Wenn man in der Chemie vom Drehen um Einfachbindungen redet, meint man das Drehen von Atomen und Atomgruppen um die Achse einer Einfachbindung, richtig?

1 Antwort

Ja, das hast Du glaube ich richtig verstanden:

  • „Drehbarkeit“ um eine Einfachbindung bedeutet, daß sich das linke Atom (mit al­lem, was dran hängt) um die Achse der Bindung dreht, und das rechte gegenläufig.
  • Diese Drehbarkeit ist bei Einfachbindungen meist gegeben, d.h., es braucht wenig Energie (CC-Bindungen ≈4 kJ/mol), um die vollen 360° zu schaffen. Oder anders ge­sagt: Die Konformere ha­ben nur eine kurze Lebenszeit und wandeln sich in Se­kun­denbruchteilen inein­an­der um. Das sieht man sehr schön in der NMR-Spek­tro­skopie, die hat eine Zeitauf­lösung von einigen Nanosekunden, kann aber bei Raum­temperatur Konformere nicht „sehen“, sondern nur einen Mittelwert.
  • Allerdings ist das nicht immer so: Bei tie­fen Temperaturen kann selbst die wenige notwendige Energie für eine interne Rotation nicht aufgebracht werden. Bei sehr großen Substituenten, die sich bei der Drehung ins Gehege kommen, kann der En­ergie­bedarf beachtlich werden und steht dann selbst bei Raumtemperatur nicht zur Verfügung.
  • Ein bekanntes Beispiel für bei Raumtemperatur völlig gehemmter interner Rotation sind Biphenyle mit fetten Substituenten an den ortho-Stellungen.
  • Es gibt auch Einfachbindungen mit „partiellem Doppelbindungscharakter“ durch Ladungs­delokalisierung, z.B. bei Peptiden. Um die kann man normalerweise bei Raumtemperatur auch nicht drehen.
  • Ringe blockieren die interne Rotation um Bindung vollständig, weil sie durch eine solche Rotation völlig zerrissen würden — man müßte ja buchstäblich einer der Bindungen des Ringes öffnen, um die Rotation zu ermöglichen.
  • Letzteres gilt natürlich nur für die Bindungen, die den Ring formen. Zusätzliche Bindungen, die vom Ring wegzeigen, sind üblicherweise immer noch frei drehbar.
Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Chemiestudium mit Diss über Quanten­chemie und Thermodynamik
twidaldes 
Fragesteller
 04.01.2024, 17:45

Also ein Substituent oder eine Gruppe, die mit einem Kohlenstoff-Atom verbunden ist, welches innerhalb des Rings sitzt, aber selbst nicht innerhalb des Rings sitzt, kann frei um die Achse der Einfachbindung zum jeweiligen Kohlenstoff-Atom, welches im Ring fest verankert ist, gedreht werden. Richtig?

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indiachinacook  04.01.2024, 17:46
@twidaldes

Zucker haben z.B. typischerweise eine CH₂OH-Gruppe, die am Ring hängt. Die ist dann natürlich drehbar.

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twidaldes 
Fragesteller
 04.01.2024, 23:08
@indiachinacook

Aber wie kann das sein, dass man diese Gruppe drehen kann, wenn doch das Kohlenstoffatom an dem sie sitzt im Ring verankert ist? Das Kohlenstoffatom ist doch nicht drehbar, da es quasi von zwei Seiten festgehalten wird? Somit stell ich mir vor, dass dann alles was am Kohlenstoffatom dran sitzt ebenfalls nicht drehbar ist.

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indiachinacook  05.01.2024, 00:17
@twidaldes

Stell Dir einen Schneebesen vor, der mit dem Griff fest in einem Loch verankert ist. Natürlich kannst Du ihn drehen.

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JenerDerBleibt  04.01.2024, 17:48

Was ist mit solchen "ring flips" wie beim Cyclohexan? Da wird doch auch um Bindungen gedreht, also zumindest stückweise.

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indiachinacook  04.01.2024, 18:06
@JenerDerBleibt

Ja, genau: ein Stück weit, und das beschreibt man am besten als Tor­si­ons­schwin­gung, also eine peri­odi­sche Bewegung mit Umkehrpunkten. Aber die vollen 360° ge­hen nicht, daher ist es keine Drehung, die müßte ja per Definition immer in die­sel­be Rich­tung laufend periodisch sein.

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