Präteritum in gesprochener Sprachen

2 Antworten

Ich komme ganz aus dem Süden des deutschen Sprachraums. Präteritum kommt in der Sprache praktisch nicht vor — man hört zwar öfters mal war (aber ich auch Sätze wie Ich bin darüber ganz verwirrt gewesen), aber andere Verben stehen praktisch nie­mals im Präteritum, das gilt auch für können, wollen, müssen etc, stattdessen ver­wen­det man immer Perfekt, z.B. Ich habe meinen Auftrag nicht erledigen können.

ABER: Deshalb ist Präteritum doch kein Makel, selbst hier südlich der Alpen weiß je­der, daß man weiter im Norden häufiger verwendet (oft mit semantischer Unter­schei­dung zum Perfekt), und schrift­lich verwendet es sowieso jeder in fast jedem Kontext, und deshalb versteht es auch jeder in jedem Kontext. Wenn jemand gerne Präteritum mündlich verwenden will, dann ist das doch vom Recht auf einen persön­lichen Stil vollkommen abgedeckt. Und für Stil muß man sich ja nicht schämen (naja, das hängt vielleicht noch von den Details ab, aber in erster Näherung stimmt es).

Woher ich das weiß:Hobby – Angelesenes Wissen über Sprach­geschich­te und Grammatik

Inkognito-Nutzer   06.12.2024, 07:38

Indiachinacook,

Danke dir sehr für solche ausführliche Antwort!

Wenn ich das auch fragen darf, findest du, wenn du in der Alltagssprache Präteritum hörst, dass die Person kein Deutsch beherrscht?

Was sagt dein Sprachgefühl dazu?

Ich immer so es so wahrgenommen habe, dass es sich halt gehobener anhört und das war's.

P.S. Es auch sehr interessant, dass su schreibst, dass im Süden des Sprachraums hauptsächlich Perfekt verwendet wird. Ich bin selbst aus Bayern, und bei uns wird doch häufig Ppäteritum benutzt.

LG

indiachinacook  06.12.2024, 09:59
@Inkognito-Beitragsersteller

Ich habe ein paar Jahre in Berlin gelebt, und dort hört man Präteritum viel häufiger — tatsächlich habe ich mir das dort teilweise angewöhnt und wurde dann in Österreich schief angeschaut. Wenn jemand mir gegenüber Präteritum verwendet, dann ist mein erster Gedanke also „Aha, Nordlicht“ und nicht „Fremdsprachler“.

In Bayern bin ich zwar nie viel gewesen, aber mein Vorurteil ist, daß man dort zwar mal ich wollte/konnte/hatte/mußte/… sagt, aber bei Vollverben dann doch eher aufs Perfekt zu­rück­greift, also eher nicht ich kam/ging/glaubte/sagte/machte sagt.

Inkognito-Nutzer   06.12.2024, 19:55
@indiachinacook

Ich muss sagen, dass es richtig interessant ist, was du erzählst!

Ich, ehrlich gesagt, war noch nie richtig im Norden des Sprachraums, und kann deshalb nicht richtig beurteilen.

Das, was du über das "Verhältnis" zwischen Bayern und Präteritum sagst, stimmt absolut! Man wird niemals sagen, " ich machte gestern Sport", jedoch "Mir ging gestern nicht" ist sehr üblich, um nicht zu sagen einige übliche Option.

Das Ding mit dieser Aussage ist, dass es ein Mensch sagte, der in der Schule als Deutschlehrer tätig ist. Er meinte nämlich, dass er dadurch verstehen könne, wer Ausländer ist, der die Sprache nicht beherrscht. Und ich war ehrlich gesagt davon relativ überrascht, da ich immer es anders betrachtet habe.

Aber was mit gewisser Gehobenheit? Gibt es nur mur den gewissen, "Touch" etwas Literarisches? Bekommst du sowas nicht?

P.S. Ich hoffe, dass du nicht sauber auf mein ständiges Duzen bist! Es ist mir immer noch klar, wie es auf GuteFrage damit aussieht.

LG

indiachinacook  06.12.2024, 20:02
@Inkognito-Beitragsersteller

Auf gutefrage wird Siezen mit Kontaktabbruch bestraft, zumindest von mir.

Man wird niemals sagen, " ich machte gestern Sport", jedoch "Mir ging gestern nicht" ist sehr üblich

Letzteres wußte ich nicht, in Österreich kommt hier immer „… ist es mir nicht gut gegangen“ oder irgendeine dialektgefärbte Variante davon.

In Berlin dagegen sagen manche Leute wirklich „Gestern ging ich ins Kino“ oder „In diesem Restaurant aß ich letzte Woche“ (aber „Heute habe ich schon gegessen“, wenn man im Mo­ment satt ist und nichts mehr essen will). Ich habe mir das bis zu einem gewissen Grad an­ge­wöhnt, weil ich es für gut halte, zwischen den beiden vergangenen Zeiten zu unter­scheiden.

Ich könnte mir vorstellen, daß im Süden Präteritum als „gehoben“, vielleicht sogar ein biß­chen literarisch bis angeberisch empfunden wird, weil es mit Schriftlichkeit assozi­iert wird. In Österreich assoziiert man es aber eher mit Deutschland, und das ist natür­lich im­mer pro­blematisch.

Das Präteritum wird tatsächlich fast nur in der Schriftsprache verwendet.

Gesprochen wird überwiegend das normale "Perfekt", und kaum bis gar nicht das "Plusquamperfekt".

Beispiel:

Präteritum - ich sah

Perfekt - ich habe gesehen

Plusquamperfekt - ich hatte gesehen

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung