Bitte helft mir, was soll das bedeuten? 2

6 Antworten

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Das Zitat von Friedrich Nietzsche heisst:

Wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein."

Den Abgrund in sich zu sehen ist Schritt 1. Ihn anzunehmen ist Schritt 2. Mit ihm umgehen zu können ! ist Schritt 3. Und über Schritt drei berichtet uns Friedrich Nietzsche. Wenn sich das Annehmen des Abgrundes zu einer Faszination für den Abgrund entwickelt. Beginnen wir uns zu verändern und es beginnt ein Austausch. Wir interessieren uns zunehmend für den Abgrund. Und der Abgrund, begeistert von soviel Aufmerksamkeit, interessiert sich zunehmend für uns. Ich hoffe ich habe es verständlich erläutert, deinen Sichtweise ist richtig zum Thema, bezüglich in Symbiose, zu sehen, im Zusammenhang zum Zitat des ABGRUNDES .

Xiraxis66 
Fragesteller
 23.06.2014, 02:16

Es wäre mir nicht auf die Schnelle eingefallen diese beiden Aussagen als Paar zu betrachten. Sehr erfrischend, ich danke dir. Beste Antwort.

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Das Zitat lautet ein klein wenig anders und ist ein kurzes Gedichts Nietzsches. Friedrich Nietzsche, Die fröhliche Wissenschaft (1887). („la gaya scienza“) „Scherz, List und Rache.�? Vorspiel in deutschen Reimen.

„13. Für Tänzer.
Glattes Eis
Ein Paradeis
Für Den, der gut zu tanzen weiss.“

Glattes Eis bedeutet eine Gefahr/ein Risiko des Ausrutschens, des Zu-Fall-Kommens, des Nicht-Gelingen, Scheiterns, Verunglückens. Das glatte Eis steht für schwierige Bedingungen/Umstände, das Fehlen von sicherem, festem Halt und Stabilität.

Das Paradies ist ein Ort/eine Stätte des Glucks, der Seligkeit, der Freude.

Die schwierigen Bedingungen/Umstände sind für jemand, der gut tanzen kann, ansprechend, eine Herausforderung, die er genießt. Sie lassen ihn eher aufblühen, bringen seine Fähigkeiten zum Vorschein. Die Entfaltung von Fähigkeiten macht glücklich.

Es bereitet jemand Freude, sich Schwierigkeiten und Gefahren zu stellen, standzuhalten und sein Können zu zeigen. Er kann mit dem Fehlen von Sicherheit und Stabilität umgehen.

Die Fähigkeit zum Tanzen kann mit vielfältigen Assoziationen verbunden werden. Das Tanzen steht für Leichtigkeit des Lebens und Denkens, die »große Vernunft« des Leibes, Freiheit/»freier Geist«, Überlegenheit, Selbstverständlichkeit, Spielerisches, Schöpferisches, Überschwenglichkeit. Tanz befreit als jasagende Macht zum Leben.

Tanz hat bei Friedrich Nietzsche auch einen Bezug zu Erkenntnis/Wahrheit. Zur Deutung ist wohl (vor allem in Hinsicht auf das glatte Eis) auch seine Auffassung dazu heranzuziehen.

Nietzsche ist der Auffassung, es gebe keine feste, allgemeinverbindliche Wahrheit und alles sei eine subjektive Setzung. Die Welt versteht er als chaotisches Werden und Vergehen, stets im Fluß. Es gibt keine wahre Welt an sich und deren Erkennen, jede Weltbetrachtung ist Interpretation. Wahrheiten sind lebensdienliche, ja lebensnotwendige Fiktionen, keine stabile, absolute Weltordnung. Wahrheit ist nach Nietzsche immer perspektivisch, eine Idee/Vorstellung/Illusion. Die Wahrheitsperspektive ist eine Funktion des »Willens zur Macht«.

Eine gewisse Instabilität entsteht auch durch die Aufforderung zur Selbstüberwindung, dazu, über sich selbst hinaus zu gelangen. Bloße Selbsterhaltung ist nicht das angestrebte Ziel. Leben ist auch auf Wachstum, Erweiterung, Steigerung, Erhöhung ausgerichtet. Nietzsche ist ein Denker, für den es ein erstrebenswertes Ziel der persönlichen Entwicklung darstellt, immer wieder neu schöpferisch tätig zu sein und damit über sich hinauszugehen.

Wer eine Fähigkeit hat, gut tanzen zu können, ist jemand, der sich in diesen Verhältnissen bewegen kann, mit diesem Zustand und der Aufgabe zurechtkommt.

Anregungen zum Thema Tanz/Tanzen/Tänzer gibt es in Artikeln in Nachschlagewerken zu Nietzsche.

Christian Schüle, Tanz/Tänzer. In: Nietzsche-Handbuch : Leben - Werk - Wirkung. Herausgegeben von Henning Ottmann. Stuttgart ; Weimar : Metzler, 2000, S. 335 – 336

S. 335: „Ausgehend von N.s Ziel, der voll entfalteten Einheit des ↗ Leibes als »große Vernunft«, ist der Tanz der Inbegriff von Leichtigkeit, Freiheit, Überlegensein, und Selbstverständlichkeit des Lebens.“

„Der Tanz steht als Symbol für die Überwindung seiner selbst als gelungene Bewegung. Tanz ist Ausdruck jener Tätigkeit, die einer höheren Art, als der Mensch selbst ist, zum Dasein verhelfen soll.“

S. 336: „N. drängt stets zu den Wahrheiten, nach denen sich tanzen läßt, jener Art Wahrheiten also, die ein Einwand gegen die sich absolut gebenden sind. Er akzeptiert nur Wahrheiten, nach denen die Füße tanzen können. Was N. also mit dem Tanz ausdrücken will, ist die Unmittelbarkeit der Wahrheit. Um von sich selber auszuruhen, verlangt er vom Menschen das possenreißerische Narrsein. Der Tanz ist Symbol für den Übermut, für das Überschwengliche als Antrieb zum Weiter, zum Höher und Ferner, zur Bewegung des Überwindens.“

„Der Mensch kann sich über sich »hinweg tanzen«, er soll sich überspringen, über sich hinaus geraten, er soll die unmittelbare Wahrheit des Übermenschlichen tanzen.“

N. = Nietzsche

Renate Reschke, Tanz. In: Nietzsche-Lexikon. 2., durchgesehene und erweiterte Auflage. Herausgegeben von Christian Niemeyer. Darmstadt : Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2011, S. 370

„T ist ästhetisch konnotiert: Sinnlichkeit, Leichtigkeit, Rhythmus, Schönheit korrespondiert mit Bewegung, dionysischem Rausch, Körperphysiologie, Erkenntnis, Wahrheit, Musik, Freiheit, Glückseligkeit, →Lachen, Spott, Ironie. T figuriert menschlichen Welt- und Selbstbezug, symbolisiert → Kultur, im Idealfall die höchste, ist Welten- , Geschlechter-, Göttertanz, freie Bewegung des Geistes und Sphäre des → Übermenschen […], Philosophen, Künstlers, ist Bewegung des Körpers, die sich selbst Zweck ist, Natürlichkeit als künstlerisches Phänomen […].“

T = Tanz

Albrecht  24.06.2014, 06:39

„T steht für (gefahrvolles) Leben, → Physiologie, → Spiel, → Ästhetik.“

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TeeEi  24.06.2014, 19:45

Danke für die Quellenangabe.

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AGPym  09.08.2014, 14:00

Ein wirklich außergewönlich gute und ausführliche Antwort. - Sie hätte den Stern verdient.

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Xiraxis66 
Fragesteller
 06.01.2015, 02:10
@AGPym

Stimmt, das hätte sie. Leider war ich zu voreilig.

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Wortgefechte beispielsweise. Vermute ich. Eigentlich lässt es sich auf alles zurückführen, bei dem man sich gerne in brenzlige Situation begeht.

Könnte ein Motto von Barney Stinson sein

Xiraxis66 
Fragesteller
 23.06.2014, 01:38

Der Vernichtung freiwillig nahe zu kommen, ihr aber zu entgehen. Das war auch mein Denken... lässt sich auf vieles Anwenden, stimmt sehe ich jetzt auch. Bisher beste Antowrt, ich warte noch ab.

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Ich tippe drauf, dass das Zitat nicht von Nietzsche stammt. Oder hast du eine Quelle?

Wer auf dünnem Eis gut tanzt , der kann was. Er kann sich aus jeder blöden Situation rausmanövrieren ohne , bildlich gesprochen, einzubrechen!

Xiraxis66 
Fragesteller
 23.06.2014, 01:35

Das macht das Eis aber nicht zum Paradies, es nimmt ihm nur den Schrecken.

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Tjoe95  23.06.2014, 01:41
@Xiraxis66

Wahrscheinlich verbindet er das Paradies mit Vorteil. Einige, die nicht manövrieren können, sehen das dünne Eis als Schrecken und andere, die gut tanzen können, sehen es als Paradies.

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Xiraxis66 
Fragesteller
 23.06.2014, 01:54
@Tjoe95

Ich habe Nietzsche gelesen und glaube nicht das er das so meinte, er stellt Freude und Bejahung im Leben ins Zentrum seiner Philosophie. Aber ich bin zu dem Schluss geraten das er vermitteln möchte das Risiko Lustgewinn bedeutet, wenn man das Können und das Selbstvertrauen dazu hat sich in Gefahr zu begeben nur um wieder zu entfliehen. Es ist wie Anziehung und Abstoßung, wie die Sehnsucht und das Verlangen zweier Liebenden die lange getrennt sind und auch nie lange zusammenbleiben können. ... Man könnte auch denken es sei die Aufforderung dazu Mutig zu sein, doch es gibt beim Tanz auf dem Eis nur einen Versuch, man muss wissen ob man es kann, bevor man es kann.

Wenn kein befruchtender Antwortgeber etwas völlig unbekanntes und zugleich triftiges Schreibt, wird dies wohl das sein was ich in Zukunft darunter verstehe.

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Xiraxis66 
Fragesteller
 23.06.2014, 02:11
@Xiraxis66

Oder vielleicht ist es auch genau das... Der Genuss der Unwissenheit, zu erproben wie weit man gehen kann, während der Untergang droht, die Freiheit zu entdecken bewusst das scheinbar törichte zu versuchen. Dieser Mann, ich wünschte ich könnte ihn fragen was er sich dabei dachte.

Auch diesen Ansatz werde ich im Kopf behalten.

Danke, du halfst mir als Denkanstoß.

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