Ist die Welt deterministisch?

2 Antworten

Das ist wirklich eine interessante Frage. Vom rein logischen ist es eigentlich so, dass ein Ursache- Wirkungsprinzip existieren müsste. Und demzufolge wäre die Welt eine deterministische. Dem widersprechen allerdings Erkenntnisse aus Quantenphysik und aus der Chaostheorie. Zudem lassen sich Vorhersagen nicht treffen, da man nicht alle Informationen gleichzeitig haben kann. (Heisenbergsche Unschärferelation)

Es gibt aber durchaus Hinweise darauf, dass der freie Wille eine Illusion sein könnte.

Wenn alles determiniert wäre, dann wäre in dem o.g. Beispiel sowohl Tat als auch Strafe vorherbestimmt.

Albrecht  02.04.2019, 00:46

Was die eigene Erfahrung betrifft, erleben sich die Menschen als frei (keine absolute/unbedingte Freiheit, aber Fähigkeit zu selbstbestimmter Wahl). Sie bemerken Einflüsse, was aber mit Willensfreiheit vereinbar ist, sie bemerken dagegen nicht, bei der Willensbildung auf eine Hinderung durch eine strenge und ausnahmslose Notwenigkeit, die eine Zwangsläufigkeit des Ablaufs bedeutet, zu stoßen. Dies ist kein sicherer Beweis für die Existenz von Willensfreiheit, aber immerhin ein gewichtiges Argument dafür, weil anders als bei Sinnestäuschungen das Erleben nicht als durchschaute Illusion zum Verschwinden gebracht werden kann.

Worauf bezieht sich die sehr schwammige Aussage, es gebe Hinweise darauf, dass der freie Wille eine Illusion sein könnte? Welche angeblichen Hinweise sind gemeint?

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Albrecht  16.04.2019, 06:36
@Svensson70

Der Zeitungsartikel weist schwere Mängel auf:

1) falsche Gleichsetzung von Kausalprinzip und Determinismusprinzip

Es wird der Fehler einer Gleichsetzung von Kausalprinzip und Determinismusprinzip begangen: „In der Natur ist Freiheit nicht vorgesehen. Physikalische, chemische und biologische Prozesse laufen nach dem Prinzip von Ursache und Wirkung. Davon kann sich selbst der Mensch nicht freimachen.“

Daraus, daß notwendigerweise jedes Ereignis eine Ursache/einen zureichenden Grund hat, kann nicht abgeleitet werden, daß jedes Ereignis unausweichlich notwendig ist

Es gibt eine weitergehende (und daher zu begründende) Zusatzbehauptung, jedes Ereignis unterliege ausnahmslosen Gesetzen, die es mit strikter Notwendigkeit festlegen. Dabei ist offenbar an Naturgesetze gedacht (wobei nicht jede Art von Naturgesetzen für die These herangezogen werden kann, sondern nur Sukzessionsgesetze [Verlaufsgesetze]). Der Ablauf des Geschehens unterliegt angeblich ausnahmslosen Verlaufsgesetzen, die vereinfacht ausgedrückt Sätze der Form „immer wenn etwas der Art A geschieht, dann geschieht danach etwas in der Art B“ sind. Ein universaler Universalismus dieser Art, der darauf hinausläuft, der gesamte Weltlauf sei durch Anfangsbedingungen und Naturgesetze ein für alle Mal alternativlos festgelegt, kann nicht empirisch überprüft werden. Denn das Universum können wir nicht zweimal in den genau gleichen Zustand bringen, sozusagen mit einer Neustarttaste für den Weltlauf. Verlaufsgesetze für einen universalen Determinismus sind auch nicht angegeben worden.

Wer die Existenz von Willensfreiheit bejaht, ist nicht gezwungen, das Kausalprinzip aufzugeben und „frei“ als „unverursacht“ zu deuten. Der Begriff »Ursache« führt nicht als logisch einzige Möglichkeit zu einer Verursachung, die Zwangsläufigkeit alles Geschehens bedeutet und keinerlei Spielraum offenhält. Auch andere Auffassungen sind denkmöglich (und Anzeichen für komplexe, dynamische, nicht-lineare Systeme deuten auf so etwas in der Wirklichkeit). Auch Selbstbestimmung, bei der sich Menschen nach Überlegung in einer Wahl aus Gründen entscheiden, kann eine Verursachung ein. Einflüsse, die es bei der Willensbildung gibt, sind mit Freiheit vereinbar, wenn sinnvollerweise mit Freiheit nicht eine absolute, völlig losgelöste unbedingte Freiheit gemeint ist.

2) Widersprüchlichkeit

Es wird eingeräumt, der Mensch sei in seinen Entscheidungen freier als andere Lebewesen („Natürlich stimmt es, dass der Mensch freier in seinen Entscheidungen als andere Lebewesen ist, als ein Einzeller, eine Petunie oder eine Spitzmaus.“). Wer verhältnismäßig frei ist, kann aber logischerweise nicht keinerlei Freiheit haben. Dann ist es unzulässig und widersprüchlich, Willensfreiheit überhaupt zu bestreiten. Mit der Überschrift, nach der es viele Argumente gegen die Existenz eines freien Willens gebe, und der Aussage, die Menschen seien der Theorie nach unfrei, geschieht dies aber. Es kommt zu eier Aussage mit einem ungeklärten Widerspruch: „Der Theorie nach sind wir unfrei, der Praxis nach aber nicht.“ Wenn Menschen in der Praxs frei sind, ist eine Theorie ihrer völligen Unfreiheit falsch. Wenn ein illusionäres subjektives Gefühl gemeint ist, handelt es sich nicht um eine Praxis mit tatsächlicher Freiheit.

3) Untauglichkeit einer Argumentation gegen absolute Freiheit zur Bestreitung einer nicht absoluten Freiheit

Die Feststellung, es gebe keine absolute Freiheit bei Entscheidungen („Aber diese Freiheit ist relativ, nicht absolut.“), ist nicht geeignet, weiterreichende Folgerungen zu stützen, es gebe auch keine Freiheit, die nicht absolut ist.

 

 

 

 

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Albrecht  16.04.2019, 06:36
@Svensson70

4) falsche Unterstellung, in Experimneten sei gezeigt worden, Entscheidungen würden bereits gefällt werden, bevor das Bewußtsein von ihnen Kenntnis nimmt

Gegen die Behauptung, Entscheidungen zu einer Handlung seien längst gefallen, wenn Menschen glaubten, sie gerade zu treffen, hat es berechtigte Einwände gegeben. Von der Hirnforschung ist dies nicht herausgefunden worden, sondern es haben nur einige Leute bestimmte Experimente so gedeutet. Diese Deutungen sind aber mit Argumenten angefochten worden.

Inzwischen ist die gegen die Existenz von Willensfreiheit gerichtete Deutung mit einem zeitlich vorausgehenden sogenannten Bereitschaftspotential zusammengebrochen. Wie von einem Experiment anscheinend nachgewiesen ist, wird durch das Bereitschaftspotential die Entscheidung noch nicht festgelegt, sondern eine eingeleitete Bewegung kann noch abgeändert werden (bis ungefähr 0, 2 Sekunden vor Ausführung, wo eine Grenze der Reaktionszeit liegt). Es ist möglich, sich umzuentscheiden. Der Forscher, der das Experiment durchgeführt hat, neigt in seiner allgemeinen Auffassung einer strikten Determiniertheit zu. Eine Argumentation mit dem Bereitschaftspotential gegen die Existenz von Freiheit hält er nun für nicht aufrechterhaltbar. Er versucht seine Weltanschauung mit einer Aussage zu wahren, es gebe vorausgehende Hirnprozesse. Dabei mangelt es aber an einer echten Begründung, warum so der Ablauf strikt determiert sei.

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4743787/

https://die-grossen-fragen.com/2016/03/17/willensretter-wider-willen-1-libets-werk-und-haynes-beitrag/

https://die-grossen-fragen.com/2016/04/03/willensretter-wider-willen-2-warum-wir-wissenschaftlich-gesehen-frei-sind/

https://www.spektrum.de/news/unser-wille-ist-doch-nicht-so-unfrei/1397002

https://www.deutschlandfunkkultur.de/neue-erkenntnisse-zur-willensfreiheit-wie-das-gehirn.976.de.html?dram%3Aarticle_id=371055

https://www.faz.net/aktuell/wissen/ist-das-gehirn-fremdgesteuert-endlich-befreit-14034210.html

5) seltsame Annahmen über das Verhältnis von Bewußtem und Unbewußtem

Es wird so getan, als ob eine Herkunft von Bewußtseinsinhalten aus dem Unbewußten Freiheit ausschlösse. Für Freiheit kommt es aber nicht auf diese Herkunft an, sondern wie damit umgegangen wird. Irgendwelche Impulse setzen sich bei Entscheidungen nicht automatisch um, sondern die Person überlegt und bezieht dazu Stellung.

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Wenn die Bestrafung zur Besserung führt, wäre sie dennoch nicht unmoralisch. ;)

Ich bin nicht sehr tief in der Materie drin, aber auf Quantenebene ist das Verhalten gewisser Teilchen wohl nicht durch Umstände vorhersagbar. So gesehen wäre nicht alles determiniert.