Jean-Jacques Rousseau- Gewalteinteilung?

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Gewaltenteilung gibt es bei Rousseau nicht. Sie ist eine Erfindung von John Locke und Montesquieu. Bei Rousseau gibt es nur die Volonté générale; das bedeutet: jede Staatsregierung muss auf den Allgemeinen Willen zurückgeführt werden, der durch permanente Volksbefragung ermittelt wird (das ist nur in kleinen Staaten, wie den Schweizer Kantonen möglich). In den großen Flächenstaaten gibt es dafür das zwischen Regierung und Volkswillen zwischengeschaltete Parlament. Aber eine vom Volkswillen unabhängige Staatsgewalt, wie z.B. die Jurisdiktion, ist nach Rousseau nicht möglich. Nach seinem Staatsmodell müssen auch die Richter vom Volk gewählt und abgewählt werden. Die vom Volkswillen unabhängige Justiz ist – im Sinne der Gewaltenteilung nach John Locke / Montesquieu – in den heutigen Demokratien die Regel. Die Richter werden zwar von den vom indirekten Volkswillen nicht ganz unabhängigen Richterwahlausschüssen gewählt, aber einmal gewählt, können sei nicht mehr abgewählt werden. Sie sind also von den anderen Gewalten unabhängig. Bei den anderen Gewalten (Legislative, Exekutive) spricht man - jedenfalls in Deutschland - eher von einer Gewaltenverschränkung, während die 2 Gewalten in den USA nicht verschränkt, sondern voneinander unabhängig sind. Nach Rousseau wäre aber eine (formale) Gewaltentrennung durchaus möglich, aber – wie gesagt – jede der Staatsgewalten muss unmittelbar auf den Volkswillen zurückgeführt werden. Unabhängig vom Volkswillen darf keine Gewalt sein. - Die Rousseausche volonté générale ist das Vorbild der sozialistischen Rätedemokratie gewesen (wobei sich aber hier immer der Wille einer besonders „rührigen“ Partei durchsetzte, d.h. der Wille der Bolschewisten; das wäre bei Gewaltenteilung i.S. von Unabhängigkeit der Justiz nicht möglich gewesen). Die westlichen repräsentativen Demokratien gehen eher auf John Locke und Montesquieu zurück.