenwurzel) nach oben gewölbte Zunge.

Achte mal beim Singen darauf. Nicht das eigenhändige Steigern von Lautstärke macht die Stimme fit und kräftiger, sondern ein über längere Zeiträume gut angeleiteter und begleiteter Gesangsunterricht.

jpPopgesang  17.12.2015, 11:15

Klasse Antwort! Sehr fundiert!

Allerdings kann das Vibrato mit Übungen forciert werden. Ich hab im Studium an Kommilitonen miterleben dürfen, wie ein Dozent, der nach Reid unterrichtet, jedem seiner Klassik-Studenten innerhalb weniger Semester ein ausladendes Vibrato antrainiert hat. Das hat er im Übrigen auch mit den Schülern an der integrierten Musikschule getan, allerdings über einen längeren Zeitraum. Nicht unbedingt ein schönes Ergebnis bei 15jährigen Mädels.

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MissMarplesGown  17.12.2015, 15:49
@jpPopgesang

Danke für die Ergänzung, jpPopgesang! ;-)

Wenn "innerhalb weniger Semester" nur für Studenten zutrifft und Hobbysänger hier mit NOCH mehr Zeit rechnen müssen, ist dies etwas, was singende Teenager sich nicht vorstellen und worauf sie sich auch gar nicht einlassen möchten. Sie stellen  sich nicht vor, Singen in Jahren zu lernen - jeder, der tatsächlich singen kann, hat dies aber in vielen Jahren bei regelmäßigem Unterricht gelernt - und nimmt zumeist immer wieder in Intervallen oder auch regelmäßig weiteren Unterricht, um auch danach weiter leistungsfähig und "in der Spur" zu bleiben.

Auf GF fragen Teenager regelmäßig, wie viele Stunden man nehmen müsste, um "richtig toll singen" zu können - und meinen zumeist, es ginge um eine Spanne zwischen 10 und 30 Unterrichtsstunden, um das Wesentliche zu lernen, was guten Gesang ausmacht.

Dass auch ein erlerntes und antrainiertes Vibrato generell "möglich" ist, ist mir bekannt - und auch, wie selten dies tatsächlich nötig ist und dass es insbesondere auf semiprofessionellem Niveau nicht unbedingt gute Ergebnisse hat. Dies wird eben, wie Du auch schriebst, vor allem im klassischen und Profigesang gemacht, der hier ja aber nicht angestrebt wird. Das Training und Coaching hierzu ist ja nicht mit dem Gesangsunterricht zu vergleichen, den Laien, Hobbysänger erhalten, wenn sie nicht vorhaben, sich 10 Jahre lang regelmäßigem und intensivem Coaching zu unterziehen und eine umfassende Stimmbildung "von der Pieke auf" mitzunehmen.

Ich wollte hier nun nicht "Hoffung" machen, man könne als Hobbysänger erwarten, ein wunderbares Vibrato "mal eben" in einigen Stunden Gesangsunterricht ganz gezielt fordern und erhalten zu können - und dies auf stimmlich und technisch völlig unpräparierter Null-Basis. Gesangslehrer würden wahrscheinlich reihenweise antworten: "Fangen wir erst einmal ganz von vorne an, allein für eine sinnvolle Grundtechnik gibt es genug zu tun - und mal sehen, wie sich dann Dein Vibrato im Verlauf den nächsten zwei Jahre überhaupt "verhält", wenn erst einmal ein guter Stimmsitz erreicht ist."

Nicht unbedingt ein schönes Ergebnis bei 15jährigen Mädels.

Exakt daher wollte ich dies hier "unterschlagen" ;-),  da diesen Beitrag in Jahren viele sehr junge Hobbysänger lesen könnten. Sie unternehmen bereits oft genug Dinge, die der Stimme und dem "technischen Vermögen" eher nicht entgegenkommen, da hier oft unrealistische Vorstellungen von "gutem" Singen herrschen und man allgemein "haben" will, was die persönlichen Idole unter den prominenten Sängern zeigen. Wie viel fortwährendes Training und Coaching dahinter steckt, damit Profis singen, wie sie singen, das ist meist nicht bewusst.

Wenn junge Leute lesen, ein Vibrato sei generell "lernbar", folgt der nächste Impuls: "Das bekomme ich allein zuhause hin, ich spare mir den Gesangsunterricht." Die nächste GF-Frage ist dann zumeist: "Ich habe gehört, ein Vibrato kann man sich selbst antrainieren, wie geht das, kennt ihr Tips und Tricks?"

Auch noch einmal an den Fragesteller: Ich denke, Du würdest von einem guten Gesangs- und Stimmbildungsunterricht auf so verschiedene Weise profitieren und erst dort auch bemerken, wie immens viel und Gutes es dort für Dich zu lernen gibt, dass Dein Vibrato-Wunsch zum "Gedanken am Rande" wird. Wenn Du sehr jung bist: Auch Dein Musikgeschmack und das, woran Du gesanglich Freude hast, werden sich womöglich noch mehrfach ändern, das muss nicht so bleiben.

Manchmal wird man erst im Gesangsunterricht auch an andere Richtungen heran geführt, auf die man sonst gar nicht gekommen wäre oder die nicht interessierten. Wenn man bemerkt, wie viel Spaß es macht, exakt die Dinge zu singen, die stimmlich und von der mitgebrachten Veranlagung her wirklich gut geeignet sind und wie dies dann auch klingen kann, lässt man theoretische Vorstellungen über das eigene Singen leichter los und wendet sich den Bereichen zu, in denen man erfolgreich sein kann - und sei es auch nur zum ganz privaten Vergnügen.

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