Lucretia - (Halb)mythische Vorzeit?

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Der Ausdruck „aus der (halb-)mythischen Frühzeit“ bezieht sich auf einen Zeitraum unter dem Gesichtspunkt, auf welche Weise zu ihm eine Überlieferung vorhanden ist.

Die römische Frühzeit umfaßt die Gründung Roms/Entstehung von Siedlungen, die Königszeit und einen Abschnitt der frührepublikanischen Geschichte bis in das 4. Jahrhundert v. Chr. (Jochen Bleicken, Geschichte der römischen Republik. 6. Auflage. München : Oldenbourg, 2004 (Oldenbourg-Grundriss der Geschichte ; Band 2), S. 105 rechnet die Zeit bis ungefähr 330 v. Chr. zur Frühzeit).

Was in Werken annalistischer (die Ereignisse Jahr für Jahr berichtender) Geschichtsschreiber in späterer Zeit über die römische Frühzeit überliefert wird, konnte sich eine auf fast keine vertrauenswürdigen Quellen stützen.

Ansonsten bleiben zur Rekonstruktion der Ereignisse/Strukturen/Zustände und Entwicklungen einzelne Nachrichten verschiedener Quellenarten:

  • einzelne Dokumente (z. B. im Wortlaut überlieferte Sätze der Zwölf-Tafel, einer Rechtkodifikation, und Inschriften)

  • archäologische Befunde

  • Informationen aus Sprachgeschichte (z. B. Rückführung von Wörtern auf ältere Bedeutungszusammenhänge) und Namenskunde

  • Rückschlüsse aus Institutionen (Einrichtungen) und Rechtgewohnheiten späterer Zeit

  • Nachrichten aus griechischen Quellen über altitalische Geschichte

Vieles, was in Erzählungen überliefert wird, ist nicht etwas, bei dem es sich um echtes historisches Geschehen handelt.

Die Überlieferung über die römische Frühzeit ist nach dem genannten Ausdruck halb mythisch, halb historisch.

Die älteste erhaltene Erzählung über Lucretia steht bei Livius 1, 57 – 60, der ältere, jetzt nicht mehr erhaltene Erzählungen aufgegriffen hat: Lucretia wird vom ältesten Königssohn Sextus Tarquinius vergewaltigt, berichtet davon ihren Ehemann, ruft Angehörige und Freunde zur Bestrafung des Übeltäters auf und tötet sich wegen der Entehrung, wie sie es empfindet (ersticht sich mit einem Dolch). Die Königsherrschaft (König war Lucius Tarquinius Superbus) und beseitigt und Lucretias Ehemann Lucius Collatinus Tarquinius und sein Freund Lucius Iunius Brutus werden zu den ersten Konsuln gewählt.

Die Erzählung (nach antiker römischer Tradition 510/509 v. Chr.) stellt einen Mythos zur Gründung der römischen Republik dar. Lucretia wird als musterhafte Ehefrau vom großer Tugend/Sittsamkeit, eine vorbildliche Römerin geschildert. Von der Königsfamilie geht ein gewaltsamer und unrechtmäßiger Übergriff aus. Eine berechtigte Empörung über eine Schandtat führt zur Auflehnung. Der Sturz der Königsherrschaft ist eine Befreiung. Grundlegende Bestandteile der republikanischen Verfassung werden eingeführt. Die Erzählung enthält Topoi (Allgemeinplätze, feststehende Prägungen) über Tyrannei.

Darüber, ob es Beweise über Lucretias Existenz gibt, sagt der Ausdruck halbmythisch nichts aus. Nur die allgemeine Beurteilung, vieles dieser Zeit liege - bildlich ausgedrückt – im Dunklen (Fehlen erhellenden Wissens), ist enthalten. Wenn Lucretias Existenz aus Mythen hervorginge, hieße dies, sie hätte tatsächlich gelebt, ihre historisch echte Existenz könne aus Mythen als verbürgt abgeleitet werden. Es gibt aber keine historischen Beweise ihrer Existenz. Was erzählt wird, kann außer als Mythos unter etwas anderen Gesichtspunkten auch Sage (etwas, das gesagt wird; Bericht über bedeutsame, außergewöhnliche Ereignisse, der im Kern als wahr geglaubt wird, auch wenn er ausgeschmückt und keineswegs genau und zuverlässig ist, keine bloße Erfindung, da ein Rahmen/Hintergrund geschichtlich ist) oder Legende (etwas, das zu lesen ist; also literarisch überliefert; eine Legende kann tatsächlich auch überhaupt nicht zutreffend sein, sondern vollständig fiktiv) genannt werden.

Als historisch kann die Herrschaft etruskischer Könige, der Tarquinier (Tarquinii), gelten (aber nicht genau die geschilderten Personen Lucius Tarquinius Priscus und Lucius Tarquinius Superbus), die Beseitigung der Königsherrschaft und die Einführung der Republik. Dagegen gibt es sogar an der Existenz des Freiheitshelden der Überlieferung, Lucius Iunius Brutus, Zweifel.

Bezogen auf den Text ist das *halbmythische * nicht auf die Person Lucretia gemünzt sondern auf die Epoche, die geschichtlich gemeint ist.

Wobei, naja Wiki und seine Tücken ist ja bekannt. Die genannte Epoche des alten Königstum im frühen Rom kann eigentlich nicht als mythisch bezeichnet werden. Dies kann auf die Gründungsgeschichte Roms (Wöfin, Zwillinge, Rhea Silvia etc. angewandt werden. Doch die Zeit um Tarquinius Suberbus kennzeichnet das Ende des Königtums in dem jungen römischen Staat und die genannten Personen sind nach meinem Wissen so geschichtlich real existierend gewesen, dass sie heute in den Schulbüchern als Lehrstoff Einzug gehalten haben.

Die Figur der Lucretia inspierierte viele Künstler zu musikalischen und schriftstellerischen Werten. Das darin die Figur entsprechend der Interpretation des Künstlers ganz eigenständig angelegt wurde, dies ist ein anderes Kapitel.

Die Musik steht unter anderem bei uns im Plattenregal, ist noch nicht einmal soooo alt. Hätte sich die Dame wohl auch nicht träumen lassen mal in diesem Genre zu landen :-))