Freiwilligendienst im Ausland abgebrochen?

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Tatsächlich habe auch ich extrem selten von jemandem gelesen, der nach Jahren des Heimkehrens von Reue berichtet hätte. Ich meine mich zu erinnern, dass es hier mal einen Beitrag in dieser Richtung gab, aber ich finde ihn nicht. Ich glaube, das liegt aber auch in der Natur der Sache. Wenn man ein Austauschjahr abbricht, und das später wirklich schwer bereut, würde es dieses Gefühl glaube ich nur noch schlimmer machen, öffentlich mit anderen darüber zu reden. Ich fürchte, diese Leute möchten wenn dann überhaupt gar nicht mehr darüber reden und folgen deshalb dem Hashtag #Auslandsaufenthalt zum Beispiel nicht, sehen also diese Frage von dir zum Beispiel gar nicht. Und die meisten empfinden denke ich auch eher eine leichte Reue im Sinne von „Hm, ich weiß zwar, warum ich damals diese Entscheidung getroffen habe, aber aus heutiger Sicht würde ich es anders machen.“ So ähnlich, wie man sich als 20-Jähriger ja vielleicht daran erinnern kann, warum man damals in der ersten Klasse auf dem Schulhof jemanden gehauen hat oder frech zum Lehrer war oder die Verbote seiner Eltern missachtet hat, mit 20 aber versteht, dass man diese Situationen auch anders hätte lösen können.

Allgemein einige meiner Gedanken zum Thema „Abbrechen ja/nein“:

  • Abbrüche von Auslandsaufenthalten sind nicht selten. Wenn du abbrichst, du bist auf jeden Fall nicht der oder die Erste oder Einzige.
  • Ein Auslandsaufenthalt, ob nun Schüleraustausch oder Freiwilligendienst oder Au-pair, ist nichts, was man zwingend gemacht haben muss, um ein erfülltes Leben gehabt zu haben. Es ist nicht so wichtig, dass man dafür im schlimmsten Fall seine Gesundheit auf‘s Spiel setzen sollte.
  • Etwas abzubrechen ist immer noch besser als etwas schlecht zu beenden. Bevor man das Jahr auf Biegen und Brechen durchzieht und damit letztendlich auch die dortigen Leute herunterzieht, sollte man auf jeden Fall die Reißleine ziehen. Allerdings sollte man unbedingt auch im Voraus oder nach Rückreise frühzeitig klären, wie es dann weitergeht. Ggf. ändern sich zum Beispiel dadurch einige finanzielle Sachen (Stichwort Kindergeld), und da Ausbildungen und Studien meist erst im Herbst wieder losgehen, kann es mitunter nicht besonders hilfreich sein, zurück in ein Loch von Nichtszutunhaben zu kommen.
  • Der Auslandsaufenthalt war oftmals nicht unbedingt „falsch“, sondern einfach nur „zu früh“. Und gerade die Programme nach der Schule haben meist noch zusätzlich die Erschwernis, dass man nicht nur einfach „weit weg von zu Hause“ ist, sondern auch gleich seinen ganzen Alltag inklusive Haushalt, Einkaufen, ggf. Arbeit eigenverantwortlich bestreiten muss. Und auch im Ausland ist die Erwartungshaltung an jemanden, der 18 oder 20 ist natürlich eine andere als als einen 15-Jährigen. Dieser Sprung zu einem eigenen Haushalt und einem Alltag mit Arbeitsverpflichtung und Selbstversorgung ist selbst in Deutschland mitunter gar nicht so einfach, und das ganze gleich im Ausland kann schnell einfach nur „zu viel auf einmal“ sein. Insofern sollte man die Entscheidung, abzubrechen, nicht als lebenslang empfinden (und sie sich damit unnötig schwer machen).
  • Abbrecher fühlen sich häufig unverstanden, besonders wenn ihnen jemand dazu rät, durchzuhalten. Ich kann von mir zumindest sagen, dass das nicht stimmt. Weihnachten jetzt gerade, klassische Heimweh-Zeit, habe ich auch durchgemacht, mache ich auch heute, zum siebten Mal in Folge, noch durch. Schwer kranke Verwandte und Freunde in Deutschland, um die man sich sorgt, und Todesnachrichten? Check! Oder die eigene Gesundheit zieht einen herunter und man hat Angst? Been there, done that. Sprachbarrieren, Mentalitätsunterschiede, Alltagsprobleme, die einem über den Kopf wachsen? Abonniert! Wenn ich soetwas schreibe wie „Halte durch!“, dann nicht, weil ich keine Ahnung habe und das Gefühl nicht kenne. Nur, meine Strategie ist eben eher, die Leute vor all diesen Sachen zu warnen, bevor sie sich auf ins Ausland machen, und sie während des Aufenthalts lieber mit Durchhalteparolen zu überschütten. Nur tragischerweise sind die Leute vor dem Auslandsaufenthalt meist eher in Hype-Stimmung und für „Überleg dir das gut!“ nicht unbedingt besonders zugänglich.
Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Ich war ein Jahr als Schülerin in Japan