Hi und zwar wollte ich fragen wie ich Strophen und verse zähle und unterscheiden?

2 Antworten

Die Strophen dieser Ballade sind wegen des erzählten Inhalts unregelmäßig und nicht alle gleich lang, d.h. sie bestehen aus verschieden vielen Verszeilen, hauptsächlich 6- und 4-Zeilern.

"Vers" ist die Bezeichnung für die Zeile eines Gedichtes, wobei der Versschluss früher gewöhnlich, aber nicht immer in einem Reimverhältnis zu einem anderen Versende stand. Man würde auch erwarten, dass die Verse in einem regelmäßigen Rhythmus mit einem der drei Versmaße Trochäus, Jambus, Daktylus ablaufen ( das 4.Versmaß, der Anapäst, existiert kaum in der dt. Dichtung).

Bei der Versmaß-Feststellung des Rhythmus weist Fontanes "John Maynard!" allerdings besonders am Anfang beträchtliche Tücken auf. Da mag dann eine Hilfe die Berücksichtigung auch der ursprünglich ja lateinischen Versmaße sein, wo es ja keine betonten und unbetonten Silben, sondern nur lange und kurze Vokale gibt, wobei ein langer zwei kurzen entspricht.

Was den Strophenbau der Ballade deiner Frage anlangt, den siehst du aufgrund der Abstände zwischen den Strophen hier:

John Maynard!

„Wer ist John Maynard?“

„John Maynard war unser Steuermann,

aushielt er, bis er das Ufer gewann,

er hat uns gerettet, er trägt die Kron',

er starb für uns, unsre Liebe sein Lohn.

John Maynard.“

.

Die „Schwalbe“ fliegt über den Erie-See,

Gischt schäumt um den Bug wie Flocken von Schnee;

von Detroit fliegt sie nach Buffalo -

die Herzen aber sind frei und froh,

und die Passagiere mit Kindern und Fraun

im Dämmerlicht schon das Ufer schaun,

und plaudernd an John Maynard heran

tritt alles: „Wie weit noch, Steuermann?“

Der schaut nach vorn und schaut in die Rund:

„Noch dreißig Minuten ... Halbe Stund.“

.

Alle Herzen sind froh, alle Herzen sind frei -

da klingt's aus dem Schiffsraum her wie Schrei,

„Feuer!“ war es, was da klang,

ein Qualm aus Kajüt und Luke drang,

ein Qualm, dann Flammen lichterloh,

und noch zwanzig Minuten bis Buffalo.

.

Und die Passagiere, bunt gemengt,

am Bugspriet stehn sie zusammengedrängt,

am Bugspriet vorn ist noch Luft und Licht,

am Steuer aber lagert sich´s dicht,

und ein Jammern wird laut: „Wo sind wir? wo?“

Und noch fünfzehn Minuten bis Buffalo. -

.

Der Zugwind wächst, doch die Qualmwolke steht,

der Kapitän nach dem Steuer späht,

er sieht nicht mehr seinen Steuermann,

aber durchs Sprachrohr fragt er an:

„Noch da, John Maynard?“

„Ja, Herr. Ich bin.“

.

„Auf den Strand! In die Brandung!“

„Ich halte drauf hin.“

Und das Schiffsvolk jubelt: „Halt aus! Hallo!“

Und noch zehn Minuten bis Buffalo. - -

.

„Noch da, John Maynard?“ Und Antwort schallt's

mit ersterbender Stimme: „Ja, Herr, ich halt's!“

Und in die Brandung, was Klippe, was Stein,

jagt er die „Schwalbe“ mitten hinein.

Soll Rettung kommen, so kommt sie nur so.

Rettung: der Strand von Buffalo!

.

Das Schiff geborsten. Das Feuer verschwelt.

Gerettet alle. Nur einer fehlt!

Alle Glocken gehn; ihre Töne schwell'n

himmelan aus Kirchen und Kapell'n,

.

ein Klingen und Läuten, sonst schweigt die Stadt,

ein Dienst nur, den sie heute hat:

Zehntausend folgen oder mehr,

und kein Aug' im Zuge, das tränenleer.

.

Sie lassen den Sarg in Blumen hinab,

mit Blumen schließen sie das Grab,

und mit goldner Schrift in den Marmorstein

schreibt die Stadt ihren Dankspruch ein:

.

„Hier ruht John Maynard! In Qualm und Brand

hielt er das Steuer fest in der Hand,

er hat uns gerettet, er trägt die Kron,

er starb für uns, unsre Liebe sein Lohn.