Kostenübernehmung Therapiereiten

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Hallo!

Das Therapeutische Reiten ist, trotz intensiver Lobbyarbeit der Verbände, nicht in den Leistungskatalog der Krankenkassen aufgenommen worden. Damit werden die Kosten grundsätzlich erst einmal nicht übernommen. Hippotherapie wird üblicherweise einfach als normale Krankengymnastik abgerechnet - die Zusatzkosten, die durch das teure "Therapiemittel" entstehen, sind dabei nicht relevant. Sprich Hippotherapie wird nicht anders bezahlt als Übungen mit einem Bobath-Ball...

Allerdings haben verschieden Krankenkassen unterschiedliche freiwillige Leistungen, die sie selbst anbieten oder unterstützen - und hier haben sie durchaus Spielraum. Wie weit man mit seinen Bemühungen kommt, hängt vom Sachbearbeiter ebenso wie der generellen Politik einer Krankenkasse ab. Ich habe Maßnahmen im Heilpädagogischen Reiten schon in Kooperation mit einer wirklich sehr kundenorientierten Krankenkasse durchgeführt, im Rahmen zweier präventiver Angebote (Adipositas und ADS/ADHS bei Kindern) - das Konzept haben die Kasse und ich gemeinsam entwickelt und das war wirklich mal eine äußerst angenehme Zusammenarbeit. Das mit der Prävention und der üblichen Förderung steht weiter unten nochmal ausführlicher.

Psychotherapeutisches Reiten wird üblicherweise im Rahmen einer normalen Psychotherapie finanziert - oft in Kooperation mit einem Arzt, der die Therapie selbst durchführt oder zumindest fachlich begleitet. In diesem Fall übernehmen manche Krankenkassen sogar die realen Kosten, wenn die Diagnose eine solche Methode empfiehlt.

Mühsam dabei ist oft, dass sowohl Physiotherapie als auch Psychotherapie üblicherweise nur noch in sehr kleinen Dosen, 6-10 Einheiten und maximal eine Verlängerung, mit Ausnahme eventuell 2 Verlängerungen, finanziert werden - danach muss eine (therapeutisch meist völlig unsinnige) Pause erfolgen. Manche Kassen sind da großzügiger und verzichten auf diese rigide Regelung, zuweilen ist das ein richtiger Kampf. Dann finanzieren die Eltern betroffener Kinder zumindest in dem Pausenzeitraum die Therapie nicht selten vorübergehend selbst (wenn sie das stemmen können).

Heilpädagogisches Reiten wird von Krankenkassen, ähnlich wie das Psychotherapeutische Reiten, nur in Ausnahmefällen gezahlt. Im Rahmen präventiver Maßnahmen, die allerdings dann thematisch und methodisch auch entsprechend ausgearbeitet sein müssen, gewähren sie ihren Mitgliedern zum Teil Pauschal-Zuschüsse (so wie auch für einen Rückenschule-Kurs oder Alexandertechnik bei der VHS). Das waren mal maximal 90 €, ob sich da was geändert hat, weiß ich nicht.

Die alternative Finanzierungsmöglichkeit besteht für Heilpädagogisches Reiten und Voltigieren (HPR/V) eventuell durch das Jugendamt. Dazu muss natürlich eine entsprechende Indikation vorliegen, zu deren Behebung oder Unterstützung sich das Jugendamt berufen fühlt. Das kann die emotionale Unterstützung bei Krisensituationen in der Familie des Kindes sein, das Vorliegen einer, wie es so schön heißt, Verhaltensauffälligkeit mit entsprechender Folgeproblematik, die Bearbeitung expliziter Traumata u. ä. Vom Jugendamt können theoretisch die realen Kosten übernommen werden, je nach Verhandlung mit dem Amt. Spätestens wenn es um die Verhinderung einer außerfamiliären Unterbringung geht, sind die normalerweise ziemlich kooperativ...

Häufig werden insbesondere HPR und HPV in Kooperation mit therapeutischen oder pädagogischen Einrichtungen, Kliniken, Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen etc. angeboten. Die können solche Therapien über den Pool aus Pflege- und Therapiesätzen (sprich Krankenkasse, Pflegekasse), integrative Unterstützungsleistungen (finanziert über Bezirke etc.), Einnahmen durch anerkannte angegliederte Schulen etc. finanzieren - und natürlich über Fundraising. Als entsprechender Träger hat man schließlich weit besseren Zugang zu Menschen, die Projekte oder soziale/gesundheitliche Einrichtungen finanziell unterstützen wollen, Pharmafirmen etc. Zum Teil zahlen die Bewohner/Schüler/Klienten/Patienten einen kleinen Obolus aus ihrem Taschengeld dazu, der jedoch meist eher marginal ausfällt.

Mit entsprechender Argumentation und Geschick ist es u. U. auch möglich, verschiedene Sparten des Therapeutischen Reitens durch Stiftungen unterstützen zu lassen. Dafür ist normalerweise eine fachlich fundierte "Tränendrüsen-Geschichte" notwendig und natürlich eine Begründung dafür, warum ausgerechnet diese Therapie oder pädagogische Methode das Beste für den Interessenten ist - meist ist ein medizinisches, psychologisches oder auch sozialpädagogisches Gutachten von neutraler Seite dafür erforderlich (z. B. durch einen Wohlfahrtsverband). In den Sinn kommen mir da Stiftungen wie Aktion Mensch, die Glückspirale, Antenne Bayern Hilft... Außerdem gibt es in den meisten Städten auch lokale Stiftungen, die Dank ihres definierten Stiftungszwecks in der Lage sind, die Unterstützung zu leisten - und dazu bereit sind, wenn es der Sache dient und entsprechend argumentiert wird. Nebenbei hat auch das Deutsche Kuratorium für Therapeutisches Reiten eine eigene Stiftung, die bedürftige Menschen mit entsprechender Indikation darin unterstützt, Therapeutisches Reiten nutzen zu können. Allerdings gucken die, nicht völlig zu unrecht, speziell auf die Qualifikation der Person, die das ThR durchführt. Denn es gibt viele tolle und fundierte Angebote mit hohen Qualitätsstandards, aber leider auch eine Menge Dilettanten und schwarze Schafe in dem Metier - schließlich ist der Begriff "Reittherapeut" in Deutschland nicht geschützt und jeder kann sich einfach so nennen...

Tja, und für alle anderen, für die, auf die keiner der Punkte wirklich zutrifft, die nicht entsprechend argumentieren können oder wollen, bei denen die Situation nicht sooo dramatisch ist, obwohl sie natürlich trotzdem vom ThR profitieren würden - oder jene, die leider bei der falschen Krankenkasse gemeldet sind, bedeutet das üblicherweise:

Selbst zahlen oder Finanzier (=Edlen Spender...) finden.

Auf alle Fälle ist es nicht so, dass einem so eine Finanzierung in den Schoß fällt - es ist üblicherweise mit gehörigem Aufwand verbunden, Anträge an eine Krankenkasse oder auch eine Stiftung zu verfassen und fachlich zu untermauern.

Krankenkassen verlangen noch dazu einen Fachkundenachweis, da sie nicht die Arbeit von Dilettanten unterstützen wollen sondern an einem tatsächlichen Therapeutischen Nutzen interessiert sind - auch dieser Nachweis erfordert einen gewissen Aufwand.

Und natürlich muss die Fachlichkeit überhaupt erst einmal vorhanden sein, in diesem Falle sowohl auf der therapeutisch/pädagogischen Ebene (z. B. Physiotherapeut, Sozialpädagoge, Arzt, Psychologe) als auch was die spezielle Methodik angeht (Reiterliche Qualifikation, Ausbildung des eingesetzten Therapiepferdes, Zusatzqualifikation im entsprechenden Metier des Therapeutischen Reitens, ggf. weitere therapeutische Ausbildungen, Berufserfahrung etc.

Allerdings: Wer als Therapeut/Pädagoge das Procedere bei einer Krankenkasse erfolgreich durchlaufen hat, kann sich bei anderen Kassen meist erfolgreich darauf berufen und es reicht, eine Kopie der Anerkennung einzureichen.

OK, jetzt habe ich Dich vermutlich mit Informationen erschlagen ;-) Selber schuld, hättest ja nicht zu fragen brauchen... Falls Du noch mehr Fragen zu dem Thema hast: Immer her damit! Und natürlich viel Erfolg bei Deinem Vortrag!

Kennst Du das Kuratorium für Therapeutisches Reiten? Die können Dir da ganz detailiert Auskunft geben. Auch der Förderkreis therapeutisches Reiten ist recht gut informiert. Von Amistad hört man auch einiges. Meines Wissens nach übernehmen manche Krankenkassen die Hippotherapie, da diese von Krankengymnasten mit Zusatzausbildung durchgeführt wird. Wobei es hier auch schon gegenteilige Gerichtsurteile gibt. Auch eine Nachfrage bei diversen Krankenkassen kann weiterhelfen.
Alles andere muss in den meisten Fällen leider vom Kunden selbst getragen/ finanziert werden, was für viele sehr schwer machbar ist.
LG Muli