Kann mir einer etwas genauer dieses gedicht erklären?
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Sehr weit ist diese Nacht. Und Wolkenschein
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Zerreißet vor des Mondes Untergang.
03
Und tausend Fenster stehn die Nacht entlang
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Und blinzeln mit den Lidern, rot und klein.
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Wie Aderwerk gehn Straßen durch die Stadt,
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Unzählig Menschen schwemmen aus und ein.
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Und ewig stumpfer Ton von stumpfem Sein
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Eintönig kommt heraus in Stille matt.
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Gebären, Tod, gewirktes Einerlei,
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Lallen der Wehen, langer Sterbeschrei,
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Im blinden Wechsel geht es dumpf vorbei.
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Und Schein und Feuer, Fackeln rot und Brand,
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Die drohn im Weiten mit gezückter Hand
14 Und scheinen hoch von dunkler Wolkenwand.
2 Antworten
Hallo:) ich würd den Titel direkt mitdenken: "Die Stadt" (soweit ich weiß von Heym)
Es geht also um "Die Stadt" (keine bestimmte, Name wird nicht genannt, also geht es wohl um die Stadt als Prinzip, als Lebensraum, als große Unbekannte etc.)
1. Strophe: apokalyptische Stimmung (Semantisch: Zerreißen, Untergang); auffallend: Nicht die Menschen, sondern die Dinge agieren (Fenster blinzeln!) Die Menschen sind also passiv, anwesend, aber nicht Herren der Lage (typ. Expressionistisch!)
2. Strophe: Aderwek --> Maschinerie(!), Maschine ersetzt Menschen (vgl. Industrialisierung), Unpersönliche Stimmung, Anonymität der Großstadt (vgl. Fenster aus der ersten Strophe, sie blinzeln, aber es gibt keinen zwischenmenschlichen Blickkontakt), schwemmen: erneut Passivität (sie werden umhergespült, schwimmen nicht aktiv selbst --> Meeresmetapher, weckt Assoziation von Flut, Apokalypse (vgl. Bibel)
3. dumpf, Einerlei: Keine Perspektive, Eintönigkeit und Einsamkeit des Lebens, das immerschon auf den Tod verweist (Wehen stehen für Geburt- und noch im selben Vers folgt der Todesschrei!)
.....etc.
Das war jetzt rein inhaltlich überlegt, aber das Gedicht weist ganz viele stilistische Mittel auf, die sich alle auf diese Grundgedanken zurückführen lassen:)
Ich hoffe, das hilft:)
Wenn dies aus deiner Feder stammt, verneige ich mich vor dir.
Es beschreibt die tumbe, sich stets wiederholende, sinnlose Schwere des Seins